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Thomas Nußbaumer:
Fabelhafter Start in die neue Saison
Das 1. Symphoniekonzert des TSOI
am 19.10. und 20.10.2023 im Congress Innsbruck

Jubilierendes Tiroler Symphonieorchester Innsbruck Jubilierendes Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Man feierte sein eigenes 130-jähriges Bestehen mit Werken von Rossini und Brahms, die schon 1893 beim Gründungskonzert gespielt worden waren, der Ballettmusik Lux Umbra des zeitgenössischen Tiroler Komponisten Christof Dienz und Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 in e-Moll (op. 95) Aus der Neuen Welt, die im Gründungsjahr des Orchesters in New York uraufgeführt wurde. 

Brillant am Pult: die aus Bulgarien stammende Dirigentin Delyana Lazarova.

Die brillante Gastdirigentin Delyana Lazarova Die brillante Gastdirigentin Delyana Lazarova

Eröffnet wurde das Konzert mit Festreden. Isabel Biederleitner, die neue Orchesterleiterin, stellte sich vor und erinnerte daran, dass sich das heutige Tiroler Symphonieorchester Innsbruck seit seiner Gründung personell verdreifacht hat und Musiker und Musikerinnen aus zahlreichen Nationen vereint. 

Gedacht wurde auch des Orchestergründers Martin Spörr (1866–1937), dessen Dirigentenkoffer ausgerechnet vom ehemaligen TSOI-Fagottisten Marcus Mann in einem Antiquariat entdeckt wurde. Bürgermeister Georg Willi vermittelte eine Einführung in Dvořáks Sinfonie Nr. 9 und Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann allgemeine Gedanken zu Symphonieorchestern.

Dann aber ging es los: Zunächst mit der Guillaume Tell-Ouvertüre, einem musikalischen Bildnis der Schweizer Alpen aus Gioachino Rossinis Vorstellungswelt. Fünf Solocelli und Kontrabässe grübeln im Morgengrauen, ein Alpen-(Föhn-)Sturm wirbelt auf, irgendwo bläst ein Senn ein idyllisches Hirtenlied – und schließlich dann der berühmte, im Blech strahlende Marsch-Galopp, ein wahrer Husarenritt. 

Unter Delyana Lazarovas präziser und dynamischer Leitung stellte sich vom ersten Moment an jene Spielfreude ein, die man von diesem Orchester gewohnt ist, und setzte sich fort in der mitreißenden Wiedergabe von Johannes Brahms’ Ungarischem Tanz Nr. 5.

Lorenz Raab (Trompete) bei Christof Dienz’ Lux Umbra Die Hornisten bei Christof Dienz’ Lux Umbra

Die erste große Herausforderung des Abends war die Interpretation von Christof Dienz’ großartiger Ballettmusik Lux Umbra, ein Werk der Gegensätze, wie dem Titel Licht Schatten zu entnehmen ist, und durchwaltet von feinziselierter, streckenweise obsessiver Motorik, eine Musik in fünf Bildern, die Dienz im Vorjahr im Auftrag des Wiener Staatsballetts zu einer Choreographie von Andrey Kaydanovskiy komponiert hat. 

Oszillierende Klänge, Streicher-Pizzicati gemischt mit stampfenden Bläserrhythmen und engräumige rasend-schnelle Klanggirlanden, wobei das Schlagwerk in seiner Klangfarbenvielfalt stark im Einsatz ist, wechseln mit Klangflächen im dritten Bild und tiefenentspanntem Flow im Schlussbild. 

Eine Besonderheit des Werks ist die Funktion eines kleinen Concertinos aus Trompete und Elektronik (Lorenz Raab), E-Gitarre (Robert Pockfuß) und E-Bass (Manu Mayr), das sich mit dem Orchester-Sound mischt und ab und zu jazznahe Klänge einbringt. Für faszinierende Lichtblicke sorgte der Trompeter Lorenz Raab, insbesondere in dem weitgehend mit muted trumpet zu spielenden dritten Bild: Klänge wie aus weiter Entfernung, die aber am Ende in einem extrem dichten orchestralen Klang-Kraftfeld aufgehen.

Streicher*innen des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck Streicher*innen des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Welch schöne Idee, Dvořáks Sinfonie Nr. 9 Aus der Neuen Welt, deren Uraufführung in New York ein sehr bedeutendes Ereignis des Musikjahres 1893 darstellte, im zweiten Teil des Abends zu spielen! 

Und hier entfaltete sich nicht nur das Orchester in seiner Akkuratesse, Klangbalance und Meisterschaft in allen Registern, sondern zeigte einmal mehr die großartige Dirigentin Lazarova auf, was Schlagtechnik, Übersicht und Gestaltung auf höchstem Niveau bedeuten. 

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck mit Delyana Lazarova Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck mit Delyana Lazarova

In den Ecksätzen und im Scherzo legt sie Wert auf Virtuosität und vorwärtsstrebende Tempi, aber auch auf den organischen Fluss der Übergänge in durchführungsartigen Passagen und dann, wenn Tempo herausgenommen oder forciert werden muss. Lazarova ist eigentlich eine Meisterin der Übergänge, und wer jemals Musik gemacht hat, weiß um deren zentrale Bedeutung für eine musikalische Aufführung. 

Dem Orchester und vor allem seinen Solistinnen und Solisten, die nicht nur im hymnisch musizierten zweiten Satz mit dessen exotistischen, indigenen Anklängen, sondern dank Dvořáks Vielfalt der Orchestrierung durchgehend hervortreten konnten, gebührt ein großes Pauschallob.

Das Konzert wird heute am Freitag, den 20. Oktober 2023, wiederholt.

Fotos: © Chó/wefeel.art


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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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