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Der Kunde ist König.

Das Publikum ist oft sehr nachsichtig, was ihm leider oft als Dummheit ausgelegt wird. Und die meisten Phänomene in der Welt entwickeln sich, auch in der Kultur, nicht allmählich, sondern sind plötzlich da. Wenn daher in den letzten Tagen davon die Rede war, dass den Kultureinrichtungen – vom Konzertbetrieb über das Theater bis zum Kino – das Publikum abgeht, ist es etwas zu billig, wenn vonseiten der Kulturschaffenden von Neo-Biedermeier gesprochen wird.

Vielleicht hat das Publikum die Quarantänezeiten der Corona-Pandemie nämlich dazu genützt, um sich zu fragen: Brauchen wir eigentlich die immer gleichen mittelmäßigen Orchester mit den immer gleich mittelmäßig gespielten Stücken wirklich? Brauchen wir eine zeitgenössische Musik, deren Komponisten einen depressiven Schub bekommen, wenn ihnen eine Harmonie auskommt? Brauchen wir die moralistischen Ideen von Regisseuren, die sich hinter verhunzten Klassikern oder absurden Textflächen verstecken, um uns zu belehren, dass wir Nazis oder zumindest Spießer sind? Und ist ein Kinobesuch wirklich sinnvoll, wenn neben öden Zeichentrickfilmen Amerika fast nur noch industriell gefertigte Blockbuster und Europa Problemfilme liefert, aus deren schräger Handlungsführung die Subventionsquellen ablesbar sind?

So bequem es manchmal auch anders wäre: Zuletzt gilt, zumindest bei uns im kapitalistischen Westen, immer noch das Gesetz: Der Kunde ist König!

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Roman Schrittwieser

    Lieber Herr Schöpf!
    Mit Ihrem Leitartikel in der Samstags-TT vom 6.11.2021 sprechen Sie mir wieder einmal aus der Seele! Und ich möchte Ihre Argumentation noch auf einen anderen Bereich erweitern, nämlich viele oder sogar die meisten „modernen“ Operninszenierungen, die ich zumindest grauenhaft und total verblödet finde (entschuldigen Sie bitte den harten Ausdruck!) und die wohl nur der Selbstverwirklichung der Regisseure dienen:
    1.) In der neuen Inszenierung der Oper „Parsifal“ von Richard Wagner an der Wiener Staatsoper hält Kundry Parsifal eine Pistole an die Schläfe! Bei dieser Oper geht es bitte um die Gralslegende, die im frühen Mittelalter spielt!
    2.) In einer Neuinszenierung der Oper Lohengrin von Richard Wagner in Erl tritt im letzten Akt Ortrud mit einer Kettensäge auf! Auch diese Oper spielt im Mittelalter!
    3.) Wenn ich mit recht erinnere, gab es da vor einiger Zeit auch eine Neuinszenierung der Oper Carmen von George Bizet an der Wiener Staatsoper, in der sich Carmen und Don José auf der Motorhaube eines Cadillacs wälzen und wo das Ende der Oper dann total verändert wird!
    In einem früheren Text habe ich zu diesem Thema einmal folgendes geschrieben – gestatten Sie mir bitte, dies hier auch anzufügen:

    Die Tendenz, klassische Schauspiele oder Opern in modernen Kostümen und Bühnenbildern aufzuführen, um damit um jeden Preis einen Bezug zur Gegenwart herzustellen und damit den Zuschauern einzubläuen, wie wichtig und bedeutsam zum Beispiel die Handlung des Ringes der Nibelungen von Richard Wagner für ihr persönliches Leben ist, finde ich im höchsten Maße widerlich. Die wahre Qualität eines Romans, eines Schauspiels oder einer Oper und die eventuelle persönliche Relevanz der Handlung für einen Leser oder Zuhörer zeigt sich auch dann, wenn die Geschichte so aufgeführt oder so verfilmt wird, wie sie geschrieben und vom Autor gemeint war. Die Naivität eines Siegfried, die Schwäche eines Gunther, die Bosheit eines Hagen wirken auch dann tief auf den Zuschauer, wenn die Götterdämmerung genau nach den Regieanweisungen Wagners aufgeführt wird, und wir erkennen die eventuelle Ähnlichkeit mit uns bekannten Personen auch dann, wenn Siegfried nicht als Bauernbub, und Gunther und Hagen nicht als Industriemanager im Frack auftreten. Die sogenannte Selbstverwirklichung der „berühmten“ Regisseure derartiger Machwerke stellt in Wahrheit keine Kunst dar, sondern eine tiefe Missachtung des Schöpfers der ursprünglichen Werke. Kein Mensch würde es wagen, auch nur eine Note zum Beispiel von Wagners Musik zu ändern, im Gegenteil, es wird heutzutage versucht, alte Musikwerke so werkgetreu wie möglich aufzuführen, teilweise unter Verwendung von alten Musikinstrumenten. Was aber die teilweise ebenso peinlich genauen Regieanweisungen der Opernkomponisten angeht, da wagen heutige Regisseure die abenteuerlichsten Auslegungen und Privatmeinungen, und verändern Kunstwerke oft bis zur Unkenntlichkeit.

  2. Josef R. Steinbacher

    Grüß Dich lieber Alois Schöpf!
    Mit Deiner heutigen Glosse diagnostizierst Du den Zustand unserer ‚modernen‘ Gesellschaft haarscharf. Der Begriff ‚Qualität‘ ist von der Einstellung her schon längst in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen von „mehr“ und „billig“ abgelöst worden. Das Ergebnis ist ein schlechtes Überangebot auf Kosten der Anderen und schließlich auch unserer Umwelt.
    Erstrebenswert ist nicht die Qualitätsverbesserung in allen Entwicklungen, sondern die Leistungssteigerung unter absoluter Vernachlässigung der Qualität. Wir haben alle den schnellen und möglichst billigen ‚Fortschritt‘ als das Ziel unseres Seins ganz oben angesetzt, und dabei die unendliche Steigerungsfähigkeit an Lebens-Qualität auf unserer wunderbaren Erde aus dem Verstand und aus den Augen und Ohren verloren. Und dabei sogar unsere Seelen verkauft. Erkennen wir das MENETEKEL?
    Schöner Gruß aus Kundl!

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