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Elias Schneitter
Über die wirklichen Werte
eines wahren Sozialdemokraten
Notizen

Der wahre Sozialdemokrat legt beim Eintritt in die Partei ein komplettes Armutsgelübde ab, wie es in alten Zeiten bei den Barfüssern und den Bettelorden üblich war.

Ein wahrer Sozialdemokrat wohnt in einer feuchten Substandardwohnung, im besten Fall in einem billigen Gemeindebau.

Ein wahrer Sozialdemokrat hat schwielige schorfige Hände und stirbt kurz, bevor er in Pension geht, damit zumindest seine Witwe noch ein paar bessere Jahre hat, nachdem sie zeitlebens am Herd stand, die Kinder großzog und von ihrem Mann nur Unterdrückung erlebte.

Am Speisezettel eines wahren Sozialdemokraten gibt’s höchstens am Sonntag ein Wiener Schnitzel, sonst ernährt er sich bescheiden von Brennsuppe und Kartoffeln in der Schale.

Ein wahrer Sozialdemokrat verbringt seinen Urlaub auf dem Balkon, im Arbeiterschwimmbad in Kaisermühlen oder beim Schwarzarbeiten für bessere Leute.

Ein wahrer Sozialdemokrat fährt eine Rostschüssel mit Pickerl, damit er stets pünktlich in seine Arbeit kommt.

Ein wahrer Sozialdemokrat speist nicht in einem Nobelrestaurant und trinkt keine teuren Weine, sondern betrinkt sich mit Kalterer und Schwechater im drittklassigen Beisl.

Ein wahrer Sozialdemokrat trägt keine handgefertigten genagelten Schuhe aus der Werkstatt in der Innenstadt, fährt keine deutsche oder britische Limousine und wohnt schon gar nicht in einer Villa mit riesigem Park in Nußdorf.

Ein wahrer Sozialdemokrat ist auch kein ehemaliger Bankdirektor oder aktueller Salzbaron, der Steuern hinterzogen hat und dafür gerichtlich verurteilt wurde.

Ein wahrer Sozialdemokrat fährt auch keinen BMW mit einer Büchse auf dem Rücksitz und einer Jagdpacht im Karwendel.

Auch sitzen im Parlament keine wahren Sozialdemokraten, weil dort nur Gutverdienende sitzen und ein wahrer Sozialdemokrat stets nur von der Hand in den Mund lebt.

Nach dem Krieg und noch viele Jahre danach gab es in Österreich viele wahre Sozialdemokraten, die nach dem Armutsgelübde lebten, aber inzwischen hat sich das radikal geändert. Die ehemaligen wahren Sozialdemokraten leben inzwischen im Wohlstand und geheizten Wohnungen und sind zu türkis gewechselt oder zu blau, weil sie um ihren kleinen Besitz fürchten, der ihnen streitig gemacht wird.

Im Land leben zwar noch viele wahre Sozialdemokraten, aber die kommen zumeist aus fernen Ländern und dürfen nicht wählen, aber sie stellen eine große Gefahr für die ehemaligen wahren Sozialdemokraten dar, darum sollten sie heimgeschickt werden.

Mit anderen Worten: Die wahre Sozialdemokratie ist am Ende und die Diskussion, ob man Gusenbauer ausschließt oder nicht, hat sich damit erübrigt.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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