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Alois Schöpf
Ein großer Fortschritt im Stillen
Das neue Sterbeverfügungsgesetz ist
ab 1. Jänner 2022 in Kraft.

Manchmal kann einen sogar das an sich konservative und rückwärtsgewandte Österreich positiv überraschen. So ist es nach monatelangen, teilweise sehr kontroversen Diskussionen gelungen, abseits öffentlicher Totschlagargumente und noch rechtzeitig vor Jahresende im Parlament das neue Sterbeverfügungsgesetz mit den Stimmen der Regierungsparteien, der Sozialdemokraten und der NEOS zu beschließen. Selbst die Einwände der FPÖ, die zu einer Ablehnung der Gesetzesvorlage führten, waren nicht prinzipieller Natur, sondern bezogen sich auf die üblichen Ängste im Hinblick auf eine Missbrauchs-Problematik, welche die Partei durch die Neuregelung nicht befriedigend gelöst sieht.

Dass es sich bei der Entkriminalisierung der sogenannten „Beihilfe zum Selbstmord“ um ein heikles Terrain handelte, ergibt sich schon aus einer Geschichte, die über Jahrhunderte von der katholischen Gegenreformation und dem stets vatikantreuen Hause Habsburg geprägt wurde und daher niemals eine liberale Tradition abseits religiöser Dogmen im angelsächsischen Sinn aufkommen ließ.

Es wäre unseren katholischen Kirchenfürsten auch heute noch durchaus möglich gewesen, die vom österreichischen Verfassungsgerichtshof eingeforderte Autonomie der Person, Art und Zeitpunkt des eigenen Todes selbst zu bestimmen, mit der ihr zur Verfügung stehenden beträchtlichen Macht zu hintertreiben. Dass sie es nicht, oder zumindest nur zum Teil getan haben und sich im Rahmen ihrer eng gesteckten theologischen Selbstbegrenzungen mehr oder weniger passiv verhielten, ist ihnen auch dann als Verdienst anzurechnen, wenn man bedenkt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung bereits seit Jahren eine Möglichkeit der Sterbehilfe befürwortet und es lediglich die opportunistischen Eliten des Landes waren, die sich beharrlich weigerten, ein ethisches Problem zur Kenntnis zu nehmen, das durch das längere Leben der Menschen und den Fortschritt in der Medizin immer unabweisbarer wurde.

Auch im vorliegenden schoepfblog, der sich als liberales Forum von allem Anfang an für eine Liberalisierung der Sterbehilfegesetze einsetzte, wurden immer wieder teils sehr scharf formulierte Artikel veröffentlicht, die auch Eingang in die großen Zeitungen des Landes fanden und somit den Bedenkenträgern und Feinden der Autonomie der Person nicht das Feld allein überließen. All diese Beiträge hätten jedoch nichts gefruchtet, wenn nicht couragierte Politikerinnen an den Schaltstellen der Macht hervorragende Arbeit geleistet hätten.

Hier ist vor allem Alma Zadić zu nennen, die im Rahmen der grünen Regierungsriege ein offenbar auf Weltoffenheit verpflichtetes Justizministerium leitet. Hervorzuheben ist aber auch Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, welche sich trotz heftiger Einwände konservativer Kreise nicht von einem juridisch korrekten und auf Rechtsharmonie bedachten Denken abbringen ließ. Das einem liberalen Denken verpflichtete Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofs wurde somit tatsächlich ernst genommen und in ein entsprechend ausgeklügeltes, sensibles Gesetzeswerk übergeführt.

Das Besondere an dem neuen Sterbeverfügungsgesetz ist nämlich der kluge Schutz der Liberalität des Einzelnen einerseits und die ebenso kluge Forderung nach Liberalität und Autonomie vonseiten der Gesellschaft andererseits.

