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Walter Plasil
Ist alle Werbung nur Lug und Trug?
2. Teil

Im Teil 1 meiner Ausführungen zum Thema von CO2 Einsparungen habe ich mich mit einer Werbebotschaft einer Waschmittelfirma beschäftigt.

Wenn alle kälter waschen, sparen wir so viel CO2, wie 2 Millionen Autos ausstoßen.

Einige Grundlagen dafür, ob diese Botschaft korrekt ist, sind im 1. Teil bereits gelegt. Auf denen wird in der Folge aufgebaut.

Am Ende möchten wir ja zwischen Fakt oder Fakenews entscheiden können. Das ist doch inzwischen ein notwendiger und alltäglicher Vorgang geworden. Und dazu müssen wir halt auch ein wenig Zeit und Mühe investieren. Glauben (aber nichts wissen) und (wahrscheinliches) Wissen sind immerwährende Gegensatzpaare. Dazwischen spielt sich unser Alltag ab. Daher weiter im Faktencheck!


Was bedeutet „kälter waschen“?

Ich gehe mal von mir aus. Die Wäsche, die man früher mit 90°C gewaschen hat, wäscht man heutzutage ohnehin schon mit 60°C. Mache ich halt schon länger so und funktioniert ganz gut. Die 30°C Wäsche wasche ich nach wie vor so. Aber nun müsste ich ja kälter waschen.

Ich denke, bei mir geht noch kälter gar nicht. Vielleicht 59°C anstatt 60°C und 29°C anstatt 30°C? Das wäre zwar kälter als zuvor, aber das könnte ich bei meiner (alten) Waschmaschine gar nicht einstellen. Oder meint man mit kälter, anstatt 90°C nun 60°C, statt 60°C nurmehr 30°C und anstatt 30°C überhaupt nur „kalt“?
O.K., nehmen wir den plausibelsten Fall an: 60 anstatt 90 und 30 anstatt 60°C und 30 bleibt 30°C.

Ich verkünde hiermit: Ich bin bereits ein Kälterwäscher! Und damit auch ein CO2 Einsparer!

Wer noch kälteres Waschen selbst ausprobieren möchte: Bitte sehr. Aber ich sage das Ergebnis in etwa voraus. Das Ganze ergibt dann eine leicht stinkige Wäsche. Auch Flecken weg, ganz ohne Rand, das spielt es dann halt auch nicht mehr. Und die Spuren von Spaghetti mit Sugo am Latz sind und bleiben unschön. Ja, man könnte sie mit dem Kälterwaschverhalten begründen. Reinlichkeitsfanatikern bliebe so etwas ein Gräuel.

Den Fleck im Stoff der Kleidung ausschneiden oder neue Stoffteile über den Fleck drübernähen? Ist auch nicht wirklich schön! Oder zwischendurch mal volle Pulle mit 90°C waschen? Das wäre Verrat an der Idee!

Da ist es noch besser, dass, wenn ein Fleck bei 60°C nicht rausgeht, dieses Kleidungsteil an der zertifizierten Sammelstelle zu entsorgen. (Wo es ja dann hoffentlich direkt an bedürftige afrikanische Weltmitbürger abgegeben wird oder umweltgerecht ökologisch recycelt wird.) Die gesunde Umwelt muss uns etwas wert sein. Somit dürfen wir festhalten, das Thema kälter etwas eingegrenzt zu haben.

Nun möchten wir die Warm- oder gar Heißwäscher davon überzeugen, sich zu besinnen und zu uns überzulaufen. Und die bisherigen Verweigerer überzeugen. Das ist eine gemeinschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, wofür eben geworben werden muss.


Jetzt wird’s wieder wichtig.


Wir nehmen an, um der Überprüfung der Werbebotschaft zum Kälterwaschen zu entsprechen, dass, nur zu Vergleichszwecken, jeweils eine Kälterwaschmaschine und ein Auto genau gleich, nämlich über eine Stunde lang betrieben werden.
Ob diese Annahme und der Vergleich überhaupt Sinn machen, damit werden wir uns im Folgenden befassen.

Was bringt die Einsparung durchs kälter waschen bezüglich des CO2 Ausstoßes?
Eingespart wird ja nur Strom, von dem in diesem Fall weniger verbraucht wird, weil das Wasser nicht so stark aufgewärmt werden muss.

Und Strom wird hauptsächlich durch Kohle- Öl- und Gaskraftwerke mit entsprechenden Emissionen erzeugt. Atomstrom, Solarstrom und Strom durch Wasserkraft und Wind sind auch nicht ganz CO2 frei. Wir haben es jedenfalls mit einem Mix zu tun.

