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Ronald Weinberger
Die Zeit heilt alle Wunder.
Notizen

Wundern Sie sich bitte nicht über die krasse Unvollständigkeit, die ich mir Ihnen in diesem Beitrag zu kredenzen erlaube. Bin ja kein Wunderwuzzi!. Aber sehr wohl einer, dem das Wundern über so manches nicht vergangen ist. Etwa darüber, wie selbst am Wundern, nein, an Wundern (!), der Zahn der Zeit nagt. Und das gehörig.

Es nimmt nicht wunder, dass jedem von uns eine Definition des Wortes Wunder leicht von den Lippen gehen dürfte. Der DUDEN tut sich da offensichtlich schwerer, denn er traktiert uns mit zwei wortreichen Definitionen, die ich Ihnen ersparen möchte. 

Er hat freilich ein paar, nämlich vier griffige Synonyme für Wunder an der Hand, die wie folgt lauten: Ausnahmeerscheinung, Geheimnis, Hexenwerk, Hexerei.

Was Wunder betrifft, hätte man also ein riesiges Feld zu beackern, denn häufig findet man Kombinationen wie das Wunder Mensch, das Wunder Liebe, das Wunder Gehirn, um hierbei nur beim Homo sapiens und dessen echter oder vermeintlicher Undurchschaubarkeit zu bleiben. 

Um kein blaues Wunder in Bezug auf ein Ausufern in dieser Thematik zu erleben, werde ich mich im Folgenden auf zwei Gebiete beschränken, bei denen offensichtlich wird, dass die Zeit, besser gesagt, die im Laufe der Zeit gewachsene Rationalität, sprich Wissen, den Glauben an viele behauptete Wunder relativiert hat, und demgemäß als heilsam erachtet werden darf.

Diese zwei Gebiete lauten: Wunder in der Religion und Spontanheilungen

Zu den Erstgenannten. Ich zitiere hierfür auszugsweise aus Kirche + Leben, das Katholische Online Magazin (Was ist ein Wunder?):

Jedes Ereignis, durch das Gott seine Größe und Macht offenbar werden lässt, so dass der Mensch Gott erkennt, ist im Sinne der Bibel ein Wunder. Wunder haben nur dann eine religiöse Wirkung, wenn sie zur Umkehr und zum Dank führen. In diesem Sinn wirken Wunder auch in der Kirche weiter. „Der Herr wirkt in ihnen und bestätigte das Wort durch die Zeichen, die er geschehen ließ“, so schließt das Evangelium des Markus. Der Holländische Katechismus (1968) merkt dazu an: Im Leben der Kirche sind Wunder so eine ‚gewöhnliche‘ Erscheinung, dass seit Jahrhunderten niemand mehr heiliggesprochen wurde, wenn er nicht mindestens zwei Wunder verursacht hat, zum Zeichen, dass der Herr tatsächlich ganz besonders ‚mit ihnen wirkte‘.

Dennoch ist die Kirche gegenüber Wundern, wie sie an Erscheinungsorten wie z.B. Lourdes geschehen, sehr zurückhaltend. Seit 1885 besuchten rund 2,3 Millionen Kranke Lourdes. Von ihnen haben 6000 erklärt, eine wunderbare Heilung erfahren zu haben. 2000 hat das medizinische Büro überprüft. Aber nur 65 sind von der Kirche als Wunder anerkannt worden.“ Ende der Zitate.

Aha, 65 Wunder also. Nun wissen wir, dass diese Zurückhaltung, wie sie in den letzten paar Sätzen der auszugsweisen Zitate anklingt, noch vor Jahrzehnten und vor noch längerer Zeit ohnehin gänzlich anders gehandhabt worden ist. 

Diese Zurückhaltung ist vor allem einem Faktum geschuldet: Dem Fortschritt der Wissenschaften, insbesondere den Naturwissenschaften, mit deren handfesten Belegen bzw. Beweisen, gegen die – und dies nimmt nicht wunder – zu argumentieren lächerlich bis selbstzerstörerisch wäre.

Zu den Spontanheilungen. Wir alle kennen Sätze wie Ein Wunder, dass – der oder die ¬– noch lebt, nachdem jemand einen überaus schweren Unfall erlitten hatte oder eine in der Regel als rasch todbringend bekannte Krankheit überraschenderweise überwinden konnte. 

Spontanheilungen sind dabei Extremfälle. Erneut zitiere ich auszugsweise, diesmal aus der Internet-Enzyklopädie Wikipedia. Hier ist unter anderem zu lesen:

Spontanheilung ist das Ausheilen einer Krankheit ohne therapeutische Maßnahmen. Prinzipiell kann jede akute Erkrankung spontan ausheilen. Selbst bösartige Tumorerkrankungen können von selbst ausheilen.


„Spontanheilungen“ werden auch oft als Beweis für „Wunderheilungen“ oder „alternative“ Heilmethoden herangezogen. Es werden zahlreiche Methoden, Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel angeboten, die angeblich die „Selbstheilungskräfte“ mobilisieren können. Nach heutigem Wissensstand lassen sich keine Empfehlungen geben, wie eine Spontanheilung herbeizuführen wäre. Therapieangebote, die etwas anderes versprechen, werden von Fachleuten deshalb als unseriös bezeichnet.“

„Grundlage für Spontanheilungen sind körpereigene Reparaturmechanismen oder bei Infektionskrankheiten das Abwehrsystem, das zu einer Elimination des Erregers führt.“ Ende der Zitate.

Wir erkennen: Auch wenn die Details der körpereigenen Reparaturmechanismen bzw. des Abwehrsystems des Körpers noch längst nicht in allen Einzelheiten verstanden sind, so hat auch hier der im Laufe der Zeit stattgefundene und stattfindende Fortschritt der Wissenschaft den Glauben an Wunder obsolet gemacht.

Doch halt! Obsolet gemacht?

Viele von uns haben im vergangenen Jahr aus den Medien erfahren, wie ausgeprägt die sogenannte Wissenschaftsskepsis insbesondere in Österreich grassiert. Dies trotz vielfältiger, indes offenbar nicht ausreichender Bemühungen. 

Möge mein vorliegender Beitrag ein klein wenig dazu beitragen, den Glauben an Wunder zu vermindern und das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken! Wie heißt es doch im Titel meines Beitrags: Die Zeit heilt alle Wunder. 

Zugegeben: Zweifelsfrei längst nicht alle. Aber hoffentlich die wunderlichsten davon.

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Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

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