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Reinhard Kocznar
Flops
Die Führung eines Unternehmens
an das Marketing outzusourcen,
ist nicht die beste Idee.
Notizen

XY startet mit einer sehr dringenden Umfrage und bittet um meine Meinung innerhalb der nächsten Stunde! Eine Belohnung winkt, nicht weniger als doppelt so viele Punkte als üblich, und zwar gleich 6 davon. 73 Punkte beträgt mein Guthaben.

Ich hatte mich schon vor Jahren abgemeldet, der Anlass war ein Gutscheinheft für beantwortete Fragen. 20% Rabatt auf Waren, die ich darin aussuchen konnte. Wenn ich den Wert meiner Arbeitszeit ansetze und eine Stunde nach einer Sache suche, die ich sonst nicht gekauft hätte, kostet mich das mehr als der Rabatt ausmacht. Das war der Anlass gewesen, das Gutscheinheft wegzuwerfen und mit dem Beantworten von Umfragen Schluss zu machen.

Eigentlich hatten mich nur die Fragen interessiert, welche die sogenannte Marktforschung stellt. Anfangs hatte ich gestaunt, allmählich ging es in Entsetzen über. Wie schlicht sich Marketingabteilungen die Welt vorstellen hätte ich mir nicht gedacht, und wie simpel sie die Dinge zurechtfragen, um gewünschte Antworten zu bekommen noch weniger. Ich erfrage mir die Welt, wie sie mir gefällt. Auch nur einen Teil der Lebensrealität darin zu finden war unmöglich. Dazu kommen später die Auswertungen, schön unterteilt nach genehmen Alters- und Ausbildungskriterien. Unpassende Antworten können somit in aufgeschlossene und realitätsfremde Gruppen eingeteilt werden. 

Die Marketingexpert:innen, Gendern ist hier erste Bürger:innenpflicht, müssen auf einer anderen Planet:in leben als die von ihnen vorgeblich Befragten, eigentlich Angeleiteten. Und wenn ein ratloses Management seiner Marketingabteilung nicht mehr gewachsen ist kommen die interessantesten Dinge heraus.

Mit vegan und vegi komplett am Kunden vorbei lese ich in meinem Finanz-Lieblingsblog. Er erscheint in einem Nachbarstaat. Der CEO einer großen Firma und der CEO deren Tochter müssen vor versammelter Mannschaft erklären, dass man seit 10 Jahren am Markt vorbei produziert hat. Bei 70% der Einkäufe gehört Fleisch dazu. In diesem Land, ringsum wird es sehr ähnlich sein, bezeichnen sich 5% als Vegetarier und gar nur jeder Hundertste als vegan. Mit woke-Botschaften soll jetzt Schluss sein, man will neuerdings wieder verkaufen anstatt bekehren, verkündeten die vereinten CEOs angesichts der leeren Kasse.

Der Artikel verursacht einige hundert Kommentare, die vergnüglich zu lesen sind. Die einen ärgern sich, dass sie woke-, Diversitäts- und andere Belehrungswerbung mitfinanzieren, die anderen beklagen mit pseudowissenschaftlichen Thesen und unbelegten Statistiken den Rückschritt. Dass hier eine lautstarke Minderheit versucht, anderen ihre Theorien aufzudrängen und sie zu gängeln, passt nicht in ihr Bild.

Es ist nicht lange her, dass der Aktienkurs einer Weltmarke nicht wie gewohnt weiter nach oben ging. Das durfte nicht sein, so ließ der CEO durch sein Marketing eine Kampagne mit einem ebenso bekannten Rapper lancieren. Die ging fürchterlich in die Hose, weil sich der Rapper als Antisemit entpuppte.

Nun hatte man wirklich ein Problem. Beträchtliche Warenbestände schienen unverkäuflich. Es lag nahe, die Hose, in die es gegangen war, dekorativer zu füllen. Das Resultat erblickte mann/frau auch an dem nun beworbenen Badeanzug, der untypisch gefüllt war – oben nichts und unten mehr. Empörung seitens der Kundschaft war die Folge, die Verkäufe landeten endgültig im Keller, der Aktienkurs, der nicht hatte steigen wollen, stürzte um 60 Prozent ab.

