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Walter Plasil
Die Kirche "neu" denken
Essay

Im Jahre 1951 waren 89% der österreichischen Bevölkerung Katholiken. Derzeit sind es 51,9 %. Bald wird sich nur mehr eine Minderheit zur katholischen Kirche bekennen. In Deutschland ist es bereits so weit.

Dessen ungeachtet wird die schrumpfende Zahl der Katholiken nach wie vor mit hunderten Millionen Euro subventioniert. Wir als Staat zahlen der Kirche seit Kriegsende jedes Jahr immer wieder Abgeltung für Schäden aus der NS-Zeit. Dann auch noch die laufenden Gehälter und sogar die Pensionen für Religionslehrer und für die Universitätsprofessoren an den theologischen katholischen Fakultäten. Bischöfe und Kardinäle werden ebenso großzügig aus der Staatskasse entlohnt.

Zudem werden den katholischen Kirchen und Klöstern vom Staat enorme Privilegien im Wert von weiteren hunderten Millionen gewährt. Auch die katholischen sozialen Dienste sowie die katholischen Bildungseinrichtungen werden fast gänzlich durch Gelder der Republik finanziert.

Gläubige haben selbstverständlich das Recht, sich in einer Religion zu organisieren. Aber  ist es nicht zu viel verlangt, dass sie ihren Glaubensverein selbst finanzieren. Wer denn sonst soll das übernehmen?

Ich zum Beispiel fühle mich als religionsfrei. Ich wüsste nicht, welchen Benefit ich aus der Existenz der katholischen Kirche ziehen könnte. Ich liebe Philosophie und ziehe in jedem Fall Wissen dem Glauben vor. Selbst wenn ich etwas nicht weiß, sehe ich keinen Grund dafür, an eine fiktive Antwort von Religionen zu glauben oder diese sogar unbegründet für die Wahrheit zu halten.

Das Geschäftsmodell der Religionen ist in meinen Augen längst obsolet geworden. Und gäbe es eine religionsfreie Welt, wäre das ein unermesslicher Befreiungsschlag. Unzähligen global tobenden religiös getriebenen Konflikten wäre der Boden entzogen. Der säkulare, demokratische Staat braucht keine Religionen. Gottlos lebt man glücklicher.

Für die Inangriffnahme einer endgültigen Trennung von Kirche und Staat ist es in Österreich hoch an der Zeit. Die Ausschüttung von Millionen an öffentlichen Geldern für Glaubensvereine muss zurückgefahren werden. Uralte Verträge müssen endlich gekündigt werden. Sie sind ungerecht. Es ist skandalös, dass religionsfreie Steuerzahler für konfessionelle Vereine ungefragt mitzahlen.

Aber welchen gesellschaftspolitischen Kräften ist es zuzutrauen, diese Ungerechtigkeiten abzuschaffen? Ja, da wird es Gewinner und Verlierer geben. Wer traut es sich zu, den heißen Kartoffel anzufassen? Noch scheint die Angst um die Wiederwahl vorzuherrschen, die Politiker lähmt. Angst, dass sich die Verlierer am Wahltag rächen würden. Dennoch ist es höchste Zeit dafür, den Reformstau aufzulösen.

Eine seltsame Groteske, die offenbar seit 1643 existiert, könnte damit auch ein Ende nehmen: Nämlich jene, dass der (inzwischen demokratisch gewählte) Innsbrucker Stadtrat einen Priester als Dompropst für die katholische Stadtpfarre vorschlagen muss. Geht’s noch?

Wer meint, dass damit die Spitze an Kuriosität erreicht ist, irrt. Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) stellte diesen Unsinn nicht endlich ab, sondern freute sich über die Entscheidung des eigenen Stadtratsgremiums zu Gunsten des neuen Dompropsts: Jakob Bürgler hat für die Öffnung der Spitalskirche als spirituellem Ort mitten in der Maria-Theresien-Straße gesorgt und damit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, Kirche moderner zu denken.

Was, so frage ich mich, hat die demokratische Innsbrucker Politik mit dem Personal des missbrauchsbelasteten, wissenschaftsfeindlichen und hochsubventionierten Glaubensvereins zu tun?

Und was bitte soll das bedeuten, wenn es durch offene Kirchentore (waren zuvor also verschlossen) möglich wurde, Kirche moderner zu denken?

Moderner wäre für mich nur, wenn man daran denkt, die beschriebenen Ungerechtigkeiten und noch viele mehr, die erst gar nicht aufgezählt wurden, endlich abzustellen!


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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Otto Riedling

    Ein anderes Kuriosum ist die Wahl des Pfarrers durch die Gemeinderäte von Niederndorf, Niederndorferberg und Rettenschöss.

