Ronald Weinberger
Nehmen Sie’s mit Humor!
Ein Plädoyer für heitere Gelassenheit


„Humor schon am Morgen mildert manch‘ Sorgen“. Mit diesem überaus bekannten Sprüchlein – von dem Sie freilich noch nie gehört haben, da ich es höchstselbst und noch dazu unlängst erfunden habe – will ich beginnen.

Ihnen fällt selbstverfreilich, beinahe zwangsläufig ein gänzlich unbekanntes Pendant dazu ein, nämlich „Morgenstund hat Gold im Mund“. Letzteres ist indes nicht ausnehmend witzig, da sich unter anderem der Homo sapiens dadurch auszeichnet, zur Morgenstund – soll heißen, unmittelbar nach dem Aufstehen – oftmals ein Gerüchlein abzusondern, das den Ausdruck „goldig“ schwerlich verdient… Aber Schluss jetzt mit dem Anführen dieser Art von Evaporation, denn wie  sollte sich dabei die im Titel eingemahnte heitere Gelassenheit einstellen?

Kurz mal ernst. Dass es einer Anzahl Menschen deswegen an Humor und Gelassenheit fehlt, ja fehlen muss, weil persönliche Schicksalsschläge wegzustecken sind, bedarf keiner näheren Erläuterung. Denen wünsche ich aus ganzem Herzen Stärke sowie Ausdauer und eine nachhaltige Besserung ihrer Situation.

Nach dieser Kurzexkursion ins Seriöse widme ich mich den leider allzu zahlreichen Gruppen bzw. Institutionen von homines sapientes, die ihre Ablehnung gegenüber jeglichem Hang zum Leichtnehmen des Seins, ihren Pessimismus, ihre misanthropische Grundeinstellung wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Dazu fällt mir ein: Haben Sie den Roman „Im Namen der Rose“ gelesen oder/und den Film gleichen Namens gesehen? Dort bekundet ein alter Mönch seinen Abscheu vor dem Lachen, denn nur die Angst vor dem Teufel könne die Menschen am gottgefälligen, rechten Weg halten, während das Lachen ein Merkmal menschlicher Sündhaftigkeit sei und noch dazu die Gesichtszüge aufs Hässlichste entgleisen ließe.

Apropos Mönche und Teufel samt Genossen. Humor wird vermutlich praktiziert und geschätzt, seit Menschen existieren – und es wurden mehr als nur geringfügige Anzeichen dafür beobachtet, dass selbst manche Tiere einen solchen, zumindest ansatzweise, besitzen.

Dem Säugetier „Mensch“ indes blieb es vorbehalten, Humor auch immer wieder einmal zu verbieten oder zumindest als unerwünscht anzusehen. Die katholische Kirche hatte sich dereinst dabei besonders hervorgetan, und der oben erwähnte Roman/Film bezog sich auf durchaus reale Sachverhalte.

Überhaupt scheinen Religionen jedweder Art nicht eben ein Naheverhältnis zum Humor aufzuweisen. Selbst die Aufklärung war in dieser Hinsicht keine Ausnahme, denn auch sie, an ihrem Beginn zumindest, erkor den Humor zum Feindbild. Ich las, er sei als Vergehen gegen Logik und Ernsthaftigkeit aufgefasst worden – und in der französischen Nationalversammlung sei Lachen zunächst verboten gewesen. Wer riskierte schon gerne seinen Hals? Da sollte das Lachen besser in selbigem stecken bleiben.


Springen wir in die Gegenwart!

Heutzutage, in unseren ach so liberalen Demokratien, in denen Meinungsfreiheit nach den Wortmeldungen vieler politischer Hochoberen geradezu grassiert, müsste doch auch der Humor fröhliche Urständ feiern (dürfen). Wenn man sich z.B. die nicht eben wenigen Kabarett- und Comedysendungen in deutschsprachigen Fernsehkanälen und Verschriftlichtes vor Augen führt, tut er dies auch. Es muss aber der richtige, der korrekte Humor sein! In anderen Worten: Er ist wachsenden Einschränkungen unterworfen. Seit einigen Jahren mit kräftig zunehmender Tendenz.

Dämmert erneut eine Zeit herauf, in der es dem Humor an den Kragen geht? Ich bin dezidiert der Meinung: jawohl! Ja, weil eine ganze Reihe von Spielarten des Humors auf dem von diversen sich moralisch erhaben wähnenden Zeitgenossen (und-innen!) errichteten Altar (beinahe hätte ich geschrieben: Schafott) geopfert wird.

