Peter Petermann
Wie gut muss man sich kennen,
um sich selbst ignorieren zu können?
Beginn eines Romanprojektes
in drei Kapiteln
3. Teil
3. Kapitel
Bei unserer zweiten Sitzung am 7.Oktober sind wir zu fünft: Yvonne, ihre Freundin Elli, Hannes und ein Neuer, der sich als Otto vorstellt. Er hätte von unserer Gruppe in der Bezirkszeitung gelesen. Aha, sage ich. Ein Artikel? Den muss dann wohl die Volkshochschule hier angeleiert haben. Aber egal, wie und woher, schön, dass du da bist.
Yvonne und Elli sind die ersten, sind schon ein wenig vor der Zeit da. Ich bringe das Gespräch auf Jon Fosse. Die jungen Damen haben zwar vom aktuellen Literatur-Nobelpreisträger gehört, aber noch nichts von ihm gelesen.
Ich sage, dass ich schon einiges von Fosse gelesen und auch gesehen habe. Ich mache mein Nachdenkgesicht: ICH IST EIN ANDERER, ja, so hieß der letzte Roman, den ich von ihm gelesen habe. Und Mitte der Neunziger muss es gewesen sein, da habe ich im Volkstheater DA KOMMT NOCH WER gesehen. Unwahrscheinlich, was man alles sagen kann, indem man es nicht sagt. Und es eine Sprachmaschine aus Atem und Rhythmus sagen lässt.
Ja, Jon Fosse, toller Autor. Endlich ein Nobelpreisträger, den ich nicht extra googeln muss. Obwohl, so stimmt das ja auch wieder nicht, gebe ich mich als Kundiger, wenn ich an Dylan, Handke und ja…ja, und natürlich an die Jelinek, denke. Tja, vor solchen Größen, solchen Giganten, da kann man schon mal auf die Knie fallen und resignierend das Schreiben sein lassen.
Bevor ich mich vor den beiden Frauen noch in einen Wirbel rede, kommt zum Glück Hannes zur Tür herein. Und wenig später dann auch der Neue.
Nach meiner Begrüßung wieder mein auffordernder Blick in die Runde. Yvonne sieht Elli an, ermuntert ihre Freundin, als erste ihre Geschichte vorzutragen. Ich höre nur mit einem Ohr zu.
Elli erinnert mich an eine Jugendliebe. Und ich bin noch einmal 24. Während Elli von ihrer ersten und einzigen Publikation erzählt, ein mehr oder weniger autobiografischer Roman – sie kam mit ihren Eltern vor 19 Jahren von Finnland nach Österreich – hänge ich dem Wort LIEBE nach.
Liebe, die Liebe, denke ich, was soll’s, die gibt es nicht. Liebe ist ein Abstraktum, eine Illusion. 1000 Leute, 1001 Lieben. Die tausenundeine Liebe, die steht für das Geheimnis LIEBE, von dem auch niemand von den 1000 verschiedenen Leuten etwas ahnt.
Ich bin jetzt wieder ganz bei Elli. Bei der Stelle, wo sie mit ihrem Freund nach Brüssel gehen wird, weil der da einen Job bei der EU angenommen hat. Sie selbst hätte da auch Arbeit. Mit Schreiben ist da nichts, da würde ihr die Zeit fehlen. Da seien sie beide gefordert. Neuer Job, neue Lebenswelt, neue Leute. Außerdem, wenn sie an die letzte Abrechnung ihres ersten und einzigen Buches denke, frage sie sich, warum und wozu man sich auf Verdacht monatelang abquälen sollte, für nichts und wieder nichts. Auf dass man dann vielleicht 40 oder 50 Stück verkauft. Und die an Freunde, Verwandte. Da könne man es gleich sein lassen.
Was ich doch immer sage, kommt es leise vom Neuen. Als wir anderen ihn alle ansehen, wird er rot. Gut, wende ich mich an Elli, danke fürs erste. Aber vielleicht magst du, spreche ich den neuen an, vielleicht magst du ja gleich mit deiner Vorstellung und deiner Geschichte, wie du zum Schreiben kamst und dann wieder davon abgekommen bist, weitermachen.
