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Vor Angst gestorben

Was derzeit in Zusammenhang mit AstraZeneca passiert, kennt jeder, der schon einmal Tabletten nehmen musste. Und wäre es auch nur ein Aspirin gewesen, das man in den Apotheken rezeptfrei erhält und das zu schweren Fällen von Magenblutungen führen kann. Einer meiner Freunde musste das Blutdruckmittel wechseln und landete daraufhin mit Helikopter in der Klinik. Ganz abgesehen von der wissenschaftlich erwiesenen Tatsache, wie sie dieser Tage durch das Internet geistert, dass auf 1 Million Frauen, welche die Antibabypille nehmen, 1200 davon eine Thrombose bekommen.

Wer von einer Tablette Heilung oder von einer Impfung Schutz erwartet und sich nicht verrückt machen möchte, liest also besser den Beipackzettel erst dann, wenn er unbekannte Symptome feststellt. Wer ihn bereits früher liest, läuft Gefahr, die Therapie zu verpassen, weil er sie aus Angst oft gar nicht antritt. Dort halten wir gerade in vielen Staaten, welche die Impfung mit AstraZeneca ausgesetzt haben. Österreichs Experten und Politiker haben sich zum Glück bisher dieser kollektiven Panikattacke widersetzt.

In einer Gesellschaft der narzisstischen Weicheier scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass das Leben nicht ein Hollywood-Film ohne Nebenwirkungen und mit Happy End ist. Gerade bei Leuten, die das Schicksal vor schwere Probleme stellt, beobachtet man oft großen Mut.

Sind wir so kleinmütig, weil es uns so gut geht?

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Hartlieb Wild

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    danke für Ihre Glossen, besonders die jüngste: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben, heißt es wohl sehr treffend. Und leider gibt es genügend Dumme, die sich durch platte Angstmacherei in die Arme fieser Populisten treibe lassen.
    Auch mir geht – bei allem Verständnis für einzuhaltende Vorsichtsmaßnahmen – die ganze Hysterie, einschließlich des Gekreisches der Leugner, Super-Fake-News-Spreader usw. kräftig auf die Nerven. Zum Glück versuchen seriöse Medien, den Fokus auch noch auf andere, wichtige Themen zu legen …
    @Gendern, vorherige Glosse
    Bei allem Respekt und Befürworten, dass Frauen sichtbar den ihnen gebührenden Platz ohne Vorbehalt zuerkannt erhalten: Aber, man kann bekanntlich alles übertreiben.
    Insbesondere, wenn unsere deutsche Sprache da nicht so bequem gebaut ist, wie das Englische. Das kennt nur das „the“ als Artikel für Ein– und Mehrzahl und alles, männlich, weiblich, sächlich. Und auch im Gebrauch von Bezeichnungen kommt das Geschlecht erst durch den Zusammenhang heraus, etwa: The teacher held / lectures …
    Im Deutsche wird’s dann schwierig: Der Lehrer / die Lehrerin hielt seine / ihren Unterricht.
    Daher plädiere ich – Achtung Spaß – dringendst !! für eine Sprachreform:
    Jemand, der z.B. unterrichtet, soll daher geschlechtsneutral „das Lehr“ heißen, ein Mann „der Lehrer“ und eine Frau „die Lehrin“.
    Jemand, der Holz verarbeitet, ist dann „das Tischl“ mit „der Tischler“ und „die Tischlin“ usw.
    Denn, „Lehrerin“ diskriminiert die Frau ja schon wieder, da das weibliche „in“ in der Buchstabenfolge hinter dem männlichen „er“ steht … Und das darf man auf gar keinen Fall zulassen!!! – Denkbar wäre natürlich auch die Formulierung „Lehriner“, aber, wir wollen ja nichts übertreiben …
    Was meinen Sie?
    Ich freue mich schon auf viele amüsante und nachdenkliche Glossen und verbleibe
    mit besten Grüßen aus Sistrans.

  2. Christine Holzner

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    ich bin sehr geneigt, Ihrem Satz „In einer Gesellschaft der narzisstischen Weicheier scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass das Leben nicht ein Hollywood-Film ohne Nebenwirkungen und mit Happy End ist.“ zuzustimmen.
    Allein, warum gilt das, was jetzt für die Nebenwirkungen der Impfungen gelten soll, eigentlich nicht für den Umgang mit Corona? Oder um in Ihrem Bild zu bleiben: Ein Haufen narzisstischer Weicheier (vulgo: Politiker) fährt seit einem Jahr mit einer „Nur-kein-Risiko-eingehen-und-schon-gar-keine-Verantwortung-dafür-übernehmen“-Strategie (die noch dazu die wirklichen Risikogruppen lange in keinster Weise im Blick hatte und weiterhin v.a. unsagbare Kollateralschäden produziert) das Land an die Wand. Wir müssen aber endlich lernen, dass es auch im Umgang mit Corona eine Risikoabwägung braucht, damit wir unser aller Leben wirklich noch Leben nennen können – und nicht nur: Dahinvegetieren im Dauerlockdown.

  3. Ernst Maier

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Mit Ihrem Kommentar gelingt Ihnen eine höchst notwendige Relativierung aller im Umlauf befindlichen Negativ-Berichte zu möglichen Nebenwirkungen im Zusammenhang mit dem Impfstoff von AstraZeneca.
    In erster Linie sollten wir stolz auf die Leistung der Wissenschaft sein. Es ist nicht selbverständlich, dass in so kurzer Zeit Impfstoffe (unabhängig von welchem Hersteller) zur Verfügung stehen.

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