Hilfe war nahe. Sie war moralischer Natur. Dass ein Badeanzug die Menschen so auf die Palme bringen kann, ist kaum zu glauben, wunderte sich eine große Zeitung. Nur ein buntes Stück Stoff, erkannte eine Journalistin. Das ist nun wirklich ein kluger Einwand. Eine Zeitung titelte: Nun müssen Firmen Haltung zeigen. Warum auch nicht. Adam Riese regelte die Sache. Die Konkurrenz absorbierte die abgewanderten Käufer problemlos. Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde mehr.

Auch der Einfluss der Chartisten auf hilflose Manager ist beträchtlich. Jede Bewegung in den Charts löst die unterschiedlichsten Maßnahmen aus. Neueren Forschungen zufolge liegt der Be-Deutung wie der folgenden Deutung der Charts der Siegeszug der Espressomaschine zugrunde. Konnte man früher noch den Kaffeesatz lesen, ist es damit vorbei. Der Filterträger einer Espressomaschine zeigt nach der Zubereitung nichts als eine gepresste, glatte Fläche. Die ist unmöglich auszuwerten. Bei Charts stellt sich dieses Problem nicht.

So begab es sich in einem anderen Land, dass der Aktienkurs wie auch die Absatzzahlen einer bekannten Biermarke schwächelte. Beide stiegen einfach nicht mehr an. Weiterhin das meistverkaufte Bier des Landes herzustellen reichte nicht. Ein Instagram-Clip von 50 Sekunden Dauer änderte das, mit einem Modewort – nachhaltig. Eine Transfrau auf der Bierdose? Der Vorteil, dass Influencer unterbrechungsfreie Werbung bieten, zählte nicht mehr. Hinterher kommentierte ein Getränkehändler: Keine Politik, keine Religion! Hätte man vorher wissen können. Die wirtschaftlichen Folgen sind bekannt, der Absturz von Absatz sowie Aktienkurs war beispiellos und offenbar nachhaltig. In der Folge befährt der woke Journalismus den Banal Grande. Die Konsumenten sind schuld, weil sie das wieder einmal falsch verstanden haben. Umgekehrt kann man sagen: die Marketingleute sind einfach zu gut für diese Welt.

Warum echauffieren sich Millionen Menschen über ein Produkt, zu dessen Konsum sie doch niemand zwingt…lese ich in einem der gleichlautenden Beiträge. Eine sehr dumme Frage. Sie kaufen es nicht mehr. Causa finita.
The financial toll of right-wing backlash: At least $28B in market value erkennt eine US-Agentur im Sommer 23. Dass es vielen reicht, sich ständig belehren zu lassen, diese Erkenntnis ist trotz immenser finanzieller Schäden noch nicht durchgedrungen.

Denn sie wissen nicht, was sie tun. Den Filmtitel muss man hier erweitern: Denn sie wissen nicht, was sie tun sollen. Das betrifft ratlose Leiter von Unternehmen, anders gesagt die Nieten im Nadelstreif. Die Führung eines Unternehmens an das Marketing outzusourcen ist nicht die beste Idee. Dann wedelt der Schwanz mit dem Hund.

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Reinhard Kocznar

Reinhard Kocznar ist Versicherungsmakler und lebt in Birgitz. Seit 30 Jahren selbständig, während 25 Jahren zweiter Beruf als Leiter eines Softwareentwicklungsteams und Systemadministrator. Als Schriftsteller hat er bisher 7 Bücher veröffentlicht, Krimis, Thriller, Erzählungen und Essays. Literarisch betreibt ein den Online-Buchshop: Hardboiled Krimis. Leidenschaftlicher Fotograf, Sportschütze und Motorradfahrer.

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