Thomas Nußbaumer:
Das 6. Symphoniekonzert
des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
stand unter dem Motto
"musikalische Städtebilder".

Musikalische Städtebilder bzw. New York und Prag standen im Mittelpunkt des sechsten Konzerts des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, wobei mit George Gershwins Klavierkonzert in F-Dur (New York Concerto), den Records from a Vanishing City der New Yorkerin Jessie Montgomery und Wolfgang Amadé Mozarts Prager Sinfonie in D-Dur (KV 504) ein äußerst ansprechendes Programm zusammengestellt wurde.

Anton Gerzenberg spielt Gershwin © Chó/wefeel.art Anton Gerzenberg spielt Gershwin © Chó/wefeel.art

Für Begeisterung sorgte der Auftritt des fabelhaften jungen deutschen Pianisten Anton Gerzenberg, und auch die südkoreanische Gastdirigentin Holly Hyun Choe hinterließ einen sehr guten Eindruck.

Schon nach wenigen Takten Gershwin, dessen New York Concerto von 1925 mit markanten Paukenschlägen beginnt, stellte sich jene Musizierfreudigkeit ein, die den Funken überspringen lässt. Mit Anton Gerzenberg (*1996) präsentierte sich ein Klaviervirtuose, der Gershwins vertrackte Melodiegirlanden und rhythmische Motorik mit souveräner Gelassenheit ausbreitet und zugleich jenen jazzigen Drive erweckt, der dem Werk innewohnt. 

Das Orchester gratuliert dem Klaviervirtuosen Anton Gerzenberg © Chó/wefeel.art Das Orchester gratuliert dem Klaviervirtuosen Anton Gerzenberg © Chó/wefeel.art

Gershwin setzte in seinem Klavierkonzert, dessen Ähnlichkeit mit der erst ein Jahr zuvor uraufgeführten Rhapsody in Blue unüberhörbar ist, auf Jazzharmonik und Bluesreminiszenzen, was für das bürgerliche (weiße) Konzertpublikum der 1920er Jahre selbst in New York ein kühnes Novum darstellte. Aber inmitten der Rhythmen-Orgien, vor allem in den Ecksätzen, kulminiert Gershwins Musikalität immer wieder in erstaunlich lyrischen, klangfarbenreichen Passagen und der Mittelsatz ist ein einziges Gedicht. 

Auch hier gelang es Gerzenberg mit seinem brillanten, klaren und formvollendet runden Anschlag stets den richtigen Ton, die richtige schwebende Balance zu finden. Insgesamt vermochte er seinen Drive auf das Orchester, das von der Gastdirigentin Holly Hyun Choe prägnant angeleitet wurde, zu übertragen, wobei ihm insbesondere die Bläser-Sektion enthusiastisch folgte. 

Mit einer hinreißenden Wiedergabe von Fritz Kreislers Liebesleid in der Transkription von Sergei Rachmaninow verabschiedete sich der Pianist und man wünscht sich ein Wiedersehen.

In Jessie Montgomerys Records from a Vanishing City, entstanden 2016, wurde im Anschluss an Gershwin ein zeitgemäßes New York-Städtebild vermittelt, das von kultureller Diversität und Heterogenität geprägt wird. Dementsprechend vielfältig ist das musikalische Material, das in diesem spannenden Werk ineinander verwoben wird: choralartige Passagen, Rhythmik à la Bartók, ferne Anklänge an Miles Davis (unter Verwendung von Trumpet Mutes), fantasiereiche Orchesterklangmischungen und auch ein angolanisches Wiegenlied. 

Holly Hyun Choe am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck © Chó/wefeel.art Holly Hyun Choe am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
© Chó/wefeel.art

Das Adjektiv vanishing (verschwindend) im Titel bezieht sich auf den grandiosen Schlussteil des Stücks, wo Klänge sich bildhaft auflösen und förmlich entschwinden. Wie dem Internet zu entnehmen ist, hat Holly Hyun Choe dieses Werk auch andernorts schon dirigiert, weshalb sie ihre große Kompetenz für diese Musik mit Gewinn für alle einbringen konnte. Das Orchester beeindruckte einmal mehr durch orchestrale Klangbalance und höchst beachtliche solistische Leistungen.

Mit Drive endete das sechste Symphoniekonzert so, wie es begonnen hatte. Man erlebte eine inspirierende, dramaturgisch hervorragend gestaltete Aufführung von Mozarts Prager-Sinfonie mit raschen, jedoch sehr gut gewählten Tempi in den Ecksätzen und einem poetisch musizierten Andante-Satz. 

Selbst in den rasanten Binnendialogen des Presto-Satzes blieb der Orchesterklang transparent und schwebend. Das musizierende Kollektiv unter der klar strukturierenden Leitung der Dirigentin punktete aber auch erneut durch berührende solistische Einzelleistungen.

Das sechste Symphoniekonzert des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck wird heute, am Freitag, den 19. April, um 20.00 Uhr im Congress Innsbruck wiederholt.

 



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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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