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Die wahre Partykultur

Wenn man hohe moralische Ansprüche stellt, so hat man sie, zumindest wenn es nach dem Philosophen Immanuel Kant und seinem kategorischen Imperativ geht, auch selbst zu erfüllen. Insofern muten die derzeitig aktuellen und immer wieder im Brustton der moralischen Überlegenheit vorgebrachten Bekenntnisse, dem Partytourismus à la Ischgl den Garaus machen zu wollen, reichlich eigenartig an.

Als dem Blasmusikantentum Verfallener hatte ich nämlich schon viel zu oft die Gelegenheit, streng in der Tiroler Tradition verankerte Zeltfeste besuchen zu müssen. Die Folge war komplette Heiserkeit, da man sich ob der Lautstärke der Musik nur brüllend unterhalten konnte. Die Folge waren aber auch, nicht nur bei mir, sondern zeitgleich bei meinen Nachbarn am Tisch, quellende Fieberblasen nach dem Trunk aus mangelhaft geputzten Biergläsern. Ganz abgesehen davon, dass man nach 22:00 Uhr besser die Schnapsbar vermied, um trotz friedlichsten Verhaltens nicht in eine Schlägerei verwickelt zu werden. Über die Toilettenanlagen wollen wir überhaupt schweigen!

Den wahren Party-Tourismus leben sich die Tiroler schon selbst vor. Und es schaut nicht so aus, als ob sich daran etwas ändern würde. Insofern wäre es durchaus empfehlenswert, wenn sich unsere obersten Trachtenträger im Hinblick auf ihren gegenüber dem Tourismus erhobenen Zeigefinger in selbstreflexiver Bescheidenheit etwas zurückhalten würden.

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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