Was den Schutz der Liberalität betrifft, verfügt das Gesetz nicht nur, dass all jene, welche Sterbehilfe leisten oder aber aus welchen weltanschaulichen Gründen auch immer nicht leisten, dafür nicht diskriminiert werden dürfen, was naturgemäß in Ländern wie Tirol, in denen selbst nach Jahrzehnten der Straffreigabe der Abtreibung in öffentlichen Krankenanstalten immer noch nicht abgetrieben werden kann bzw. darf, bezogen auf Sterbehilfe Leistende von großer Bedeutung ist.

Das neue Gesetz schützt aber auch durch Anonymisierung die Apotheken, welche das todbringende Sterbemittel Natrium-Pentobarbital ausliefern bzw. nicht ausliefern, und es schützt durch ein nur Notaren und Patientenanwälten zugängliches Register die Sterbewilligen vor der Veröffentlichung ihrer Entscheidung. Die Möglichkeit von Sterbehilfe wird also nur freigegeben und nicht in diesem Sinne, wie etwa in den Niederlanden, in ihrem letzten Vollzug geregelt. Sollte sie niemand in Anspruch nehmen, sind daran nicht die Gesetzgeber schuld, sondern die Bürgerinnen und Bürger, die nicht ausreichend mit dieser neuen Freiheit umzugehen wissen.

Noch Faszinierender ist im neuen Gesetz jedoch die in ihrer Subtilität dennoch kühne Direktheit, mit der der Sterbewunsch autonom entscheidender Personen  nur von ihnen selbst, höchstpersönlich, und nicht von anderen durchgeführt werden muss. So sehr es jedem Sterbewilligen zusteht, das todbringende Mittel in Anwesenheit eines Arztes einzunehmen, so ist es letztlich dennoch er selbst, der es von einer Apotheke bezieht und ohne Hilfe eines anderen einzunehmen hat, wodurch die gesamte Ärzteschaft und das Pflegepersonal von der Problematik, eigentlich heilen zu wollen und nicht töten zu müssen, entlastet wird. Der vom Verfassungsgerichtshof eingeforderte Autonomiegedanke wird also auch insofern respektiert, als der Wunsch nach Autonomie im letzten Lebensabschnitt nicht an außen stehende Instanzen delegiert werden darf.

Gerade in Zeiten, in denen die Arbeit der Politiker und der Verwaltung durch zunehmend hysterisierte Medien und durch einen Wettstreit der Politiker nach dem niedrigst möglichen Niveau der öffentlichen Debatte immer wieder herabgewürdigt wird, ist die Forderung nur fair, zur zweifelsfrei möglicherweise anstrengenden Lektüre des neuen Gesetzestextes aufzufordern. Denn nur so kann die Komplexität eines ethischen Problems, das durch eine komplexe politische Reaktion darauf gelöst werden soll, in seiner wahren Dimension gewürdigt werden.

Inwieweit hier die Lösung eines Problems nicht nur am Papier, sondern auch in der Realität gelungen ist, wird die Praxis der nächsten Jahre zeigen, eine Praxis, die vor allem durch die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) und ihre Experten einer genauen Beobachtung unterliegen wird und bei Verbesserungsnotwendigkeit durch einen weiteren Gang zum Verfassungsgerichtshof korrigiert werden muss.



Bundesgesetz, mit dem ein Sterbeverfügungsgesetz erlassen und das Suchtmittelgesetz sowie das Strafgesetzbuch geändert werden.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1
Bundesgesetz über die Errichtung von Sterbeverfügungen (Sterbeverfügungsgesetz –StVfG)

1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich, Zweck


§ 1.

(1) Dieses Bundesgesetz regelt die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von
Sterbeverfügungen zum Nachweis eines dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung.
(2) Eine Sterbeverfügung ist in Österreich nur wirksam, wenn die sterbewillige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat oder österreichische Staatsangehörige ist.
(3) Die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Beendigung einer Sterbeverfügung richten sich
nach österreichischem Recht.
Freiwilligkeit der Mitwirkung, Benachteiligungsverbot


§ 2.

