Alois Schöpf
Der verpasste Feiertag
Apropos

Wenn man eine Umfrage machen würde, was der Unterschied zwischen den Sonnenwend- und den Herz Jesu-Feuern ist, würde man wahrscheinlich ähnlich diffuse Antworten bekommen wie auf die Frage, was am 8. Dezember, dem Fest der unbefleckten Empfängnis Marias, gefeiert wird.

Wer kann heute noch mit dem besonderen vertraglichen Verhältnis der Tiroler zum Heiligen Herzen Jesu etwas anfangen, woraus sich hierzulande die Herz Jesu-Feuer entwickelten. Oder wer etwas mit dem Hochfest Johannes des Täufers, worauf die andernorts „Johannesfeuer“ genannten Bräuche zurückgeführt werden.

Wie auch immer man die diversen Traditionen benennen mag, sie gehen im Grunde immer auf die Sommersonnenwende zurück, die sich die Religion oft direkt oder als Konkurrenz in den Dienst gestellt hat. Lediglich Schweden blieb vor solcher Vereinnahmung frei. Dort ist „Midsommar“ nach Weihnachten das größte und ein weltliches Fest, bei dem dieses Wochenende alles still steht.

Ist es nicht bedauerlich, dass wir uns das Land, das so oft als Vorbild herhalten muss, nicht auch in diesem Punkt zum Vorbild nehmen?

Der längste Tag im Jahr, der Beginn des Sommers und die Trauer über unmerklich wieder länger werdende Nächte: Das wäre doch Grund genug, gemeinsam und unmissverständlich die Freuden des Daseins zu feiern.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 25.06.2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Josef Pockenauer

    Dazu nur ein Satz: Die Schweden sollen ihre Bräuche feiern, wie sie wollen, und wir feiern die unseren, wie wir wollen.
    Schönes Wochenende

  2. Harald Medenus

    ….. doch ! schon a bissle bedauerlich ! …. sind ja noch jung ! Kann sich ja vielleicht anpassen lieber Alois Schöpf !
    Und beste Grüße aus dem Hochtal, wo zuerst im Osten und dann im Westen auf den Gipfeln und so gefeuert wird ! ( zwengs der Touristen !)

  3. Peter Winkler

    Hallo Hr. Schöpf,
    noch einen Gedankengang zu Ihrem Artikel vom Samstag in der TT.
    Die kath. Kirche, eine vom Staat anerkannte Religionsgemeinschaft, hat einige Feiertage (teilweise etwas skurile), und alle in Österreich lebenden Menschen kommen in den Genuss dieser freien, vom Arbeitgeber bezahlten Tage, insgesamt 9, so ich mich nicht irre.
    Es gibt aber auch noch andere Religionsgemeinschaften, die vom Staat anerkannt sind, insgesamt 14 – die müssten doch auch den einen oder anderen Feiertag haben. Also sollte man auch an deren Feiertagen teilhaben können …..ganz nach dem Gleichheitsgrundsatz!
    Noch ein Nebengedanke:
    Ein Sterbedatum ist doch ein ganz bestimmtes, fixes und unverrückbares Datum.
    Die kath. Kirche lässt Jesus aber mal 14 Tage früher und mal 14 Tage später sterben …..je nach Stand des Mondes !!??
    Mit freundlichen Grüßen

  4. Otto Riedling

    Das Merkmal von „Sonnwendwendfeuern“ ist, dass zumindest eine „Feuerrede“ in ziemlich „deutlichen“ Worten gehalten wird.

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