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Thomas Nußbaumer bespricht:
7. Symphoniekonzert
des Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI)

Das 7. Symphoniekonzert des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck bot überwiegend ein Programm, das – um mit Leopold Mozart zu sprechen – „die langen Ohren kitzelt“, also populäre Orchesterstücke und Populäres im Sinne von originellen, auf „Traditionals“ beruhenden Bearbeitungen umfasste. Der Schwerpunkt lag auf spanischer Musik mit französischen Assoziationen und französischer Musik über spanische Genres.

Um Werke von Manuel de Falla, Maurice Ravel und Jules Massenet sowie Jorge Arribas und Diego Galaz – von beiden Letzteren wird gleich die Rede sein – adäquat umsetzen zu können, holte man mit Adrien Perruchon einen französischen Gastdirigenten mit großer Repertoirebreite und Kenntnis auch spanischer Orchestermusik.

Der erste Teil des Abends gehörte aber den Spaniern Jorge Arribas und Diego Galaz, zwei Erzmusikanten, die sich als Duo „Fetén Fetén“ nennen und tendenziell für Partystimmung sorgen.

Jorge Arribas (Akkordeon) Jorge Arribas (Akkordeon)

Arribas Hauptinstrument ist das Akkordeon, während man Galaz als Primgeiger bezeichnen kann. Beide waren Mitglieder der legendären Gruppe „La Musgaña“, die neue, vitale Zugänge zur Volksmusik der iberischen Halbinsel schuf und auch Objekte und Arbeitsgeräte als Klangkörper „instrumentalisierte“.

Und so zählen zum Instrumentarium des Duos nicht bloß Geige und Akkordeon, sondern auch die „Singende Säge“, die „Strohvioline“, die „Campinghocker-Flöte“, die „Besenflöte“, Löffel und Pfanne, Löffelspiel (auch hierzulande beliebt) und die Drehleier.

Diego Galaz (Löffel und Pfanne) Diego Galaz (Löffel und Pfanne)

Die beiden bieten aber nicht bloß spanische „traditional tunes“ vermixt mit Tanzmodellen wie Pasodoble oder Foxtrot, sondern betreiben auch Musikkabarett, etwa indem sie den Schmachtfetzen „La valse d’Amélie“ als „Vals para Amelia“ auf Singender Säge bis zur Unkenntlichkeit rauf- und runterheulen. Originell ist auch die Idee, derartige Instrumente mit Symphonieorchester-Sound zu verbinden, und da spürte man schon die musikantische Freude der Damen und Herren des Tiroler Symphonieorchesters, sich beherzt auf ungewöhnliche musikalische Steilvorlagen einzulassen.

Die beiden Solisten glänzten überdies durch polyrhythmisches Können und Improvisation – auch dies eine Herausforderung für ein nach Noten spielendes Orchester, das vom Dirigenten Perruchon gut und präzis angeleitet wurde.

Jorge Arribas (Besenflöte) Jorge Arribas (Besenflöte)

Nach der Pause folgte zunächst „El sombrero de tres picos“, Suite Nr. 1, eine Ballettmusik des Andalusiers Manuel de Falla (1876–1946), der insbesondere für die Gitarre unsterbliche Musik schuf und daneben den Flamenco förderte, indem er zusammen mit dem Dichter Garcia Lorca 1922 in Granada den ersten „Concurso del cante jondo“ organisierte.

De Falla lebte auch einige Zeit in Paris, wo er zusammen mit dem genialen Impresario Sergej Diaghilew und Pablo Picasso die Pantomime „El corregidor y la molinera“ (Der Provinzstatthalter und die Müllerin) und somit den Vorläufer des „Sombrero de tres picos“ auf die Bühne brachte. Das Orchester spielte das Stück, das sich um die schöne Müllerin und ihren Verehrer dreht, mit Inspiration und Temperament, schöpfte aus der Fülle der orchestralen Klangwellen und erzeugte Momente intensiven, glühenden Musizierens.

Diego Galaz (Violine), Adrien Perruchon (Dirigent), Musikerinnen und Musiker des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck Diego Galaz (Violine), Adrien Perruchon (Dirigent), Musikerinnen und Musiker des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Danach hätte man sich weiterhin diese Qualität gewünscht, nicht nur hinsichtlich der Konzentration beim Spiel, sondern auch der Programmwahl. Denn der klanglich etwas unbalanciert vorgetragenen Orchesterfassung von Maurice Ravels „Pavane pour une infante défunte“ – zweifellos ein Ohrwurm der Musikgeschichte, an diesem Abend aber ein Ohrwurm zu viel – folgte mit Jules Massenets Ballettmusik aus „Le Cid“ plakatives „Tschingderassabum“, dessen Teile „Castillane“, „Andalouse“, „Aragonaise“, „Aubade“, „Catalane“ usw. zwar perfekt zur gewählten Thematik passen, aber weitgehend Tiefe vermissen lassen, weshalb man sich im Verlaufe des Finales langsam nach dem Schlussapplaus zu sehnen begann.

Thomas Nußbaumer

Copyright der hier abgebildeten Fotos: © Chó, wefeel.art



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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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