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Alois Schöpf
Danke Beate!
Zum Abschied von Beate Palfrader
als Kulturlandesrätin

Nach 14 Jahren verabschiedet sich Beate Palfrader aus ihrer Position als Landesrätin für Bildung, Kultur, Musikschulen, Erwachsenenbildung, Archivwesen, Büchereiwesen, Tiroler Landesmuseum, Tiroler Landestheater, Wohnbauförderung und Arbeitsmarkt- und Arbeitnehmerförderung und erwirbt sich durch ihr Versprechen, in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr zur Verfügung zu stehen, zweifelsfrei nachhaltige Verdienste um das Kulturleben im Lande.

Dass diese Einschätzung nicht eine journalistische Gehässigkeit ist, sondern von ihr selbst im Zuge der Pressekonferenz, bei der sie ihren Rückzug ankündigte, den Anwesenden nahegelegt wurde, ergibt sich schlicht aus der Tatsache, dass sie bei der Aufzählung ihrer vergangenen und noch geplanten politischen Heldentaten, zumindest wenn es nach den Berichten der ihr durchaus wohlgesonnenen Medien Tiroler Tageszeitung und ORF-Online geht, auf die Kultur schlicht und einfach vergaß.

Tatsächlich hinterlässt sie in diesem ihrem offenbar auch von ihr selbst als untergeordnet eingeschätzten Verantwortungsbereich ein Desaster des Abblockens durch Bürokratie, der Fehleinschätzung innovativer Entwicklungen, feministisch angehauchter Liebedienerei und zynischer Gleichgültigkeit.

Eine Reihe von Beispielen soll dies verdeutlichen:

1. Statt die kaum finanzierbare Schnapsidee, in Erl gleich zwei Opernhäuser in die Wiese zu stellen, in das restliche Tiroler Kulturgeschehen zum Vorteil aller Beteiligten durch Kooperation und Synergie zu integrieren zu versuchen, ließ sie sich vom Gründer und Motor der Tiroler Festspiele Erl solange abbusseln, bis er unter die Räder des Zeitgeists geriet und aufgrund peinlicher Anbiederung an denselben abseits jeglichen rechtsstaatlichen Denkens unter ihrer tätigen Mithilfe künstlerisch vernichtet wurde. An seine Stelle traten die gesichtslosen Verwalter einer Deutschen Oper, für die Erl endgültig zur unwichtigen Talenteschmiede auf Kosten der Tiroler Steuerzahler herabgestuft wurde und sich trotz aller noch so beredten Bemühungen zur sicheren Totgeburt entwickeln wird.

2. Statt rasch die Festwochen der Alten Musik einem Dirigenten zu entreißen , der das Festival vor allem dazu benutzte, seine Diskographie mit weiteren Barockopern von höchst zweifelhaftem Wert zu bereichern, wurde in dunkler Ahnung dieses Missstands und in agrarfeministischem Überschwang, nur das weibliche Geschlecht bürge für ein Kulturmanagement auf der Höhe der Zeit, eine künstlerische Leiterin bestellt, die nicht einmal in der Lage ist, ihre paar Meisterkonzerte ohne schwere dramaturgische Böcke zu disponieren. Und dies vor dem Hintergrund einer Ausschreibung, die noch vor Jahren im Falle Sarah Wilson Qualifikationen eingefordert hatte, die wahrscheinlich nicht einmal der weltbekannte Intendant der Salzburger Festspiele Gerard Mortier hätte erfüllen können. Inzwischen gibt man es, wie auch in vielen anderen Bereichen, billiger!

3. Immer wieder bewies das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck TSOI in den letzten Monaten bei Konzerten, bei denen die Frau Kulturlandesrat fast nie zu sichten war, dass es das Zeug hätte, aus einem sozial abgesicherten Provinzorchester zu einem überregional beachtenswerten Klangkörper aufzusteigen. Statt die Chancen hierfür zu nutzen, wurden sie konsequent verpasst. Dies beginnt bei der Berufung von jungen Dirigenten, mit denen das Orchester machen kann, was es will, über ein seit Jahren im Tiefschlaf befindliches Orchesterbüro, das absolut nichts weiter bringt, bis hin zur skandalösen Inexistenz des Orchesters in den Medien, angefangen von Konzertübertragungen des ORF in Rundfunk und Fernsehen bis hin zu DVD-Aufzeichnungen, der künstlerischen Präsenz auf YouTube durch abrufbare Konzerte, der Produktion von Tonträgern und hier vor allem der Entwicklung eines für das internationale Angebot unverwechselbaren Repertoire-Angebots.

