Alois Schöpf
Politik und Authentizität

Es geht nicht nur mir so, sondern den allermeisten, die ich frage. Darunter auch viele Frauen. Und ich habe nichts gegen die Sozialdemokratie, sondern bin der Ansicht, dass es der postkurz´schen ÖVP sogar gut täte, einmal die Oppositionsbank zu drücken. Und ich habe schon gar nichts gegen die Person Pamela Rendi-Wagner, der weder Intelligenz, noch Loyalität, noch Integrität abgesprochen werden kann.

Trotz alledem: Wenn sie wie unlängst in ihrer Rede mit Kanzleranspruch im elegantesten Outfit vor die Kamera tritt, um Grundsätzliches von sich zu geben, fehlt mir die Fähigkeit, auch nur einen einzigen ihrer Sätze als nicht einstudiert zu betrachten. Und es fehlt mir zugleich der Sadismus, jemandem dabei zuzuschauen, wie er sich mit all seinem Ehrgeiz je länger er spricht, desto nachhaltiger ruiniert.

Es gibt in der derzeitigen Innenpolitik wohl kein dramatischeres Anschauungsmaterial dafür, was einen Politiker von einem Bürger unterscheidet, der den Politiker nur spielen kann. Die Eintrittskarte für den Job lautet im Medienzeitalter nämlich: Authentizität!

Duden definiert den Begriff mit: Glaubwürdigkeit! Kann man das lernen? Oder ist es eine Begabung wie das absolute Gehör? Und muss man es bleiben lassen, wenn man nicht darüber verfügt? Ich würde mir wünschen, dass ich mit meiner Einschätzung Rendi-Wagners falsch liege. Wenn ich es nicht tu, hat die SPÖ ein massives Problem.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 02.04.2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Otto Riedling

    Ich habe mir diese „Rede“ nicht ganz angehört, aber was ich gehört habe (im Radio), reißt mich nicht gerade vom „Hocker“.. Mir graust, denn die SPÖ steht für eine „Auf-die-lange-Bank-schieben-Politik“.

  2. Johann Vilanek

    Guten Morgen lieber Herr Schöpf!
    Ich habe mir diese gekonnte und aufwändige SPÖ-Inszenierung bis zum Ende angesehen, obwohl es für mich letztlich mit all den eigenen Klatschszenen von Rendi-Wagner nach einer Stunde kaum mehr erträglich und nur mehr eine Zumutung war, und habe meiner Frau empfohlen, sich diese Stunde zum Anschauen zu opfern, damit sie beim Treffen und bei Diskussionen außer Haus gerüstet ist!
    Diese Ihre oder eine ähnliche Analyse habe ich bis dato in den Medien vergeblich gesucht und nirgendwo gefunden.
    Glück auf!

  3. Harald Medenus

    Guten Morgen lieber Herr Schöpf,
    .. ein echt “elegantes apropos” !
    Mit Dank und besten Grüßen aus dem weißen, unterkühlten Hochtal

  4. Helmut Troger

    Lieber Alois!
    Mag sein, dass die Pam in der Ausführung, jetzt Performance genannt, ihre Mängel hat und nicht Authentizität versprüht. Aber in Anbetracht des politischen Zustandes Österreichs, verursacht durch hemmungslose, nur sprachliche Performer wie Kurz&Co, denen viele von uns auf den Leim gegangen sind, ist Pam trotz all ihrer Art Besserwisserei doch ein Lichtblick in Österreichs dzt. Politik. Ich wünschte mir jetzt Menschen wie sie an der Spitze, denen ich zumindest vertrauen kann.
    Ob Platter, „Windradl“ Walser, Leute wie Sobotka und mit wenigen Ausnahmen (Zangerl) ist es eh fast die ganze ÖVP-Truppe: sie gehören nicht zu den Leuten, denen ich vertraue.
    Seien wir deshalb froh, wenn sich eine gescheite Frau aufmacht, Österreich wieder „anständiger“ zu machen.
    Denke Du liegst mit Deinem Artikel falsch, es kann nicht schlimmer werden… als jetzt!
    Lieber Gruß aus Weer

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