Ich, beginnt der neue, ich heiße Otto. Er spricht zögernd und leise. Und wie ihr vielleicht schon bemerkt habt: ich…ich bin eher der schüchterne Typ. Ich bin quasi die Schüchternheit in Person. Der Quasimodo der Verlegenheit. Ich dachte immer, ich hätte Talent. Ich habe dann einen Kurs für kreatives Schreiben besucht.
Und? Das ist doch gut…oder? Hannes sieht erst Otto, dann mich an.
Otto verneint, winkt ab. Es war ein Desaster.
Wie bitte? Ich versteh dich akustisch so schwer. Sorry! Kannst du bitte ein wenig lauter sprechen? Yvonne sieht Otto aufmunternd an: Ich habe auch einmal so einen blödsinnigen Workshop besucht. Erzähl, das interessiert mich. Ich glaube, das interessiert uns alle, …
Wir bekamen Themen, etwa „Mein Leben als Behausung“. Wir sollten uns ausdenken, ob unser Leben eher mit einer Höhle, einer Villa, einem Zelt oder Sonstwas vergleichbar ist. Ein anderes Thema war ein „Portrait meines inneren Schweinehundes“. Dazu gab‘s eine Zeitvorgabe. In einer halben Stunde sollte man dann etwas fertig zum Vorlesen haben. Ich? Ich hatte nach einer halben Stunde vielleicht ein paar Notizen, vielleicht ein paar Formulierungen, maximal eine Idee. Nach der zweiten Übung rotzte ich dann etwas hin. Ohne Plan, etwas, das man schon hunderte Male so gelesen hatte. Und was soll ich sagen? Ich sah’s an dem Grinsen der anderen: Es war Mist. Wenn ich bei dem Workshop etwas gelernt habe, dann das: dass ich‘s besser sein lassen sollte. Seitdem habe ich keine Zeile mehr geschrieben.
Ich habe ja noch letztes Jahr selbst solche Workshops abgehalten, darum frage ich nach: Hat denn der Coach nicht mit dir gesprochen?
Dochdoch! Er meinte, ich solle meine Geschichten mit mehr Risiko schreiben. Solle meinen Schreibtisch näher an den Abgrund rücken. Zurzeit stünde er auf gesichertem Terrain, wäre alles so vorausschaubar. Dann fragte er mich, ob ich denn ein konkretes Projekt hätte. Ich druckste herum: Ja, ich möchte die Geschichte von einem erzählen, der planlos durchs Leben geht. Von einem, der nichts auf die Reihe bringt. Und was denn mein Plan, also der für dieses Schreibprojekt sei (?), wollte der Coach gleich wissen.
Das ist es eben, ich habe keinen Plan, gab ich zur Antwort. Dabei macht Otto eine Geste, die wohl als was weiß denn ich schon gemeint ist.
Nun können auch Yvonne, Elli und Hannes ein Grinsen nicht unterdrücken. Ottos Kopf wechselt wieder die Farbe. Na denn, fällt mir nichts Besseres ein, dann bist du in unserer Runde ja bestens aufgehoben.
So, das lassen wir jetzt einmal so stehen, strapaziere ich meinen Standardsatz. Wollt ihr jetzt vielleicht meine Aufhörgeschichte hören…? Ja?! Und dann können Yvonne und Hannes in einer Kurzversion ja vielleicht noch einmal für Elli und Otto von ihren Aufhörgründen sprechen. Vielleicht dann schon unter den Aspekten, die wir heute so gehört haben. Okay?
Jetzt aber du, forderte Yvonne mit einem unwiderstehlichen Lächeln.
Also gut. Ich habe, wie man auf meiner Homepage sehen kann, 24 Bücher veröffentlicht. Schnell ist man da der Vielschreiber. Und schnell wird man dann auch zum Verlagsnomaden. Beides ist nicht förderlich für weitere Publikationen. Trotz toller Besprechungen. Ich wurde mit Chandler, dem Meister der Short Stories verglichen. Und ein Rezensent schrieb sogar, dass ich zu den originellsten Autoren Österreichs gehöre. Aber darum kann man sich bekanntlich nichts kaufen. Im Gegenteil. Und seit der Pandemie ist’s, wie wir wissen, nicht besser geworden, seine Sachen zu veröffentlichen, seine Manuskripte bei einem Verlag unterzubringen. Und als ich unlängst einem Verlag meinen neuen Roman anbot, hieß es, …egal, unterbreche ich mich selbst: Um’s kurz zu machen: Jedenfalls sollte ich mich an den Druckkosten beteiligen.