Um weiterzukommen, habe ich komplizierte energietechnische Berechnungen über das Kälterwaschen angestellt. Von welcher Größenordnung können wir da reden?

Die fiktiv eingesparte Strommenge durch das kältere Waschen beträgt 0,43 kWh a 400 Gramm CO2, was 172 g CO2-Einsparung pro Stunde ergibt.
Auch für diese Zahlen kann ich auf Wunsch die Grundlagen liefern.
Zum Vergleich nochmals die Zahlen:
Autos verursachen pro Stunde im Betrieb: 13.580 g CO2
Kälterwäscher sparen pro Stunde im Betrieb: 172 g CO2
Jetzt betrachten wir ein Jahr und errechnen die Betriebsstunden.
Auto: Jahreskilometer: 15.000
Vergleichsgeschwindigkeit: 100 km/h (theoretisch)
15.000: 100 = 150 h
Waschmaschine: bei einer Familie: 4 x pro Woche ein Waschgang zu je 1 Std.
52 x 4 = 208 Stunden. Hier haben wir schon obere Werte gerechnet, also eine besonders reinliche Familie, die ihre Kleidung aber häufig verschmutzt!

Nun der Vergleich in CO2 pro Jahr:
Auto: 150 h a 13.580 g = 2.037.000 g pro Jahr (abgerundet: 2 Tonnen)
Einsparung durch eine Waschmaschine: 208 Std a 172 g = 35.776 g pro Jahr (0,035 Tonnen)

Kleiner Hinweis nebenbei: Die Stromkosteneinsparung beim vorbeschriebenen Kälterwaschen beträgt pro Waschgang 13 Cent. Das ergibt dann pro Jahr: 208 Std. x 0,13 € = 27,00 €

Jetzt noch die Übersicht:
2 Millionen Autos stoßen pro Jahr 4.000.000 Tonnen CO2 aus.
Um diesen Wert einzusparen, müssten wie viele Waschmaschinen je ein Jahr kälterwaschend betrieben werden?
4.000.000 t : 0,035 t = 114.000.000 Waschmaschinen (von insgesamt 800.000.000)
Das sind eben bei Weitem nicht alle Waschmaschinen, sondern nur 14,25 % aller möglichen!

Demnach ist die Werbebotschaft falsch!

Jetzt können wir natürlich auch umgekehrt rechnen.
Welche Menge an CO2 wird durch Kälterwaschen eingespart, wenn alle Waschmaschinen das tun?
800.000.000 Waschmaschinen a 0,035 t = 28.000.000 Tonnen CO2 Einsparung pro Jahr.
Wie vielen Autos entspricht das?
28.000.000: 2,0 Tonnen = 14.000.000 Autos

Nun endlich die stimmige Antwort!
Wenn (alle möglichen) 800 Millionen Waschmaschinen (weltweit) je ein Jahr haushaltsmäßig und kälterwaschend wie beschrieben genutzt werden, entspricht das dabei eingesparte CO2 dem Jahresausstoß von 14 Millionen Autos mit durchschnittlicher Verbrauchs – und Betriebsweise.

Wenn die Zahl der Elektroautos weiter ansteigt, stimmt übrigens die Berechnung von vorher nicht mehr!

Ja, auch das könnte zur harten Aufgabe werden. Nämlich 800 Millionen potentielle Kälterwäscher dazu zu bringen, eben kälter zu waschen. Ausgenommen jene, die ohnehin oder immer schon kälter gewaschen haben!

Und warum sollten die Wärmerwascher kälterwaschen? Na nur deswegen, weil sie damit genau die CO2 Menge einsparen würden, die 14 Millionen Autos im Jahr ausstoßen! Bei 1,015 Milliarden Autos weltweit!

Nein, natürlich nicht. Das alleine ist nicht der Grund. Sie müssten auch das vorgeschlagene und beworbene Waschmittel verwenden, das kälter waschen erst ermöglicht! Und außerdem heißt CO2 sparen in dem Fall ja immerhin auch Geld zu sparen.

Aber dieser finanzielle Vorteil könnte durch das teurere Waschmittel wieder verloren gehen. Das ist allerdings eine neue und ungelöste Frage, die noch einer Antwort harrt. (Nicht hier und nicht von mir!)

Für unsere eng eingeschränkten Zwecke fassen wir zusammen:
Die Anfangs zitierte Werbebotschaft:

Wenn alle kälter waschen, sparen wir so viel CO2, wie 2 Millionen Autos ausstoßen.
ist unrichtig!

