Alois Schöpf
Ein Menschenrecht und die Ärzte

Wie in der Tiroler Tageszeitung vom letzten Sonntag ausführlich berichtet wurde, beabsichtigt der Wiener Rechtsanwalt Wolfram Proksch noch einmal den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Bekanntlich gelang es ihm und seinen Klienten schon einmal, das Menschenrecht auf ein selbstbestimmtes Lebensende durchzusetzen und damit den Gesetzgeber zu zwingen, das nunmehr gültige Sterbeverfügungsgesetz zu beschließen.

Nach einigen Monaten nun stellt sich heraus, dass das darin festgeschriebene Procedere, um das todbringende Medikament zu erhalten, es ohnehin Leidenden fast unmöglich macht, die Bedingungen zu erfüllen, um ihr Leben und vor allem ihr Leiden selbstbestimmt zu beenden.

So notwendig offenbar Prokschs Pläne sind, so bedauerlich sind sie zugleich. Denn das klug austarierte Sterbeverfügungsgesetz hat sich eigentlich zum Ziel gesetzt, Liberalität nicht von oben zu verordnen, sondern sie an die Gesellschaft weiter zu verweisen.

Dass nun ausgerechnet die Ärzteschaft und die sie vertretenden Ärztekammern, ohne deren Mitarbeit eine solche Liberalität nicht möglich ist, sich als die großen Bremsklötze erweisen, zeigt einmal mehr, dass die Götter in Weiß offenbar noch immer nicht mit ihrem im Studium eingelernten Paternalismus zurande kommen.

Statt umzudenken, wird ein Menschenrecht missachtet.

Bitte liebe Ärzte, nehmt uns Patienten, unser Leiden und unseren wohlüberlegten Willen ernst!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 11.06.2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Klaus Sprenger

    Lieber Alois, sehr geehrter Herr Schöpf!
    Zu Ihrer Kolumne vom Samstag und im heutigen schöpfblog:
    Den Großteil, inklusive der Äußerungen in Richtung der doppelmoraligen und menschenrechtsfeindlichen Ärzteschaft, kann ich voll unterschreiben.
    Aber wieso diese sehr fast – zwischen den Zeilen – in Frage stellenden Bemerkungen zu RA Dr. Proksch und einer neuerlichen, aus meiner Sicht sehr wichtigen neuerlichen Klage vor dem VFGH?
    Und nun meine primäre Frage: seit vergangenem Herbst, wo unsere Kommunikaton begann, habe ich noch immer nicht begriffen, was Sie an diesem beschlossenen, schlechten Sterbeverfügungsgesetz „klug austariert“ finden?? Ja, es ist klug ausgetüftelt, wie Frau Edtstadler selbst äußerte, aber in die Richtung, dass das Urteil des VFGH von 2020 so restriktiv wie möglich in ein Gesetz gegossen wird!
    Und dass das ein „Sterbeverhinderungsgesetz“ wird, war ja vorhersehbar – jeder der mit der überheblichen Ärzteschaft öfter Kontakt hatte, konnte das voraussehen. Und wenn ich von verschiedenen Seiten mitbekam in letzter Zeit, dass selbst Ärzte, die Mitglieder der ÖGHL sind, dieses restriktive Gesetz dann noch extrem restriktiv und falsch auslegen und extrem Leidende in Verzweiflung stürzen, dann bin ich nur schockiert. Und wenn eine neuerliche in andere Richtungen stoßende Klage von RA Dr. Proksch vor den VFGH gebracht wird, kann ich das nur begrüßen! Sehr begrüßen!
    Diese ist wichtig und sollte den Erfolg von 2020 noch so verbessern, dass die ÖVP, die Kirchen, die Ärzteschaft nicht mehr so viel Spielraum zum VERHINDERN erhalten können. Es sollte – auch als Suizidprophylaxe – wesentlich vereinfacht, leichter auch für Nicht-Kundige, oder extrem geschwächte Menschen, zugänglich gemacht und auch besser durchführbar werden.
    Ersuche um Antwort, was Sie als „klug austariert“ bezeichnen?
    Mir ist diese Erklärung vom „Josephinischen Vorschreiben“ o.ä. viel zu kurz und zu einfach!
    Liebe Grüße

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