Einige fiktive Beispiele gefällig? Stellen Sie sich vor, in einer TV-Sendung würde ein Witz vorgebracht, der mit folgenden Worten beginnt: „Kommt ein Mohr in eine Apotheke …“. Oder in einer Zeitung wäre zu lesen: „Eine vollbusige Blondine trifft eine flachbrüstige Schwarze und flüstert …“. Ein vielstimmiges Geheul wäre die Folge. Rassistisch sei das! Sexismus der übelsten Sorte! Die Verursacher dieser so unendlich schrecklichen Worte würden stante pede auf eine sehr radikale Weise gemaßregelt, müssten sich wortreich und mehrfach entschuldigen, und würden – falls möglich – dennoch entlassen. Das Recht auf freie (Meinungs)Äußerung lässt lachend (?) grüßen.

Käme es hingegen zu einem Witz, der mit den Worten „Treffen sich drei alte weiße Männer mit Vollglatze und klagen über …“ begänne, so wäre das ein Einstand, der bei den eben erwähnten Moralapostel*Innen flugs eine Aktivierung der Grinsemuskeln zeitigen dürfte.

Wieso kommt mir just jetzt der Leibhaftige in den Sinn? Nun, an einen Teufel glauben heutzutage die wenigsten, aber man kann zuweilen den Eindruck gewinnen, dass manche Menschen ihm geografisch näherkommen möchten, da sie „zum Lachen in den Keller gehen“. Die will ich ab nun links liegen und im Keller verweilen lassen, da sie sich dadurch zum Teil lachhaft benehmen oder aus irgendwelchen Gründen ein Humordefizit haben.


Schmunzeln und Lächeln

Und weil wir gerade beim Lachen bzw. Nicht-Lachen sind: Weshalb wird, wenn von Humor die Rede ist, eigentlich fast immer nur von dieser akustischen Heiterkeits-Äußerung geredet und geschrieben? Was ist mit dem Schmunzeln? Dem Lächeln? Dem (nicht verächtlichen) Grinsen? Der inneren Heiterkeit, die sich weder optisch noch akustisch äußert, indes oftmals zu wohliger Entspanntheit führt?

Oder, um das andere Ende der Fahnenstange zu betrachten: Ist denn das vielbeschworene Lachen nicht nur eine mittelgradige Reaktion? Ich kenne Situationen, in denen es zum wiehernden Lachbrüllen kommt, zum Auf-die-Schenkel-klopfen – und, glücklicherweise nur selten, sogar zum IdHwi- bzw. IdUhtrö-Syndrom. Wie, Sie kennen dieses Syndrom nicht? Nur für Sie, ganz im Vertrauen: Das erstere ist das „In-das-Höschen-wischeln“ und das zweitere das „In-die Unterhose-tröpfeln“. Ob mir das bereits passiert sei, wollen Sie wissen? Ich antworte lohengrin(s)isch: „Nie sollst du mich befragen …“

Mander (und Weiberleut), s’isch Zeit, sich der Humorerei ein wenig strukturierter zu nähern. In der anerkannten, außerordentlich häufig benutzten und vor allem fast immer aktuellen Internet-Enzyklopädie Wikipedia ist unter dem Begriff „Humor“ Folgendes im allerersten Satz zu lesen: „Humor ist die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.“

Da habe ich freilich einen Einwand und der hat mit der obigen „Begabung“ zu tun. Wie letztere definiert wird, kann man erneut Wikipedia entnehmen: „Mit Begabung oder Talent wird ein Aspekt bezeichnet, welcher zu besonderer Leistungsfähigkeit einer Person auf einem bestimmten Gebiet beiträgt.“

Aber hallo, all das bezieht sich doch eher auf eine Person, die Humor hat bzw. selbigen verbreitet. Was ist mit der überaus großen Anzahl von Leuten, die (nur) über einen passiven Humor verfügen, also dankbare Zuseher, Zuhörer oder Leser sind? Die erst dann, während so einer Tätigkeit, merken, dass es ihnen gefällt? Hier von Begabung zu sprechen scheint mir zu weit hergeholt.


Humor und Gesundheit

Zurück zum Wikipedia-Beitrag über Humor. Er ist nützlich, da er informativ aufzeigt, ob und wie man eine Abgrenzung von Humor zur Ironie und zum Spott, Zynismus und Witz vornehmen kann und soll. Auch, woher der Ausdruck „Humor“ kommt, welche theoretischen Ansätze zu ihm aus wissenschaftlicher, psychologischer und sozialer Sicht existieren, welche Funktionsweise und Struktur er aufweist, welche Erscheinungsformen er hat und einiges andere mehr. Kann ich Ihnen empfehlen.

Meines Erachtens ebenso interessant, vermutlich sogar noch mehr Eindruck schindend, ist ein Beitrag, dessen Internetadresse ich hier ganz an das Ende meiner Ausführungen platziert habe. Er ist betitelt mit „Humor, Gesundheit, Erfolg und Clownerie“. In ihm wird näher dargelegt, was in dessen ersten Satz zusammengefasst ist: „Das Lachen und der Humor sind mit die ältesten Heilmittel der Welt.“

Etwas später heißt es: „Humor und Lachen sind in der Lage, über die körpereigene Glückshormon-Produktion, der Endomorphine, die Stresshormone … im Blut zu senken und die Bildung von immunstärkenden Zellen anzuregen …“. Ich kondensiere es auf wenige Worte: Humor dient der Gesundheit!