(1) Niemand ist verpflichtet, eine Hilfeleistung (§ 3 Z 4) zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung (§ 7) durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken. Ein darauf gerichtetes vertragliches Leistungsversprechen kann nicht gerichtlich geltend gemacht werden.
(2) Niemand darf wegen einer Hilfeleistung, einer ärztlichen Aufklärung oder der Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung oder der Weigerung, eine Hilfeleistung zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken, in welcher Art immer benachteiligt werden.


Begriffsbestimmungen

§ 3.

Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. „Sterbeverfügung“: eine Willenserklärung, mit der eine sterbewillige Person ihren dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschluss festhält, ihr Leben zu beenden;
2. „sterbewillige Person“: eine Person, die ihr Leben beenden will;
3. „Hilfe leistende Person“: eine volljährige und entscheidungsfähige Person, die bereit ist, die sterbewillige Person bei der Durchführung der lebensbeendenden Maßnahme zu unterstützen;
4. „Hilfeleistung“: die physische Unterstützung der sterbewilligen Person bei der Durchführung lebensbeendender Maßnahmen;
5. „ärztliche Personen“: selbstständig berufsberechtigte Ärztinnen und Ärzte;
6. „Präparat“: eine für die sterbewillige Person tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital oder ein anderes, durch Verordnung gemäß § 11 Abs. 4 festgelegtes Mittel, das in entsprechender Dosis das Leben beendet;
7. „Identifikationsdaten“: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und bereichsspezifisches Personenkennzeichen Gesundheit.


Höchstpersönlichkeit

§ 4.

Eine Sterbeverfügung kann nur höchstpersönlich errichtet werden.
150/ME XXVII. GP – Ministerialentwurf – Gesetzestext 1 von 6
www.parlament.gv.at 2 von 6 2. Abschnitt


SterbeverfügungInhalt

§ 5.

In einer Sterbeverfügung ist der Entschluss der sterbewilligen Person festzuhalten, ihr Leben zu beenden. Sie hat auch die ausdrückliche Erklärung zu enthalten, dass dieser Entschluss frei und selbstbestimmt nach ausführlicher Aufklärung gefasst wurde. In der Sterbeverfügung können auch eine oder mehrere Hilfe leistende Personen angegeben werden.


Voraussetzungen

§ 6.

(1) Die sterbewillige Person muss sowohl im Zeitpunkt der Aufklärung (§ 7) als auch imZeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung (§ 8) volljährig und entscheidungsfähig sein. Die Entscheidungsfähigkeit muss zweifelsfrei gegeben sein.
(2) Der Entschluss der sterbewilligen Person, ihr Leben zu beenden, muss frei und selbstbestimmt, insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, physischem oder psychischem Zwang und Beeinflussung durch Dritte gefasst werden.
(3) Eine Sterbeverfügung kann nur eine Person errichten, die

1. an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder
2. an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen; wobei die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt.

(4) Die Hilfe leistende Person darf nicht mit der Person ident sein, die die Aufklärung (§ 7) leistet oder die Sterbeverfügung dokumentiert (§ 8).


Aufklärung

§ 7.

