Missbrauchte Chats

Bei vielen Zeitgenossen, die jammern, dass Internetkonzerne wie Google oder Facebook unsere Daten absaugen und bis ins Intimste wissen, wer wir sind und was wir tun, muss ich mir neiderfüllt die Frage stellen: Über welch großartige Geheimnisse verfügen sie nur? Jeder Geheimdienstler, der mein banales Leben überwachen müsste, würde wegen Unterforderung kündigen. Ganz abgesehen davon, dass ich noch keinen Buchhändler getroffen habe, dessen Buchtipps besser als bei Amazon gewesen wären.

Im Gegensatz zur Panik vor solch digitaler Überwachung steht übrigens die voyeuristische Lust vieler Bürger an jenen privatesten Chats, wie sie aus dem Justizbereich illegal an die Öffentlichkeit gelangen und beweisen sollen, wie korrupt unsere Politiker sind. Hier spielt es plötzlich keine Rolle mehr, dass solche Informationen oftmals nur durch Amtsmissbrauch zustande kommen können und von Medien, Opposition und öffentlicher Meinung als Beweismittel verwendet werden, wie sie von keinem Gericht, da illegal beschafft, anerkannt würden.

Das sensationsgeile Anpatzen derer, die wir gewählt haben, durch Lieferungen von Maulwürfen als Ersatz für durchdachte Diskussionsbeiträge ruiniert nicht nur die Lösungskompetenz unserer Gesellschaft, sondern auch den Rechtsstaat. Selbst dann nämlich, wenn Chats auf Mauscheleien hinweisen, steht es nur Gerichten zu, festzustellen, ob es sich um einen Straftatbestand handelt.

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Andreas Gotsbacher

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    sind Sie von einem Blitz gestreift, dass Sie chats von Regierungsmitgliedern, Personen aus dem Justizbereich, der ÖBAG etc., die auf die österreichische Politik und damit das Leben so vieler Österreicher Einfluss haben, als privat einstufen?
    Ihre private politische Meinung ist Ihnen unbenommen, bedenklich aber ist, wenn Sie verharmlosen, was die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie gefährdet.
    Für eine „unabhängige“ Tageszeitung ist es unangemessen, eine so unobjektive, parteipolitisch gefärbte Beeinflussung der
    Leser vorzunehmen, bzw. zuzulassen.
    Das stellt die Weiterführung des Abos der TT infrage.
    Freundliche Grüße

  2. Wolf Gschwandtner

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    vielleicht etwas für eine ihrer treffenden Glossen.
    An sich höre ich Ö1, WDR 3, BR-Klassik und Swiss Classic. Aber kurz vor ½ 8 Uhr schalte ich tgl. Radio Tirol ein, um auf Nachrichten und Wetter zu warten. Da höre ich fast nur englischsprachige Schlagermusik, oft mehr Gebrüll als Musik, auch heute wieder, am Palmsonntag, wo einst Volksmusik gespielt wurde. Eine Überprüfung hat ergeben, dass zwischen 7 und 8 Uhr von durchschnittlich 9 Liedern 6 in Englisch gesungen werden. Nur selten schleicht sich eine italienische Schnulze ein. Auch tagsüber soll es nicht anders sein. Von den Moderatoren höre ich „Meine Musik, mein Land, mein Radio“. Ist das wirklich unsere Identität? Timo Abel schrieb mir vor längerer Zeit auf Anfrage, dass das eben der Publikumsgeschmack sei. Muss sich ein öffentlich-rechtlicher Sender, der u.a. von den verpflichtenden GIS Gebühren finanziert wird, derart an den angeblichen Publikumsgeschmack anbiedern, um ja nicht gegenüber den Privatsendern an Boden zu verlieren?