Und (?), fixierte mich Elli mit neugierigen Blicken.
Nichts UND. Nicht, dass es mir ums Geld gegangen wäre. Aber gehörte ich jetzt schon zu denen, die keinen Namen und keine Erfolge vorzuweisen hatten, wurde ich jetzt quasi von der dritten Reihe der heimischen Schreiberlinge in die vierte zurückgestuft. In die Reihe der Selbstzahler und Selfpublisher. Das war der Punkt, wo ich mich fragte, WARUM und WOZU.
Da war sie wieder die Frage, die ich mir zuletzt schon so oft gestellt hatte.
Das heißt, du hast jetzt das Schreiben total aufgegeben, keine einzige Zeile mehr geschrieben (?), wollte es Otto ganz genau wissen. Ich hab ja nicht einmal begonnen, nichts Vorzeigbares geschaffen. Aber du: 24 Bücher!!!! Da muss dir das Nichtschreiben…ich kann mir das nicht vorstellen. Wie schaffst du das?
Ich hab mir jetzt große Rexgläser gekauft. Für jedes Jahr eines. Und da kommt hinein, was mir so unterkommt, was mein Leben zu dem macht, was mich ausmacht. Du verstehst?
Und was ist das zum Beispiel (?), Otto lässt nicht locker.
Ach…Kastanien, Briefe, Ansichtskarten, Vogelfedern, Glückskekstexte, leere Plisterpackungen von meinen Blutdrucksenkern… -man ist ja nicht mehr der Jüngste… – Knöpfe, Polaroid-Fotos, die Kerze vom Geburtstagskuchen…ach, so schnell kannst du nicht schauen, und das Glas ist voll.
Yvonne, Otto und Hannes scheinen beeindruckt. Nur Elli schaut etwas skeptisch: Aber, ohne deine Geschichten dazu sind das ja bloß… sie sucht nach den richtigen Wörtern: sind das ja bloß tote Dinge.
Stimmt. Aber ist das nicht bei allem so (?), gebe ich zu bedenken. Sogar bei Büchern. Erst wenn man den Autor, die Autorin kennt…Nein, vergiss es.
Was wolltest du sagen (?), kommt es fast gleichzeitig von Elli und Yvonne.
Ich dachte nur daran, dass es einen Unterschied macht, ob ein und derselbe Roman von diesem oder jenem Autor geschrieben wurde. Aber das ist jetzt Unfug. Obwohl…
Vier fragende Gesichter sehen mich an. Obwohl…man kennt das ja, dass Romane von berühmten Dichtern unter einem anderen Namen bei großen Verlagen eingereicht wurden und abgelehnt wurden. Also, …es ist schon nicht unwichtig, welches Foto und welche Biografie da auf der hinteren Klappe zu sehen ist.
Ich horche in mich hinein. Und höre ein leises Lachen. Es ist Peter Petermann. Vielleicht sollte man sich ein neues Pseudonym ausdenken. Das Lachen verstummt. Vielleicht eines, das man vielleicht eher mit dem Namen eines berühmten Autors verwechseln könnte: Bodo Bouquet, Silvia Platz, sowas in der Art.
Leises Lachen. Es kommt von der Runde. Mir wird erst jetzt bewusst, dass ich meine Gedanken zu einem Pseudonym für alle laut hörbar vor mich hingesagt habe.Elli geht sofort auf das Spiel ein und erfindet eine Martina Halser. Hannes greift auf einen österreichischen Klassiker zurück und macht aus Robert Musil eine Roberta Musialla.
Jetzt aber wieder zu euch. Yvonne und Hannes haben uns zwar schon letztes Mal ihre Geschichte hören lassen, aber Elli und Otto kennen sie noch nicht. Wollt ihr noch einmal…vielleicht in einer Kurzversion…
Bevor Yvonne beginnt, schaut sie zu Elli, die neben ihr sitzt: Du kennst das eh schon zur Genüge. Also exklusiv für Otto. Dieses Mal hat sie ihr Manuskript mit. Und dieses Mal erfahren wir auch, dass ihr Freund – vielleicht der Priester aus ihrer Geschichte – Herbert heißt. Am Schluss ihrer Geschichte hält sie mir ihr 20-Seiten-Manuskript hin: Schenk ich dir…also nur, wenn du magst. Kannst ja die erste Seite zerknüllt in dein Rexglas einwecken.