(1) Der Errichtung einer Sterbeverfügung hat eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen voranzugehen, von denen eine eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat, und die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen im Sinne des § 6 Abs. 2 freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat.
(2) Die Aufklärung hat zumindest folgende Inhalte zu umfassen:
1. die im konkreten Fall möglichen Behandlungs- oder Handlungsalternativen, insbesondere Hospizversorgung und palliativmedizinische Maßnahmen, sowie einen Hinweis auf die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder auf andere Vorsorgeinstrumente, insbesondere Vorsorgevollmacht und Vorsorgedialog (§ 239 Abs. 2 ABGB, JGS Nr. 946/1811, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 59/2017),
2. die Dosierung und Einnahme des Präparats (§ 3 Z 6) sowie die Auswirkungen des Präparats und Dosierung der für die Verträglichkeit des Präparats notwendigen Begleitmedikation,
3. einen Hinweis auf konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch sowie für suizidpräventive Beratung und
4. einen Hinweis auf allfällige weitere im konkreten Fall zielführende Beratungsangebote.
(3) Die ärztliche Person hat ein Dokument mit dem wesentlichen Inhalt der Aufklärung einschließlich der genauen Dosierungsanordnung (Abs. 2 Z 2) zu errichten und darauf mit Unterschrift die Bestätigung nach Abs. 1 zu treffen. Eine ärztliche Person, die über die Behandlungsalternativen aufklärt (Abs. 2 Z 1), hat zu bestätigen, dass eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 3 vorliegt. Das Dokument hat den Namen und das Geburtsdatum der sterbewilligen Person, den Namen und die Anschrift der ärztlichen Person und das Datum der Aufklärung zu enthalten. Es ist von der sterbewilligen Person zu unterschreiben und ihr auszufolgen. Die Dokumentation kann auch im Wege einer Online-Schnittstelle erfolgen, die durch einen Code vor unbefugtem Zugriff zu schützen ist, sodass Zugriff nur diejenigen
Personen erlangen, denen die sterbewillige Person den Code bekannt gibt. Datenschutzrechtlicher Verantwortlicher für die Errichtung einer solchen Online-Schnittstelle ist der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister oder ein von ihm beauftragter Dritter, der seinen Weisungen unterliegt.
(4) Wenn sich im Rahmen der ärztlichen Aufklärung ein Hinweis darauf ergibt, dass bei der sterbewilligen Person eine krankheitswertige psychische Störung vorliegt, deren Folge der Wunsch zur Beendigung ihres Lebens sein könnte, hat die ärztliche Person vor der Bestätigung nach Abs. 1 eine Abklärung dieser Störung einschließlich einer Beratung durch eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für
150/ME XXVII. GP – Ministerialentwurf – Gesetzestext2 von 6 www.parlament.gv.at 3 von 6 Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin oder eine klinische Psychologin bzw. einen klinischenPsychologen zu veranlassen.


Errichtung

§ 8.

(1) Eine Sterbeverfügung kann wirksam frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung (§ 7) errichtet werden. Hat eine ärztliche Person bestätigt, dass die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung leidet und in die terminale Phase eingetreten ist, so ist eine Errichtung nach zwei Wochen zulässig. Wird eine Sterbeverfügung nicht innerhalb eines Jahres nach
der zweiten ärztlichen Aufklärung errichtet, so muss die sterbewillige Person eine neuerliche Bestätigung einer ärztlichen Person nach § 7 Abs. 1 dritter Halbsatz beibringen, die ein Jahr gültig ist.
(2) Die Sterbeverfügung ist schriftlich vor einem Notar bzw. einer Notarin oder einem bzw. einer rechtskundigen Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin der Patientenvertretungen (§ 11e des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes) nach der Wiedergabe der Dokumentation über die ärztliche Aufklärung (§ 7 Abs. 3), einer Belehrung über rechtliche Aspekte, wie die mögliche Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weitere Rechtsfolgen zu errichten. Die die Sterbeverfügung dokumentierende Person hat vor der Errichtung durch Einsichtnahme in das Sterbeverfügungsregister (§ 9 Abs. 2) zu überprüfen, ob bereits eine Sterbeverfügung für diese sterbewillige Person errichtet wurde und ob bereits ein Präparat (§ 11) abgegeben wurde. Wurde für die sterbewillige Person bereits ein Präparat ausgefolgt und dieses nicht nachweislich zurückgegeben, ist ein entsprechender Vermerk in die Sterbeverfügung aufzunehmen.
(3) Die die Sterbeverfügung dokumentierende Person hat unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift sowie des Datums der Errichtung schriftlich zu bestätigen:
1. Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Anschrift der sterbewilligen Person und die Tatsache, dass diese ihren im Sinn des § 6 Abs. 2 freien und selbstbestimmten Entschluss bekräftigt hat;
2. Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person;
3. Vorliegen einer den zeitlichen Anforderungen des Abs. 1 entsprechenden Aufklärung mit dem notwendigen Inhalt des § 7 Abs. 3, deren Inhalt wiederholt wurde.