  3. Heinz Rohrmoser

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    der in der Folge beigelegte Beitrag von Eric Frey aus dem heutigen „Standard“ drückt zu 100% meine Meinung zu ihrem Artikel aus !
    Diese Chats haben in erster Linie mit zutiefst charakterlich abzulehnenden selbstherrlichen und machtgierigen Menschen zu tun, die eiskalt ihre Handlungen in den Chats darstellen und in der Folge ganz sicherlich auch den von ihnen in erster Linie angeführten Voyeurismus vieler Menschen befriedigen. Das von ihnen angeführte Zustandekommen dieser „Informationen“ beispielsweise durch sogenannten Amtsmissbrauch ist vergleichsweise zum Inhalt dieser Chats mehr als harmlos.
    Ich kann mich mit ihrem Beitrag nicht identifizieren und sende ihnen daher – wie gesagt – den angeführten Beitrag des „Standard“ zur Antwort.
    Trotzdem, mit freundlichen Grüßen
    https://www.derstandard.at/story/2000125576292/die-schmid-ag-ein-milliardenrisiko?amplified=True

  4. Anita Brandstätter

    Lieber Herr Schöpf,
    immer wieder treffen Sie mit Ihren Artikeln, in der TT, den Nagel auf den Kopf! Schon seit geraumer Zeit überfliege ich diese Zeitung nur mehr, genauso meide ich Nachrichten aus anderen Medien!
    Wir sind es leid, uns soviel Unwahrheiten anhören zu müssen!
    Man kann nur hoffen, dass sich nicht zu viele Menschen dadurch so negativ beeinflussen lassen und diesen Schwachsinn auch noch glauben!
    Durch Ihre Einstellung und bodenständige Schreibweise kann man weiterhin auf den „Hausverstand“ vom größeren Teil der Bevölkerung hoffen!
    Ganz herzliche Grüße und ein schönes Osterfest

  5. Martina Janisch

    Lieber Herr Alois Schöpf,
    ich bin eine Wochenend-TT-Leserin und lese sehr gerne Ihre Kolumne.
    1. Diesmal kann ich Ihnen zu 100% zustimmen. Ihr Beitrag “Missbrauchte Chats” gibt genau meine Einstellung wider.
    2. Wie manche Ihrer Kollegen schreiben, soll Kanzler Kurz Demut vor dem Amt haben. Für mich gehört “Demut” in den Begriff der Kirche und nicht in die Politik – oder war dieser Begriff im Amtseid enthalten – ich weiß es nicht – wissen Sie es?
    3. Kanzler Kurz soll sich auf keinen Fall, wie gefordert, bei der Kirche entschuldigen. Diese haben noch immer ihre Privilegien, von denen andere nur Träumen können – da sollte auch öfter veröffentlicht werden – aber hier geben sich die “Aufdecker” sehr gerne bedeckt.
    4. Was mich besonders aufregt, ist die immer wiederkehrende Forderung von Bischof Glettler, Migranten aus Lesbos aufzunehmen. Wie will er sich als Gottesmann anmaßen zu entscheiden, welche Kinder mit und ohne Angehörige weiterreisen dürfen und welche nicht – vor Gott sind ja bekanntermaßen alle Geschöpfe gleich!? Ich rate ihm, hier die bereits aufgenommenen männlichen “Flüchtlinge” besser zu betreuen, damit sie nicht dauernd “Blödsinn” anstellen. Innsbruck ist bereits ein “HOTSPOT” dafür. Hier hört man nichts von der Betreuungsunterstützung der Kirche, bis sie ihren Platz im Leben gefunden haben! Übrigends gibt es nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen Gebieten (zB Ukraine) verheerende Zustände, wo die Leute im Elend hausen müssen – wo ist da sein Aufruf?
    Selbst unterstütze ich im Rahmen meiner Möglichkeiten SOS International und in Innsbruck: Rettet das Kind, da diese auch Mitleid und Hilfe benötigen.
    Mein Fazit: Mitleid liegt immer im Auge des Betrachters
    Ich freue mich auf Ihre weiteren Beträge und verbleibe mit xunden Osterwünschen

    PS.: Hätte ich fast vergessen – wissen Sie vielleicht warum sich die EU-Diplomaten so über Kanzler Kurz aufregen? Bestimmen diese über die Impfstoffvergabe, oder was steckt dahinter? Für mich hat Kanzler Kurz die Gunst der Stunde genutzt um international noch bekannter zu werden – bin ihm nicht böse dafür, ein Sprichwort sagt: Klappern gehört zum Handwerk