Die neue Werbebotschaft für CO2 Einsparung:
Nach meiner Berechnung müsste die Werbebotschaft wie folgt abgeändert werden:

Man kann mit „Kälterwaschen“ (60 statt 90, 30 statt 60°C) pro Waschmaschine und Jahr bei durchschnittlicher Nutzung 0,017% der Menge an CO2 einsparen, die ein Auto mit durchschnittlichem Verbrauch im durchschnittlichen Jahresbetrieb emittiert.

Damit hätten wir die korrekte Formulierung zur Werbung für eine mögliche CO2 Einsparung durch verändertes Nutzerverhalten dargestellt. Darunter kann sich jeder was vorstellen.


Was auch noch ginge.


Wenn alle in Betrieb befindlichen 800 Millionen Waschmaschinen mit 60 statt 90, 30 statt 60°C betrieben werden, wird pro Jahr so viel CO2 eingespart, wie 14 Millionen Autos unterschiedlichster Antriebsvarianten mit durchschnittlichem Verbrauch und durchschnittlicher Nutzung pro Jahr emittieren.


Freilich ist es unabdingbar, zugleich mit dieser Botschaft die Mitteilung zu versenden, dass sämtliche der verwendeten Berechnungsgrundlagen auf der Homepage der werbenden Waschmittelfirma zu finden sind und im Bedarfsfall für den Waschmittelkäufer des beworbenen Kälterwaschmittels auch mit anderen Daten nachvollziehbar berechenbar sind.
Alles andere ist plumpe Konsumententäuschung!

So, das wärs dann.

Ich stecke zurzeit in neuen Berechnungen. Sie betreffen das kälter und kürzer duschen und die mögliche CO2 Einsparung dadurch.
Die Botschaft lautet:

Wenn alle kälter duschen, wird die gleiche CO2 Menge eingespart, die 100 Millionen Menschen emittieren!

PS:
Ich bitte alle Leser, wegen eigener Überlastung, mir dabei behilflich zu sein, die folgende, auch etwas auffällige Werbebotschaft zu analysieren:

Dieses Shampoo bringt dreimal stärkeres Haar.

Es liegt die Vermutung nahe, dass hier auch einiges nachzufragen wäre! Es herrscht Verdummungsalarm!



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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hans Pöham

    Sehr geehrter Herr Plasil, auch ich sage Danke für die liebevoll aufgeschlüsselten Berechnungen. Ich habe sie mit großem Interesse nachzuvollziehen versucht. Nun plagt mich der Gedanke, dass, wenn man wieder autofreie Tage einführen möchte oder müsste, was zwingend werden könnte, man dann weniger aus Langeweile in seinem Kiez röhrend im Kreis wird fahren können, sich dann ersatzweise in der freien Zeit mit schweißtreibenden Hobbys wie Spiel und Ausdauersport, Heimwerken, Gartenarbeit uä. beschäftigte, infolge dessen mehr Schmutz und Schweiß an Kleidung zu einem Ansteigen der Kälterwaschgänge führte, bei intensiverem Schwitzen und mehr Schmutz an Kleidern man in das überwunden geglaubte Wärmerwaschen zurückfallen müsste, wie sich dann durch diese Ersatzhandlungen das CO2 Gleichgewicht zwischen Waschmaschinen und Automobilen verschieben könnte? Könnte dann das ökologisch geltende Weniger-Fahren den CO2-Fußabdruck wachsen lassen? Sie haben jedenfalls den Anstoß gegeben. Man wird es in Zukunft in den Werbeabteilungen besser bedenken. Es werden neue, einleuchtende Werbebotschaften kommen, die dann nicht mehr nachgerechnet werden müssen. Es wird nichts mehr zum Prüfen übrig sein. Wie beispielsweise: Tirol. Jetzt. Geradeaus. Wetterfest.

  2. Susanne Preglau

    Vielen, vielen Dank für die Mühe, die das Verfassen der beiden Artikel „Ist alle Werbung nur Lug und Trug“ (vom 1. und vom 8.September 2022) Ihnen verursacht haben muss.
    Das – im Sinne des Kritischen Rationalismus – Fazit Ihrer Ausführungen ist wohl, dass tatsächlich – vielleicht nicht alle, aber doch die allermeiste – Werbung nur Lug und Trug ist. Das ist eine äußerst wichtige Erkenntnis, die möglichst vielen Menschen im Banne der täglichen Flut an Werbung, die über alle Medien über uns hereinbricht, wichtig ist im Sinne von Aufklärung, die auch durch das Stilmittel der Satire wirksam sein kann.
    Gratulation zu Ihrem Text!

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