Dokumentation und Sterbeverfügungsregister

§ 9.

(1) Die die Sterbeverfügung dokumentierende Person hat das Original der Sterbeverfügung an die sterbewillige Person auszuhändigen und eine Abschrift der Sterbeverfügung für die in § 10 Abs. 3 und 4 geregelte Dauer aufzubewahren. Die die Sterbeverfügung dokumentierende Person hat den Sicherheitsbehörden oder den Strafverfolgungsbehörden, die wegen eines Delikts gegen Leib und Leben
zum Nachteil der sterbewilligen Person ermitteln, Auskunft über die Sterbeverfügung zu geben.
(2) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat ein elektronisches Sterbeverfügungsregister unter Zuhilfenahme eines bereichsspezifischen Personenkennzeichens zu führen. Er darf die ihm gemäß Abs. 3 und 4 sowie § 7 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 gemeldeten Daten zur
Sicherstellung der nachvollziehbaren Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, insbesondere der Verhinderung eines unzulässigen mehrfachen Bezugs von Präparaten durch dieselbe sterbewillige Person, sowie zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Inanspruchnahme der Sterbeverfügung für statistische und wissenschaftliche Analysen und Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, verarbeiten. § 7 Abs. 5 des Datenschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 165/1999, ist
anzuwenden.
(3) Die die Sterbeverfügung dokumentierende Person hat die Errichtung einer Sterbeverfügung an den für das Sterbeverfügungsregister zuständigen Bundesminister unter Angabe folgender Informationen
zu melden:
1. Identifikationsdaten der sterbewilligen Person;
2. Identifikationsdaten der in der Sterbeverfügung angegebenen Hilfe leistenden Person(en);
3. Datum der Aufklärungsgespräche und der Errichtung der Sterbeverfügung;
4. Identifikationsdaten der aufklärenden ärztlichen Personen;
5. Identifikationsdaten des Facharztes bzw. der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin oder der klinischen Psychologin bzw. des klinischen Psychologen bei einer Abklärung nach § 7 Abs. 4;
6. allfälliges Vorliegen einer terminalen Phase (§ 8 Abs. 1);
7. Identifikationsdaten der dokumentierenden Person. 150/ME XXVII. GP – Ministerialentwurf – Gesetzestext 3 von 6 www.parlament.gv.at 4 von 6
(4) Die Totenbeschauärztinnen und Totenbeschauärzte haben eine gesonderte Meldung an den Verantwortlichen für das Register nach Abs. 2 zu erstatten, wenn Hinweise vorliegen, dass der Tod in einem unmittelbaren oder mittelbaren kausalen Zusammenhang mit der Einnahme eines Präparats steht. Die Meldung über den Todesfall hat folgende Informationen zu umfassen:
1. Name der verstorbenen Person;
2. Datum und Ort des Todes;
3. Geburtsdatum, Geschlecht und Staatsangehörigkeit der verstorbenen Person;
4. Vorliegen einer Sterbeverfügung samt Datum der Errichtung;
5. allfällige Anordnung einer Leichenöffnung oder Obduktion;
6. meldende Totenbeschauärztin oder -arzt;
7. Datum der Meldung.


Unwirksamkeit, Widerrufbarkeit

§ 10.