  6. Markus Rieser

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    sehr geehrter Herr Schöpf,
    mir ist bewusst, dass Schöpfs wöchentliche Samstag Kolumne regelmäßig provozieren soll, wenn nicht muss. Und wieder einmal liefert der brave agent provocateur Schöpf.
    Der Kolumnist kennt die Tragweite des Skandals. Chats zwischen der türkisen Buberlpartie um Kurz, Blümel und Schmid zeichnen einen operettenhaften Umgang mit Ämtervergaben und Staatspostenschacher.
    Textnachrichten wie „kriegst eh alles was begehrst“ und „du bist Familie“ sind beinahe Poesie.
    How much, schatzi? H.C. Artmann
    Eine Verteidigungsstrategie (ILLEGALE BEWEISMITTEL, JUSTIZLEAKS) wie sie einst schon Vizekanzler Strache und seine damaligen Haberer versucht haben, kann nicht funktionieren.
    Das Ibiza Video wie die Chat Protokolle sind bereits historische Dokumente politischer Dekadenz.
    Mein Respekt gilt den seriös ermittelnden Mitarbeitern der Korruptionsstaatsanwaltschaft und auch den tapferen Innsbrucker Kollegen, deren Hausdurchsuchungen wie Handy- und Laptopsicherstellungen die Türkisen und deren Vasallen in diese Bredouille gebracht haben.
    Mein Dank gilt den Medien, die ausführlich über diese unappetitlichen Mauscheleien berichten.
    Logische Konsequenz sollten die Rücktritte von Schmid, Sobotka, Blümel & Kurz sein.
    Kanzler Kurz hat erst kürzlich über die Medien einem Bürgermeister und Parteikollegen aus Vorarlberg für das Vordrängeln beim Impfen den Rücktritt nahegelegt.
    Vorher provoziert der Kanzler eher Neuwahlen. Ein Erfolg scheint ein drittes Mal sicher, auch wenn den Türkisen die Koalitionspartner auszugehen drohen.
    Alternativ könnte der Bundespräsident für eine längere Zeit auf eine Expertenregierung setzen.
    So unaufgeregt kompetent wurde unser Land länger nicht mehr regiert.

  7. Klaus Jenewein

    Werter Herr Schöpf,
    „das sensationsgeile Anpatzen derer, die wir gewählt haben“, schreiben Sie.
    Ob sensationsgeil oder nicht, die Gesellschaft hat ein Recht darauf zu erfahren, wie unsere Staatenlenker so ticken. Sind das jene Staatsdiener, jene, welche vor jeder Wahl behaupten, sie wollen in Demut dem Stimmvieh dienen, sie werden alles zum Besseren wenden und die sauren Wiesen trocken legen?
    Oder sind es pubertierende Halbstarke die unseren Staat dorthin lenken, wo er sich jetzt befindet?
    Ein Finanzminister, der in Socken durch das Parlament latscht, der sich im U- Ausschuß an nichts erinnert, der keinen Laptop besitzt, welcher dann im Kinderwagen spazieren gefahren wird, ein Finanzminister, der Nullen im Budgetvoranschlag vergisst, wodurch Sondersitzungen im Parlament abgehalten werden müssen….
    Dieser Finanzminister verwaltet also unser aller Staatsvermögen.
    „….. ruiniert nicht nur die Lösungskompetenz unserer Gesellschaft, sondern auch den Rechtsstaat“, meinen Sie.
    Welche Lösungskompetenz?
    Die Wirtschaftskompetenz? Das Impfen? Die Arbeitsmarktkompetenz? Das Verhindern von möglichen Kollateralschäden? Die Bildungskompetenz? Die EU Kompetenz?
    Die Liste ließe sich ewig erweitern.
    Der Vergleich zu Deutschland macht Sie sicher!
    Und ja, der Rechtsstaat!
    Der ist ruiniert, da haben Sie recht.
    Durch das Verhalten eben dieser Buberlpartie wird er ruiniert, durch die Angriffe auf eben diesen Rechtsstaat, durch Angriffe auf die Pressefreiheit, Höchstrichter und Staatsanwälte. Gesetze und Verordnungen, die zuhauf von Höchstgerichten gekippt werden müssen, zu Unrecht verhängte aberwitzige Strafen, Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte und der Versammlungsfreiheit, Angriffe auf Religionsgemeinschaften.
    Sie haben recht! Nicht nur der Rechtsstaat, nein, auch unsere Demokratie ist gefährdet. Eine Orbanisierung schleicht sich so langsam ein im Staate Österreich.
    Keinenfalls gefährdet ist der Rechtstaat jedoch durch Veröffentlichung von Chats von Politikern und Managern, die noch immer ihre Pfründe retten wollen, anstatt das Staatswohl im Auge zu behalten.
    Maskenaffären, Amigogehabe, Freunderl- und Packelwirtschaft.
    Und jetzt sind die Aufdecker schuld, die bösen, die das Alles aufzeigen wollen.
    Es steht jedem frei, den Rechtsweg zu beschreiten, dann werden eben die Gerichte Recht sprechen.
    Und, es gilt die Unschuldsvermutung. Das muss man wohl heutzutage jedesmal erwähnen.
    Aber die Optik, die Optik ist schief! Das wird eben auch immer wieder erwähnt. Ein Geschmäckerl hat´s halt, und daran darf auch der gemeine Staatsbürger riechen.
    Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