4. In populistischer Ankündigung, das Wichtigste, wie schon erwähnt, an einem Kulturposten sei das weibliche Geschlecht, wurde für das Tiroler Landestheater eine neue Intendantin berufen, für die bis zum Beweis des Gegenteils die Rahmendaten gelten, dass sie von Musiktheater für ein Haus wie in Innsbruck, das vor allem für seine Opern-und Musicalaufführungen überregionale Bedeutung erlangte, zu wenig versteht und von einer kleinen Provinzbühne zu einer großen übersiedelt, dafür jedoch die Berufungskommission aus glupschäugigen Landeiern überzeugend mit zeitgeistigen Phrasen über die Zukunft der dramatischen Künste  erfolgreich vollgetextet haben muss.

5. Dem sukzessiven Niedergang und definitiven Ende des Tanzsommers des Kulturgeschäftsmannes Andreas Resch wurde zugeschaut, als Dank für seine Leistungen wurde er zum Tiroler ÖVP-Aufzeiger in den ORF Stiftungsrat berufen. Bemühungen, für das anfänglich beliebte und und sodann zunehmend abbauende Festival ein Nachfolgeprojekt zu entwickeln, verliefen im Sande überbezahlter Gutachten.

6. Ebenso wurde dem Ende des Festivals der Träume zugeschaut und niemals der Versuch unternommen, aus dem idealistischen und in Bezug auf das heimische Kulturleben doch etwas weltabgewandten Wirken eines Herbert Waltl kreative Schlüsse zu ziehen.

7. Nicht vergessen werden darf das Ende des Weekender Clubs und des Weekender Cafés, des Veranstaltungszentrums Hafen, des Veranstaltungsvereins Bierstindl, der für eine Studentenstadt wichtigen Begegnungszentren Stadtcafe und Hofgartencafe und zuletzt das Versanden der Idee, am ehemaligen Industriegelände in St. Bartlmä in Innsbruck ein neues Kulturzentrum für Jugend- und Alternativkultur aufzubauen. Dass das alteingesessene Treibhaus seit 1999 mit bestenfalls inflationsbereinigten Budgetansätzen bedient wird, darf nicht unerwähnt bleiben.

8. Folgt zuletzt in der Liste, die durchaus noch fortgesetzt werden könnte, der Hinweis auf eine schlicht und einfach desaströse Museumslandschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass bei gleichzeitig sehr wertvollen Beständen durch die Auslagerung der Verantwortung an Vereine das die notwendigen Gelder zur Verfügung stellende Land, selbst wenn es wollte und könnte, über zu geringe Durchgriffsrechte verfügt.

Damit ist nicht nur der nach wenigen Jahrzehnten neuerliche Umbau des Hauptgebäudes des Tiroler Landesmuseums gemeint, ein Schildbürgerstreich, dessen prognostiziertes Budget längst aus dem Ruder gelaufen ist, was man auch als einen Glücksfall bezeichnen könnte: Denn in Wahrheit gehört das ästhetisch minderwertige und funktional untaugliche klassizistische Gebäude aus dem Jahre 1845 längst abgerissen und durch ein neues, architektonisch überzeugendes Wahrzeichen (wie etwa in Bilbao) ersetzt. Oder bei Beibehaltung der musikalischen Sammlungen, so wie es ist, dem Konservatorium angegliedert.

Für ein Tiroler Nationalmuseum würde sich nämlich geradezu ideal ein Neubau am Bergisel im Zusammenhang mit dem bereits dort situierten Tirol Panorama anbieten. Das bedeutungslose Kaiserjägermuseum sollte dabei ebenso wie das nicht minder unwichtige Kaiserschützenmuseum in das Zeughaus, die ehemalige maximilianische Waffenkammer, übersiedeln. Das neben der Hofkirche und mit diesem organisatorisch zusammengeschlossene, an dieser Stelle jedoch vollkommen deplatzierte Volkskunstmuseum wäre in das neu zu schaffende Nationalmuseum am Bergisel zu implementieren. Die dadurch freigewordenen Räume, passend zur Bedeutung des wichtigsten Renaissancedenkmals nördlich der Alpen, der Schwarz-Mander-Kirche inklusive des kaiserlichen Kenotaphs, würden, somit historisch korrekt, den Gotik- und Renaissancesammlungen des Tiroler Landesmuseums vorbehalten bleiben und an die barocke Hofburg mit ihren Sammlungen anschließen.

Zweifelsfrei eine umfassende, aber längst notwendige Neuausrichtung, für die es eines bedeutenden Politikers und nicht einer karenzierten Lehrerin bedürfte.

Als altgedienter Tiroler sollte man jedoch vorsichtig sein, wenn man Leuten nachwinkt, in der Hoffnung, dass bessere nachkommen. In den letzten Jahren war dies leider sehr selten der Fall, weshalb die Genugtuung, dass Palfrader geht, eine gewisse Einschränkung dadurch erfährt, dass unseren ÖVP-Granden ganz bestimmt jemand einfallen könnte, der von Kulturpolitik noch weniger versteht und sich noch weniger dafür interessiert.


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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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