  2. Isolde Jordan

    Ja, ich bin auch gegen Indoktrinierung, Privilegien, Machtmissbrauch, Fanatismus, patriarchale Strukturen undundund… auch für Ethikunterricht und Abschaffung antiquierter Regelungen/Strukturen.
    Aber – „neu“ denken und handeln, das geht nicht nur mit großen Schritten und Umwälzungen. Insofern seh ich in der Spitalskirche – und um die geht es u.a. im Artikel von Walter Plasil – sehr wohl ein Modell der Öffnung und Veränderung. Sie ist Spielraum für zeitgenössische Kunst und Musiker und Musikerinnen aller Genres, auch Literatur und Theater haben hier Platz. Hier wird vieles zugelassen und ausgehalten, die Mitarbeiter pflegen einen offenen Austausch, hier werkle ich gerne mit… Daneben ist sie ein Ort der Stille und des Gesprächs („Gesprächsoase“) und der Begegnung, barrierefrei und niederschwellig.

  3. c. h. huber

    im faktischen gebe ich dir recht, lieber walter, sollten deine angaben stimmen, und das nehme ich an. doch ist es eine illusion zu glauben, es gäbe keine kriege mehr, fielen religionen und damit die gründe dafür weg – religion wird oft nur vorgeschoben, um andere ziele zu verbergen. klar, damit lässt sich´s leichter aufhetzen!
    ob wir den umweg über die institution kirche in sachen finanzierung nehmen, im endeffekt bezahlen sowieso wir steuerzahler das ganze paket. auch die umwegrentabilität durch touristen, die sich die schönen kirchen usw. anschauen, wird bestimmt sinken, werden die gebäude nicht in vollem umfang auch im inneren erhalten bleiben. nur mit den mitteln der kirche und ihrer gläubigen wird das nicht gehen, denke ich. für sonstigen privilegienabbau bin ich natürlich.
    auch ich stehe jeglicher religion fern, allerdings kann auch wissenschaft zur religion werden, gebe ich zu bedenken, wenn man ausschließlich die als maßstab nimmt. und wie oft schon hat auch sie geirrt …!
    wir werden religionen nicht ausmerzen können, und ein grundwissen über unsere religiös-kulturellen wurzeln scheint mir grundsätzlich nicht schlecht zu sein, selbst wenn man selbst keiner kirche angehört. ich denke hierbei an den religionsunterricht in elementarschulen. allerdings – allgemeiner, qualifizierter ethikunterricht statt jener in religion sollte an allen schulen verpflichtend ab 10-14 jahren eingeführt werden. das wäre wesentlich wichtiger, schon allein als vorbeugung gegen hass-kriminalität im hinblick auf kinder, deren eltern eine in unseren augen andere, menschenfeindliche und antiquierte weltsicht pflegen.

    1. walter plasil

      Liebe Christine, vielen Dank für den Kommentar. Ja, denkmalgeschützte Gebäude sollen natürlich erhalten werden. Aber viele Kirchen sind gar nicht denkmalgeschützt, vor allem die neueren. Was die Wissenschaft angeht, steht sie doch der Religion diametral entgegen. Sie kann auch nicht selbst zur Religion werden. Sie kann auch nicht irren, weil sie nie die Wahrheit verkündet, sondern nur den aktuellen Wissensstand. Und wenn sich der ändert, ändert sich auch das, was die Wissenschaft zuvor gesagt hat.
      Ich bin ein Gegner von Religionsunterricht, vor allem dann, wenn er in Schulen stattfindet, und weil schon die kleinsten Kinder dadurch indoktriniert werden. Also muss Religion raus aus den Schulen. Menschen sollen sich aussuchen, ob und was sie glauben wollen. Kinder sind dafür noch nicht in der Lage. Deswegen bin ich für Ethikunterricht in allen Stufen, wenn dieser nicht wieder von Religionslehrern vorgetragen wird.
      Ich denke, dass Religionen nie – in keinem der weltweiten Konflikte – eine ausgleichende oder friedliche Haltung eingenommen haben. Meist sind sie mit den mächtigen Aggressoren und Unterdrückern im Bunde gewesen und tun das immer noch. Religionen sind wechselweise oft bis zur Todfeindschaft zueinander intolerant, also sehr gefährlich. Im Fall der Katholiken, auf die ich meinen Beitrag bezogen habe, kann man in Karlheinz Deschners Bücherreihe: „Die Kriminalgeschichte des Christentums“ alle Details dazu nachlesen. Deswegen ist eine Zurückdrängung der Religionen zugunsten der säkularen Gesellschaft eine Arbeit, die fortgeführt werden muss.
      Natürlich muss es Religiösen frei stehen, religiös zu sein und das zu tun, was sie dafür für notwendig halten. Aber sie sollen sich gefälligst ihre Religionskosten und ihr „Bodenpersonal“ selbst bezahlen. Wenn ich da an die vielen Millionen denke, die zur Hälfte die Religionsfreien bezahlen, und das auch noch Jahr für Jahr immer wieder …