  8. Wilfried Schennach

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich beziehe mich auf Ihren Beitrag in der TT vom Samstag vor einer Woche, in dem Sie, allerdings nur in einem Nebensatz, den „Tatort Unsinn“ ansprechen. Ich bin froh, dass das endlich einmal thematisiert wird. Die Flut an „Tatorten“ etc., wie Rosenheim Cops, Stuttgart Cops, die Toten vom Bodensee, die Toten von Wien, Sokos von Kitzbühel, Frankfurt, San Franzisko und wie die Städte alle heißen, ist fast unerträglich. Man kann ihnen zwar, Gott sei Dank, ausweichen, aber es ist erstaunlich, mit wieviel Unsinn die Fernsehstationen im In- und Ausland versuchen, ihre Programme zu füllen, meistens mit langweiligen Drehbüchern und Schauspielern, die unbedingt eine Beschäftigung brauchen. Die einzigen „Krimis“, die ich mir gern anschaue, sind die von Donna Leon. Sie haben eine spannende Handlung, gute Schauspieler und außerdem wunderschöne Ansichten von Venedig.
    Ich hoffe, ich habe Sie mit meiner Meinung nicht allzusehr belästigt. Ihre wöchentlichen Beiträge verfolge ich immer mit großem Interesse.
    Herzliche Grüße und ein schönes Osterfest.

  9. Anton Herovitsch

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Mit großem Vergnügen lese ich (immer als erstes in der Samstag TT) Ihre Kolumnen auf der Seite 2. Einige Male konnte ich mich Ihrer Meinung nicht anschließen, jedoch in letzter Zeit bin ich jedes Mal mit Ihren Gedanken d´accord. Sie treffen – besonders in der Ausgabe vom 3. April – den berühmten Nagel auf den Kopf. Wie oft dachte ich mir selbst, wenn ich über Datenschutz und Preisgabe persönlicher Informationen von ach so wichtigen besser wissenden Zeitgenossen „belehrt“ wurde: Soll doch die Allgemeinheit Bescheid wissen über mein Leben, das ich nicht so sehr wie andere wichtig nehme. Ich bin doch keine soo bekannte Persönlichkeit.
    Und hineinlegen lasse ich mich nicht. Nein, so viel Vorsicht lasse ich schon walten.
    Dass jedoch bei Personen, die öffentliche Ämter bekleiden und – ich nehme an – mit gutem Gewissen ihre Arbeit erledigen, immer ein Haar in der Suppe gefunden wird, finde ich ebenso wie Sie äußerst widerlich.
    Schön langsam bin ich es nämlich leid, den Nachrichten in den diversen Runfunk- und Fernsehkanälen mein Augenmerk zu schenken, da – wie mir scheint – mit besonderem Genuss vermehrt auf die negativen Schlagzeilen und Beschimpfungen durch die Gegenparteien Wert gelegt wird. Informationen o.k., aber mit dem nötigen Respekt und Gefühl für die andere Meinung.
    Dies Ihnen mitzuteilen war mir heute ein Bedürfnis. Vielen Dank für Ihre „gesunde“ Einstellung zu den Problemen unseres alltäglichen Lebens.

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