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Alois Schöpf
Bewerbung als Beschädigung
Apropos

Bundeskanzler Nehammer will die Sideletters abschaffen. Sein Wort in Gottes Ohr! Solch geheime Vorabsprachen haben das Ausschreibungswesen korrumpiert. So legitim es nämlich ist, dass mit parlamentarischer Mehrheit ausgestattete Parteien sich dort, wo Positionen zu vergeben sind, Leute aussuchen, die bei entsprechender Qualifikation auch weltanschaulich ein Naheverhältnis aufweisen, so verlogen ist es, hier noch von objektiver Postenvergabe zu sprechen.

Seit Jahrzehnten wird so getan als ob! Dies hat informierte Staatsbürger längst zur Erkenntnis genötigt, dass sich, wer etwas werden will und sei es nur Schuldirektor, im Dunstkreis der richtigen Partei aufhalten sollte, da die Karriereplanung hierzulande in den Hinterzimmern der Funktionärsmacht erfolgt und nicht im Lichte öffentlicher Ausschreibungen.

Die Folge ist, dass Leute, die aufgrund ihrer Fähigkeiten für höhere Positionen durchaus infrage kämen, es aufgegeben haben, sich zu bewerben, laufen sie doch Gefahr, sich in den Medien lächerlich zu machen oder vor ihrem aktuellen Arbeitgeber als instrumentalisiertes Bauernopfer des schönen Scheins dumm dazustehen.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an das regelmäßig wiederkehrende Schauspiel bei der Besetzung der Chefpositionen im ORF: Hier wagt es schon längst niemand mehr, das Kochen in der eigenen Suppe zu stören! Oder erinnert sei an einen Namen: Peter Sidlo!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 05. 02. 2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Otto Riedling

    Früher hat man dies in Gasthäusern, Büros etc. besprochen. Das war halt damals so. Es hat sich niemand daran gestört, weil irgendwie doch irgendwann ein jeder zum Zuge gekommen ist. Wenn nicht direkt, dann halt indirekt (über Kinder, Bekannte, Verwandte).

  2. Josef R. Steinbacher

    „Sideletters“ ???
    Vor gar nicht langer Zeit sagte man noch das einfache und klare Wort „NEBENABSPRACHEN“, wenn man für einen Vertrag einen nachträglichen Zusatz vereinbarte. Im Zeitalter der untergehenden, wunderschönen, facettenreichen DEUTSCHEN SPRACHE, braucht man, um ‚IN‘ zu sein, die Allerweltssprache DENGLISCH.
    Und dann der Theaterdonner wegen angeblicher Mauscheleien, ohne die sowieso kein Mensch unter den Menschen durchs Leben kommt. Vom Lehrplatz für einen hoffnungsvollen Vielstarter bis zur aussichtsreichen Position einer allfälligen Schaltstelle in einem Betrieb oder in der Stufenleiter einer öffentlichen Einrichtung bzw. Hierarchie.
    Egal, wer immer etwas ‚flüssiger‘ in seinem Lebenslauf bzw. politischen Ambitionen vorankommen will, hat ohne „Sidletters“ sowieso deutlich weniger bis gar keine Chancen, im privaten oder öffentlichen Leben etwas zu erreichen. Qualitäten spielen dabei nur am Rande eine Rolle.
    Warum also, gibt es jetzt diese allgemeine Erregung über eine Tatsache, die schon fast älter ist als die Menschheit? Es ist somit die übliche Themensteuerung, ein völlig überflüßiges Nebenthema zum Hauptthema zu machen. Denn das eigentlich WICHTIGE im Lande wird dann schlicht vergessen. Und das ist das Ziel.

  3. Helmut Leisz

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Herzlichen Dank für ihre Kolumne in der TT!
    Leider muss ich ihnen vollinhaltlich zustimmen … auch aus eigener unguter Erfahrung … vor 60 Jahren!
    1962 habe ich an der LBA-Innsbruck maturiert – dann wurden die Lehrerposten ausgeschrieben – ich suchte um einen Posten im Inntal an – um mein Geigenstudium weiterzuverfolgen – mein zugewiesener Dienstposten war dann STEINBERG AM ROFAN – in der damaligen Zeit – im Winter – monatelang nicht erreichbar – eingeschneit!
    Alle meine Kollegen bekamen ihre gewünschten Stellen – da die Bürgermeister ihrer Heimatgemeinden sie angefordert hatten!
    Auf Intervention eines guten Bekannten meiner Mutter wurde mir dann STUMM IM ZILLERTAL angeboten!
    Da war meine bemühte Mutter schon so wütend, dass sie zu mir sagte: Du gehst jetzt ein Jahr zum
    Militär, dann darfst du noch zwei Jahre weiterstudieren, vielleicht schaffst du dann den Sprung
    ins Symphonieorchester – dann bist du von dem ganzen Politiker…… unabhängig!
    So geschah es – die Pointe …. für diese zwei Jahre Violin-Studium bekam ich dann noch ein relativ
    großzügiges Stipendium des Landes Tirol!
    Nach meinem Probespiel im Orchester 1965 bekam ich eine Stelle – die Politik versuchte immer wieder bei Stellenbesetzungen im Orchester mitzureden, was zum Glück durch eine sinnvolle Orchesterordnung immer wieder vereitelt werden konnte!
    Die Jahre gingen ins Land!
    Nach der Gründung des Kulturvereins Axams wurde ich zum Kulturreferenten des Landes Hofrat Eigentler – er hatte in Axams ein Haus – ins Landhaus bestellt.
    Da ich keine Ahnung hatte, was er von mir wollte, war ich einigermaßen erstaunt, als er nach der
    Begrüßung sagte: „Ihnen hat man ja übel mitgespielt!“ … darauf folgte der Hinweis auf das oben
    Geschilderte – an Hand eines Aktes – der vor ihm auf dem Tisch lag!
    Zuguterletzt bekamen wir die notwendigen Förderungen für den neuen Verein!
    Ende gut – alles gut …. ???
    Liabe Griass

  4. Martina Janisch

    Ich kann die Hoffnung nicht teilen, dass “SIDELETTERS” abgeschafft werden. Sie werden in anderer Form wieder auftauchen.
    Bereits 1956 musste man “der richtigen Partei” angehören, um etwas zu erreichen (hat mir mein Großvater erzählt). Damals konnte jedoch das “gemeine Volk” dies nirgends nachlesen. Heute kann man fast alles durch das Internet oder andere moderne Ablesetechniken erfahren (so viele “Hacker” in allen Bereichen des täglichen Lebens gab es noch nie).
    Auch die “Bloßstellung” von Frauen, die Willens sind, in der Politik mitzuarbeiten (sprich Master- und Doktorarbeiten) sind größer als der männlichen Kollegen. Hier interessiert die “Ausbildung” niemanden, außer man will ihn aus der “Position” boxen. Dann wird das “Netzwerk” aktiviert.
    Ich bin mir sicher, es geht auch in Zukunft bei Posten-Ausschreibungen nicht um die “Fähigsten”, sondern um die “Nützlichsten” für das “System Partei”, und in Folge für die Zusammensetzung der Regierung. Fehlinformationen und Korruption sind die Zeichen dafür. Auch das Wort “KÄMPFEN” ist ein Indiz dafür, denn es wird täglich von allen Parteien benutzt (habe gerade eine “Pressestunde” von den Neos – Herrn Hoyos – mitverfolgt, wo in Zukunft “gekämpft” wird um …?) Ja sind wir denn im Krieg? Wahrscheinlich schon! Macht macht kriegerisch!

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