Mach ich, drehe das Manus halb zu mir und lese mit schiefem Kopf den Titel halblaut: DAS KOMMT DAVON.
Hannes spitzt die Ohren: Wie war das?
DAS KOMMT DAVON, wiederhole ich.
Ah, sehr schön, bedankt sich Hannes und setzt dann gleich fort: Ja, ich kann es auch kurz machen. Seine Geschichte als verhinderter Theaterautor berührt mich auch beim zweiten Mal, dachte doch auch ich, das Theater wäre auch mein Medium. Aber zu mehr als zu zwei Hörspielen hat es nicht gereicht.
So, das war’s für heute. Ich deute auf die Uhr. Nächstes Mal könnten wir uns dann darüber austauschen, wie jeder/jede von uns mit der Abstinenz vom Schreiben zurechtkommt. Wie bei den Anonymen Alkoholikern, die die Tage, die sie schon trocken sind, feiern. Was meint ihr? Wäre schön, euch wiederzusehen. Termin wäre dann der 5.November, same time, same station, okay?! Bis dahin, ihr wisst, ich bin – zeige ich die Telefonspange am Ohr – ihr könnt mich jederzeit erreichen.
Das ist das Zeichen. Aufbruch. Ich will noch fragen, ob noch jemand Lust hat, etwas trinken zu gehen, …aber da sind sie schon bei der Tür draußen. Nur Elli lässt sich auffallend Zeit. Langsam kommt sie auf mich zu: Gehst noch was trinken mit mir?
Das Lokal fast leer. Nur die zwei Fenstertische sind mit Pärchen besetzt. Elli und ich setzen uns an einen Tisch im hinteren Bereich. Elli kommt gleich zur Sache, kramt in ihrer Tasche und reicht mir ein Buch, ihr Buch.
Für mich?
Klar, schenk ich dir.
Klingt spannend: ICH DOCH NICHT. Der Titel macht neugierig. Ich wende das Buch, ein Taschenbuch mit etwa 120/130 Seiten. Auf der Rückseite nur zwei Sätze: ICH DOCH NICHT ist die Geschichte einer Frau zwischen Selbst-und Fremdbestimmung. Und über das glückliche Scheitern einer Beziehung.
Weißt du, ich werde nämlich nicht nach Brüssel mitgehen.
Ach so, gebe ich mir Mühe, verwundert zu schauen, so aktuell…also was du da vorhin… das hat sich anders angehört.
Naja, vielleicht versuchen wir es erst einmal mit einer Fernbeziehung. Und wer weiß, wie lange das Engagement da oben dauert. Ich habe das Gefühl, ich brauch jetzt mal Zeit für mich.
Und dazu gehört, dass du das Schreiben sein lässt?
Ich versuch es. Also zumindest das Veröffentlichen. Tagebuch führe ich ja schon, seit ich sieben oder acht bin. Übrigens: Deine Idee mit den Rexgläsern finde ich super. Ich glaub, das werde ich auch machen.
Der Kellner bringt unsere Bestellung. Für Elli eine Melange. Und für mich ein Tonic.
Und du? Du bist jetzt tatsächlich Ex? Ex-Schiftsteller? Und das nach…nach wieviel Büchern?
24…
Gab es da…ach ja, du hast ja erzählt. Der Druckkostenzuschuss, die vierte Reihe.
Weißt du, ich wollte ja nie, also so wie man als Bub Lokführer werden, oder später einmal unbedingt BWL studieren will, um schnell viel Geld zu verdienen, …ich hab das ja nie angestrebt, wollte ja nie Schriftsteller werden. Schreiben ist wie Anamnese. Und wer will schon gern Patient sein. Wer will schon gern krank sein?
Das hört sich aber irgendwie schiach an. Elli macht große Augen.
Macht nix, mit schiach kenn ich mich aus. Wir lachen.
Ich hab mich als Schreiberling kennengelernt, bin in mich gegangen. Und was habe ich gefunden? Ein Rolle. Man spielt eine Rolle. Ohne Schreiben kannst du alles sein. Als Schreiberling bist du Schreiberling. Außerdem…
Ja?
