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Erzwungene Aufklärung

Was lernen wir im Westen daraus, wenn sich eine um Milliarden hochgerüstete, 300.000 Mann starke Armee binnen weniger Tage in nichts auflöst und die Herrschaft einer Horde von ca. 90.000 wilden Kriegern überlässt? Es kann nur bedeuten, dass die Afghanen sich in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht von Fremden vorschreiben lassen wollen, wie sie zu leben und zu denken haben. Dies betrifft die Träume vom sowjetischen Arbeiterparadies ebenso wie jene der freien westlichen Welt.

Die Niederlage des Westens in Afghanistan ist nicht nur eine menschliche Tragödie, vor allem für die sogenannten Ortskräfte, die sich von unseren Werten überzeugen ließen und als „Verräter“ um ihr Leben fürchten. Es ist vor allem eine Niederlage für eine offenbar immer noch viel zu kolonialistische Ansicht, dass es zu der von der Aufklärung geprägten, auf den Erkenntnissen der Wissenschaften und den Errungenschaften von Menschenrechten und Demokratie basierenden Lebensweise keine Alternative gibt.

Offenbar gibt es sie, auch wenn sie uns angesichts gelebter Steinzeit und Scharia unbegreiflich erscheint. In unserem missionarischen Eifer haben wir offenbar etwas Entscheidendes vergessen: Die Aufklärung, die Fähigkeit also, sich unabhängig von anderen seines Verstandes zu bedienen, kann nur aus dem Inneren jedes und jeder Einzelnen heraus kommen und nie unter Verleugnung der eigenen Kultur von außen verordnet werden.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Otto Caramelle

    Lieber Herr Schöpf !
    GRATULATION zu Ihrem Artikel in der heutigen Samstagzeitung ! Ich lese regelmäßig Ihre Beiträge – der heutige hat mir besonders gefallen. Bin der gleichen Meinung, bitte schreiben Sie weiter so!

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