(1) Außer im Fall der Nichteinhaltung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen
Wirksamkeitsvoraussetzungen ist eine Sterbeverfügung auch dann unwirksam, wenn ihr Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist.
(2) Eine Sterbeverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn sie die sterbewillige Person widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll, sowie nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Errichtung.
(3) Die dokumentierende Person hat die Abschrift der Sterbeverfügung (§ 9 Abs. 1) zu vernichten, falls die sterbewillige Person keine längere Aufbewahrung wünscht:
1. fünf Jahre nach Ablauf der Jahresfrist (Abs. 2), wenn kein Präparat (§ 12) bezogen wurde; dies hat die dokumentierende Person durch Einsichtnahme in das Sterbeverfügungsregister zu überprüfen;
2. ansonsten 10 Jahre nach ihrer Errichtung.
(4) Auf Wunsch der sterbewilligen Person hat die dokumentierende Person die Abschrift der Sterbeverfügung (§ 9 Abs. 1) bei Widerruf oder nach Ablauf der Jahresfrist (Abs. 2) nur dann zu vernichten, wenn
1. noch kein Präparat (§ 11) bezogen wurde oder das bezogene Präparat nachweislich zurückgegeben wurde, was die dokumentierende Person durch Einsichtnahme in das Sterbeverfügungsregister zu überprüfen hat, und
2. auch das Original nachweislich vernichtet wurde oder dessen Wirksamkeit abgelaufen ist.
(5) Die dokumentierende Person hat die Vernichtung der Abschrift der Sterbeverfügung an den Verantwortlichen für das Register nach § 9 Abs. 2 unter Angabe des Datums eines allfälligen Widerrufs zu melden, welcher die darauf bezogenen Daten zu löschen hat.


Präparat

§ 11.

(1) Nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung darf jede öffentliche Apotheke an die sterbewillige oder eine in der Sterbeverfügung namentlich genannte Hilfe leistende Person ein Präparat (§ 3 Z 6) abgeben. Eine Abgabe ist unzulässig, wenn die Sterbeverfügung einen Vermerk nach § 8 Abs. 2 letzter Satz enthält und das bereits abgegebene Präparat nicht gleichzeitig zurückgegeben wird. Die Abgabe und eine allfällige Zurückgabe ist an das Sterbeverfügungsregister unter Angabe des Datums, der abgebenden Apotheke und der Identifikationsdaten der abgebenden Person zu melden.
(2) Vor der Abgabe hat die Apothekerin (der Apotheker) durch Einsichtnahme in das Sterbeverfügungsregister zu überprüfen, ob für die vorgelegte Sterbeverfügung bereits die Abgabe eines Präparats eingetragen worden ist. Ist letzteres der Fall, so darf das Präparat nicht neuerlich ausgefolgt werden, ausgenommen, es wurde nachweislich zurückgegeben. Eine Zustellung des Präparats an die sterbewillige Person kann auch durch apothekeneigene Zustelleinrichtungen erfolgen.
(3) Die sterbewillige Person hat das Präparat durch geeignete, den jeweiligen Umständen entsprechende Maßnahmen gegen eine unbefugte Entnahme zu sichern. Im Fall einer Aufgabe ihres Sterbewillens hat sie das Präparat bei der Apotheke zurückzugeben.
(4) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann mit Verordnung
1. andere Präparate als Natrium-Pentobarbital als zulässiges Präparat bestimmen, wenn solche Präparate nach dem Stand der Medizin belastende Begleiterscheinungen für den Patienten minimieren oder wenn die Verfügbarkeit von Natrium-Pentobarbital eingeschränkt oder nicht mehr gegeben ist; 150/ME XXVII. GP – Ministerialentwurf – Gesetzestext4 von 6
www.parlament.gv.at 5 von 6
2. festlegen, in welcher Dosis das Präparat im Regelfall letal wirkt;
3. die für die Verträglichkeit des Präparats nach dem Stand der Medizin notwendige Begleitmedikation regeln.
(5) Die Österreichische Apothekerkammer hat eine Liste jener Apotheken zu erstellen und aktuell zu halten, bei denen ein Präparat ausgefolgt wird. Diese Liste ist zumindest der Österreichischen Notariatskammer und den Patientenanwaltschaften zur Weitergabe an jene Personen zu überlassen, die
Sterbeverfügungen dokumentieren.


Werbeverbot und Verbot wirtschaftlicher Vorteile

§ 12.