Ich, ein bald 74 Lenze absolviert habender und mithin beinahe mümmelgreisiger nach Sauer- und Stickstoff Hechelnder, will ja nicht behaupten, dass meine bisher weitgehend intakt erscheinende Gesundheit auf den Konsum ziemlich vieler humorvoller Werke zurückzuführen ist, aber: vielleicht doch ein bisserl? Ich will Sie nun nicht damit belästigen, in einem (sowieso winzigen) Ausmaß das aufzuzählen, was mir besonders gefallen hat.

Also kein Wort darüber, dass sich bei der Erinnerung an Karl Farkas‘ Wortspiele auch heute noch ein Lächeln in mein faltiges Gesicht stiehlt. Dass ich bei der bis vor wenigen Jahren im BR-Fernsehen ausgestrahlten (und auch gegenwärtig noch auszugsweise gesendeten) Serie „Die Komiker“ schier zahllose Papiertaschentücher mit Lachtränen vollgetrentzt habe, wird Sie ebenso einen feuchten Kehricht kümmern, weshalb ich es nicht erwähne.

Ob ich nun den einst grandios herumhopsenden und Wortwitze sonder Zahl emittierenden Otto Waalkes geradezu geliebt, den Loriot bewundert, den Willy Astor beneidet, den Viktor Gernot begrinst, den Alf Poier belächelt, die Lisa Eckhart bestaunt und schier zahllose andere Größen in Sachen Humor be-irgendwas habe, geht Ihnen sicherlich ebenso am verlängerten Rücken vorbei und wird daher von mir Ihnen gegenüber unterschlagen. Die viiielen Witzbücher, dann die umwerfend geistreichen, mit oftmals schwarzem Humor gesättigten Reime + Zeichnungen eines Wilhelm Busch, die herrlich komischen Gedichte eines Robert Gernhardt und etliches mehr, was ich verschlungen habe … auch das will ich Ihnen gegenüber nicht einmal andeuten.

Zudem will ich Ihnen gänzlich verschweigen, dass ich mit meinem Mitte Februar 2022 erschienenen, 116 Seiten langen und mit 9,90 Euro schleuderpreisigen Buch namens „Irrlichternde Gedichte“ (Verlag Hannes Hofinger) selbst auf dem Gebiet des – dezidiert skurrilen, dadaistisch angehauchten – Humors wildere. War nicht mein erster lyrischer Sündenfall dieser Art. Also: kein Wort darüber, Ehrenwort!


Humorloser Humor

Was ich Ihnen aber nicht vorenthalten will, sind die Arten des Humors, denen ich mich ganz und gar verschließe: Es ist vor allem das politische Kabarett, da es so gut wie nur eine ideologische Richtung verspottet (zumindest in Deutschland), kurzum bis in die Haarspitzen „linksversifft“ ist, und die m. E. primitiven, derben, „Kabarett-“ oder „Comedy-“ Darbietungen, in denen sich ein „Unterhalter“ aufs Gemächt greift, dieses hochlupft und Sätze absondert, die in ein Milieu passen mögen, mit dem ich mich nicht eben eng verbunden fühle.

Das Letztgenannte war, glauben Sie mir, in manchen deutschen TV-Sendern bis vor wenigen Jahren nicht selten der Fall. Aber, wie betont: mir gefällt dergleichen nicht, Sie sind da womöglich gelassener und teilen meine Meinung nicht oder nur partiell. Geht völlig in Ordnung! Und Ordnung muss ja bekanntlich sein.

So, jetzt aber endlich Schluss mit lustig! Oder, besser gesagt, her mit lustig! Wie sagte der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Antrittsrede 1969: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Es hätte nicht geschadet, hätte er seinen im Vergleich zu uns Alpenrepublikanern eher trockenen Landsleuten (ich meine dabei die von Franz Josef Strauß als „Nordlichter“ gebrandmarkten Deutschen) ebenso folgende Worte zugemutet: „Wir wollen mehr Humor wagen.“

Und der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky, der 1981 einen Reporter mit den geflügelt gewordenen Worten „Lernen’S ein bissl Geschichte“ zurechtwies, hätte – da er dem Humor durchaus zugetan war – noch ergänzen sollen: „… und lassen‘S dann auch den Schmäh rennen.“ Ja, der Schmäh!

In Ostösterreich allgegenwärtig, bei uns hier in den Bergen aber leider eher dünn gesät. Wir Bergler sind vergleichsweise schmähstad. Leider! Sollte sich ändern, meine ich. Tun Sie was in diese Richtung, bittgarschön.

Ergo: Mehr Humor braucht das Land! Auch, ja insbesondere, das hiesige, heilige …


www.humorcare.com/informationen/fachtexte/humor-gesundheit-erfolg-und-clownerie.php

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Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

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