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Ronald Weinberger
„Avatar – The Way of Water“
Gönnen Sie sich diesen Film!

Ängstlich starrte sie auf die riesige, in düsterem Rot glimmende Scheibe am Horizont. Gewaltige Entladungen brachen sich auf ihr Bahn, verästelte Blitze zuckten, mächtige gelblich-bläulich leuchtende Gasfontänen reckten sich hoch empor, Türme aus Fackeln loderten kaskadenartig, der gesamte Rand waberte heftig. Ein energetisches Gewitter würde bald über den Planeten hereinbrechen, dürfte wohl lange Zeit anhalten. Die Entfesselung desaströser Orkane war zu befürchten. Die Oberfläche würde in Strahlen- und Teilchenschauern gebadet werden.

Es war demnach höchste Zeit, sich davonzumachen, die Wanderung in die Zone des immerwährenden Zwielichts bzw. der Dunkelheit anzutreten. Dort würde es um vieles kühler sein, doch sie und die Ihren fänden Schutz. Aber es drohte zu exzessiven Versorgungsengpässen zu kommen, so wie fast jedes Mal. Pflanzen liebten die Kälte, das Eis, den Mangel an Licht keineswegs.

Dann hieß es, sich in den schützenden Körperpanzer zurückzuziehen, die Lebensfunktionen auf ein Minimum zu reduzieren. Hoffentlich würden von ihren vier Sprösslingen noch alle am Leben sein, wenn sie nach Abklingen der Eruptionen auf dem Licht- und Wärmespender in die Tageszone zurückkehrten.

Nicht so wie ihr Partner, dessen Lebensenergie beim vorletzten Mal nicht mehr ausgereicht hatte, den langwierigen Marsch zurück ins Helle durchzustehen. Auf denn! Sie stupste die Jungen an, die sich angstvoll an sie herangedrängt hatten. Das Quintett, bestehend aus einem großen und vier kleinen gedrungenen buckeligen Leibern, begann sich auf ihren jeweils drei stummelartigen Beinpaaren, unter Zuhilfenahme des von hinten blasenden Sturms in Bewegung zu setzen; die zeitraubende mühsame Wanderung in Richtung Terminator, der Licht-Schatten-Grenze, hatte begonnen …


Aliens

Wie lautet der Titel dieses offenkundig einschüchternden Films? Es gibt keinen, da ein Film mit obigem oder ähnlich bedrückendem Inhalt nicht existiert. Es handelt sich demnach um Kopfkino, bestenfalls. Ein derartiger echter Film könnte übrigens nur dann einigermaßen dokumentarisch wirken, falls sie tatsächlich existieren. Sie, die außerirdischen Intelligenzen. Die Aliens.

Von denen häufig die Rede ist, im Zusammenhang mit UFOs, in der üppig blühenden Science-Fiction-Literatur, den zahlreichen einschlägigen, zumeist gut besuchten Kinofilmen. Von Menschen mit dem Faible für das Außerirdische.

Daher: Lieber auf in die nicht derart düstere Imagination! Da läuft doch seit Mitte Dezember 2022 ein Film, der die Betreiber der Lichtspielhäuser zum Sich-die-Hände-reiben veranlasst …

Ich habe über das Phänomen außerirdischen Lebens bereits im Jahr 2007 anlässlich der Bekanntgabe der Entdeckung des ersten im Prinzip bewohnbaren Exoplaneten (Gliese 581c) einen Artikel verfasst. Unter dem Titel Habitabel, jedoch nicht hospitabel.

Damals kannte man einen einzigen, heutzutage bereits zahlreiche habitable Planeten, mithin solche, die Wasser in flüssiger Form dauerhaft auf ihrer Oberfläche aufweisen, besser gesagt halten können. Wasser – der für ein Leben in ungefähr der Art, wie wir es kennen, unverzichtbare Grundstoff.

Ein näheres Kennlernen solcher Planeten (oder auch großer Monde) ist noch Zukunftsmusik in der heutigen Astronomie. Das wird erst dann der Fall sein, sobald Wissenschaftler über die ungefähre chemische Beschaffenheit der derartige Himmelsobjekte umgebenden Atmosphären hinausreichende Kenntnisse gewinnen können. Und habitabel bedeutet noch längst nicht, dass es auf solchen Himmelskörpern tatsächlich Leben gibt.

Am interessantesten wäre komplexes Leben – von intelligentem Leben darf dabei natürlich auch geträumt werden. Die tatsächliche Entdeckung selbst einfach strukturierten außerirdischen Lebens wird, so darf man prognostizieren, den Erkenntnishorizont der Menschheit auf eine fundamentale Weise erweitern. Freilich: Wir sind in der Forschung längst noch nicht soweit.