(1) Es ist verboten, mit der Hilfeleistung zu werben. Das Werbeverbot umfasst Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist.
(2) Es ist zulässig, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung einer Sterbeverfügung nach diesem Bundesgesetz hinzuweisen. Keine Werbung im Sinn des Abs. 1 ist der Hinweis
1. von ärztlichen Personen darauf, dass sie eine Aufklärung nach § 7 anbieten;
2. von nach § 8 Abs. 2 befugten Personen darauf, dass sie eine Dokumentation von Sterbeverfügungen vornehmen, oder
3. von Apotheken und der Österreichischen Apothekerkammer darauf, dass sie ein Präparat unter den Bedingungen des § 11 abgeben.
(3) Es ist verboten, sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen.


Verwaltungsstrafbestimmung

§ 13.

Wer den Verboten gemäß § 12 Abs. 1 oder Abs. 3 zuwiderhandelt, begeht eine
Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 30 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 60 000 Euro, zu bestrafen. Im Fall des Verbotes gemäß § 12 Abs. 1 ist auch der Versuch strafbar.


3. Abschnitt
Schlussbestimmungen

Inkrafttreten
§ 14. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.
Vollziehung
§ 15. Mit der Vollziehung sind hinsichtlich des § 9 Abs. 2 bis 4 und des § 11 der Bundesminister für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz, hinsichtlich der übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Bundesministerin für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für
Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz betraut.

Artikel 2
Änderung des Suchtmittelgesetzes
Das Suchtmittelgesetz, BGBl. I Nr. 112/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/2021, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 7 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a angefügt:
„(1a) Apotheken dürfen Präparate gemäß § 3 Z 6 StVfG, BGBl. I Nr. ##/2021, in der jeweils geltenden Fassung nach Maßgabe des § 11 StVfG, BGBl. I Nr. ##/2021, in der jeweils geltenden Fassung, abgeben.“
2. In § 7 Abs. 2 wird die Wendung „nach Abs. 1“ durch die Wendung „nach Abs. 1 und 1a“ ersetzt.
3. Dem § 47 wird folgender Abs. 23 angefügt:
„(23) § 7 Abs. 1a und 2 und § 50 Abs. 1 Z 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. ##/2021 treten mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“ 150/ME XXVII. GP – Ministerialentwurf – Gesetzestext 5 von 6 www.parlament.gv.at 6 von 6
4. In § 50 Abs. 1 wird am Ende der Z 5 der Punkt durch einen Beistrich ersetzt und folgende Z 6 angefügt:
„6. hinsichtlich § 7 Abs. 1a im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz.“

Artikel 3
Änderung des Strafgesetzbuches
Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2021, wird wie folgt geändert:
1. § 78 samt Überschrift lautet:
„Mitwirkung an der Selbsttötung
§ 78. (1) Wer eine andere Person dazu verleitet, sich selbst zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer
1. einer minderjährigen Person,
2. einer Person aus einem verwerflichen Beweggrund,
3. einer Person, die nicht an einer Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 3 des Sterbeverfügungsgesetzes (StVfG), BGBl. I Nr. ##/2021, leidet, oder
4. einer Person, die nicht gemäß § 7 StVfG ärztlich aufgeklärt wurde, dazu physisch Hilfe leistet, sich selbst zu töten.“

Artikel 4
Inkrafttreten
Art. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. ##/2021 tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Rainer Haselberger

    So sehr ich den Fortschritt in der Debatte durch das StVfG begrüße, so wenig kann ich dem Satz „Sollte sie niemand in Anspruch nehmen, sind daran nicht die Gesetzgeber schuld, sondern die Bürgerinnen und Bürger, die nicht ausreichend mit dieser neuen Freiheit umzugehen wissen.“ zustimmen. Die Hindernisse bei der Errichtung einer Sterbeverfügung – Fristen, unheilbare oder tödliche Krankheit, Zustimmung von 2 Ärzten, von denen einer Palliativmediziner sein muss – konterkarieren die vom VfGH in seinem Erkenntnis geforderte Autonomie des Einzelnen.
    dieses Gesetz wird der ÖGHL und dem VfGH noch Arbeit machen!

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