    2. Helmut Schiestl

      Ja, das mit den Kirchen sehe ich ähnlich wie du, Christine. Obwohl ich atheistisch bin, gehe ich immer wieder gerne in sie hinein und sehe sie mir an. Auch wenn sie gar nicht besonders alt oder künstlerisch wertvoll sind, irgendeine „kleine Kostbarkeit“ hat fast jede Kirche oder jedes Kirchlein zu bieten, seien es eine besondere Darstellung einer bestimmten biblischen Szene oder Heiligenlegende etwa oder sonst irgendein interessantes architektonisches Detail. Ich denke, wenn man sie mal profaniert, sollte man sie vielleicht als soziale Begegnungsräume verwenden, als „Räume der Stille“ vielleicht, in die man geht, um einfach mal abzuschalten vom Lärm der Welt. Auch Kunstgalerien oder Kunsträume könnte ich mir als Verwendungszweck vorstellen. Konzerträume wären eine weitere Möglichkeit.

    3. Robert Muskat

      Man blicke in die Geschichte! Was war und ist Funktion der Religionen? Immer nur, neben der „STAATSMACHT“ ein zweites Machtinstrument zur Bevormundung der Menschen und zum Ausbau der eigenen Interessen! Woher stammen denn all die religiösen Prachtbauten? Aus der Ausbeutung des Volkes durch Zwangsabgaben! Was hört man zu all den aktuellen Konflikten? Der Goldkuttenpfaff Kyrill segnet den Putin dafür, dass er Frauen und Kinder in der Ukraine töten lässt, kein Baikeles- und Hutträger in Israel ruft den Netanjahu zu Menschlichkeit auf, die Religionen in Afrika verpflichten die Menschen nur dazu, sich zu bekleiden und massenhaft Kinder zu kriegen, keine amerikanische Religionsgruppe wendet sich gegen das allgemeine Waffentragen ab 5! Es hilft nur ein staatliches Verbot von religiöser Zuweisung von Babies und Kleinkindern, Stopp der Religionsunterrichte und Schluss mit allen religiösen Aufmärschen in der Öffentlichkeit! Religion hat PRIVATANGELEGENHEIT zu sein, ohne öffentliche Unterstützung und Subventionen.

  4. Reinhard Walcher

    Reinhard Walcher
    an den Literaten Walter Plasil

    Großartig, lieber Literat, dass dieses Thema einmal öffentlich angesprochen beziehungsweise angeschrieben wird. Zum Glück müssen wir uns nicht mehr vor dem Scheiterhaufen fürchten wie der neapolitanische Mönch und Priester Giordano Bruno. Dieser hatte gegensätzlich zur religiös-ideologischen Weltsicht der katholischen Kirche erkannt, dass sich die Erde um die Sonne bewegt, dass die Sterne Sonnen sind und es Planeten gibt u.v.m. Nach qualvollen Jahren im Kerker zwecks Umerziehung dieses genialen Geistes wurde er fast auf den Tag genau vor 424 Jahren am Scheiterhaufen verbrannt. 1 275 Jahre zuvor hatten die Bischöfe (von altgriechisch hoi episkopoi: die Aufseher) des Konzils von Nicäa das katholische Weltbild und den Glauben an die Himmelswesen verbindlich beschlossen, nicht ohne Arian, einen der ihren, der in der Frage der Trinität (Dreifaltigkeit) Gottes minimal anderer Meinung war, anzünden zu lassen. Die letzte Hexe wurde vor 231 Jahren verbrannt, und zwar nachdem sich vor rund 270 Jahren endlich die Aufklärung langsam, weil schwerstens bedroht, zu rühren begann. Eine furchtbare, rund 2000 Jahre währende Geschichte der Grausamkeit, Ignoranz und Selbstherrlichkeit eines Vereins mit sektenähnlichem Charakter mündete vor 91 Jahren schließlich in das zwischen Papst Pius XI. und dem österreichischen Bundeskanzler und Diktator Engelbert Dollfuß ausgehandelte Konkordat mit dem Vatikan. Darin sind die in Walter Plasils Essay beschriebenen Privilegien und Mitspracherechte der Bischöfe der katholischen Kirche festgeschrieben und bis zum heutigen Tag gültig. Zeit, mal was zu ändern, auch wenn Indoktrination (bei Kindern) schneller wirkt als Exdoktrination bei Erwachsenen.

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