Als ehemaliger professioneller Astronom und jahrzehntelanger leidenschaftlicher Science-Fiction-Leser, der zusammen mit einem Fachkollegen auch einmal zu einem astrobiologischen Artikel Anlass fand, fürchte ich, dass es bei dem Kleine-Brötchen-backen noch geraume Zeit bleibt. Aber: Geträumt darf, ja soll, werden – und es ist der Fantasie und damit der Kreativität dienlich, falls derartige Träume nicht bloß Kopfkino bleiben, sondern zu echtem Kino werden!


Avatar

Auch nur halbwegs kinoaffine Zeitgenossen wissen selbstredend, welchen derzeit die Kinosäle füllenden Film ich meine. Die Rede ist von „Avatar – The Way of Water“. Sein Vorgänger, der im Jahre 2009 in die Kinos gekommene „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ erwies sich als der hinsichtlich Einspielergebnis erfolgreichste Film aller Zeiten. Aus gutem Grund, wie ich meine.
Wie der 1. Teil ist der nunmehrige 2. Teil der auf weitere Fortsetzungen ausgelegte Film eine Mischung aus real gedrehten und computeranimierten Szenen. Die Handlung ist es nicht, die Sie ins Kino locken sollte, denn sie bedient das bis zum Überdruss verwendete Gut-Böse-Schema, garniert mit einer Liebesbeziehung, Kämpfe auf Leben und Tod und dem offensichtlich unvermeidbaren, wenngleich in einer Serie oft vorläufigen Happy End.
Was Sie aber ins Kino locken sollte, ist die unvergleichliche visuelle Opulenz, dieses einmalige Eintauchen-können in eine in etlichen Lichtjahren von der Erde entfernt befindliche fiktive fremde (Wasser)Welt, sind die Darstellungen umwerfend beeindruckender, oftmals prächtiger, fantasievoller, Pflanzen, Tiere, Behausungen, Vorgänge usw.
Ich möchte soweit gehen, Ihnen nicht zuletzt deswegen den Besuch dieses Films zu empfehlen, weil Sie damit einen tiefen Einblick in das gewinnen können, was moderne Technik inklusive üppigen Ideenreichtums im Kino von heute vermag. Das ist Kino-Kunst par excellence. Warten Sie besser nicht, bis dieses Filmspektakel irgendwann auf den TV-Schirmen erscheint. Dort wird es notgedrungen ein müder Abklatsch sein. Und noch etwas: Sehen Sie sich den Film in 3D an!
Abspann
In meinem „Vorspann“ spielte ich auf die in Wirklichkeit reichlich vorhandenen Planeten an, die um „Rote Zwerge“, welche die überwiegende Mehrzahl aller Sterne im Weltall darstellen, kreisen. Die aber – obwohl zum Teil im Prinzip „habitabel“ – dennoch kaum zur Entstehung von Leben, zumindest von solchem, das dem irdischen halbwegs ähnlich ist, geeignet sein dürften. Die von mir eingangs geschilderten Lebewesen sind folglich einerseits von vornherein Fiktion, aber andererseits eben nicht zu 100 Prozent.
Das überbordende Leben und Treiben auf dem Mond Pandora, auf dem sich in den Avatar-Filmen sämtliches Geschehen abspielt, ist selbstverständlich „Fiktion zum Quadrat“. Und gibt dennoch Anlass zur Überlegung: Könnte es in den Weiten des Alls nicht doch, da und dort, eine Art 2. Erde, oder gar mehrere davon, geben? Der Science-Fiction-Leser in mir raunt mir zu: „Weshalb denn nicht? Gut möglich!“ Der Naturwissenschaftler hingegen: „Kaum. Aber abwarten, denn noch wissen wir zu wenig, trotz der heutzutage bekannten 5.300 extrasolaren Planeten“.
Und vielleicht erlebt die Menschheit es sogar noch, dass man auf der Erde ein mit Informationen dicht gepacktes Signal, ein auslesefähiges Datenpaket einer fremden Zivilisation empfängt. Im Sinne etwa einer Entwicklungshilfe. Hätten wir Erdlinge ja bitter nötig. Den Empfang eines Signals Außerirdischer – und das meine ich allen Ernstes – halte ich für nicht vollends ausgeschlossen. So es denn extraterrestrische Zivilisationen in unserer Milchstraße überhaupt gibt und das All nicht bloß von lebensfreien bzw. nur von Bakterien & Co besiedelten Planeten geflutet ist…
Bis dahin behelfen wir uns am besten mit den diversen Spielarten der Science Fiction!

Habitabel, jedoch nicht hospitabel:
https://www.uibk.ac.at/ipoint/gastkommentar/477824.html
A search for ‘frozen optical messages‘ from extraterrestrial civilizations: https://doi.org/10.1017/S1473550402001040

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Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

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