Außerdem kam ich drauf, dass mein Schreiben nichts anderes ist… als ein …Imitationszwang. Ja, Imitation. So sein wie…aber die, denen man nacheifert, nicht erreichbar. Sonst wären sie ja nicht die, denen man nacheifert. Ich bin jetzt der, der sein Leben Jahr für Jahr in Rexgläsern dokumentiert. Für mich. Und nur für mich. Das Leben wegwecken, einfach wegwecken.
Ellis Mund stand leicht offen. Mehr als sie aber war ich selbst über das eben Gesagte erstaunt. Dabei freute ich mich auf meinen Schreibtisch, auf mein Romanprojekt über die Selbsthilfegruppe der Ex-SchriftstellerInnen. Ich mich? Nein, korrigierte ich mich gleich. Peter Petermann, nicht ich, er freut sich auf meinen Schreibtisch. Peter Petermann freut sich auf meinen Schreibtisch.
Jetzt wissen wir beide nichts mehr zu sagen. Elli trinkt ihren Kaffee aus, ich rufe den Kellner und zahle. Elli bedankt sich für die Einladung, ich halte ICH DOCH NICHT hoch, ihr entgegen und sage: Ich (!), ich habe zu danken. Sehe ich dich wieder? Sehe ich dich zu unserem nächsten Termin Anfang November?
Mal sehen. Möchte schon…aber du weißt ja (?)!: Brüssel!
Bei meinem ALLESKLARALLESGUTE stehen wir schon so, dass jeder sehen kann, dass wir uns in verschiedene Richtungen davonmachen.
Wer wird dann wiederkommen? Ich sehe schwarz, was den Fortbestand meiner Selbsthilfegruppe betrifft. Der einzige, der sich freut, ist Peter Petermann. Er hat jetzt nach der zweiten Sitzung wieder viel neues Material. Ich will ihm den Spaß nicht verderben. Da ist er ja, der weiße Ordner. Ich habe die Adresslisten, Fotos und so von all meinen Workshops gesammelt. Ich gehe zurück zu den älteren Workshops, Kurse, die länger als zwei Jahre zurückliegen. Zu den meisten gibt es auch ein Gruppenfoto.
An einige TeilnehmerInnen kann ich mich noch gut erinnern. Da war dieser Kommunikationsmensch, – ich nenne ihn hier Christian – der mit dem Ziel kam, 16 Kurzgeschichten zu schreiben und sie im Eigenverlag herauszubringen. Und das wäre es dann mit dem Schreiben. Warum gerade 16? Er verriet es uns nicht. Und tatsächlich. Nach 14 Monaten bekam ich Post. Ein dünnes Heft, Christians gedruckte 16 Kurzgeschichten.
Eine andere, ich nenne sie hier Bettina, -sie hatte schon einige ihrer Texte in Zeitschriften veröffentlicht – war mit einem Macker liiert, der auch schrieb und auch schon ein wenig bekannt war. Ich war mit beiden auf Facebook befreundet. Bettinas Gefährte starb. Und Bettina kümmerte sich ab da, was ich so mitbekam, nur noch um dessen Nachlassverwertung. Sie selbst schrieb keine einzige Zeile mehr.
Die beiden, Bettina und Christian könnte ich anrufen, ihnen eine E-Mail schicken, sie zum Treffen der Ex-SchriftstellerInnen einladen. Auf die E-Mail, die ich Christian schrieb, gab’s eine Fehlermeldung. Auf die von Bettina eine kurze Antwort, eine Absage, sie hätte jetzt andere Prioritäten.
Sollte ich es sein lassen? Mir fielen sicher noch Geschichten von anderen TeilnehmerInnen ein, die Peter Petermann verarbeiten könnte. Andererseits wollte ich die Selbsthilfegruppe nicht so schnell aufgeben. Die Kontakte und meine Rolle als Moderator, die taten mir gut. Also nehme ich mir den weißen Ordner noch einmal vor und klemme mich ans Telefon.
Meist bekomme ich ein BITTEWER? zu hören und es braucht einige Zeit, bis die Ehemaligen wissen, wer ich bin. Bei zwei habe ich Glück. Patrick wollte sich bei mir etwas abschauen, wollte selbst Workshops abhalten und leiten. Als er dann als Dozent scheiterte – er fand weder Veranstalter noch Schreibwütige – hat er auch das eigene Schreiben aufgegeben. Der andere – Heinz mit Namen – gründete eine Bar. Ob er denn noch schriebe? Wo denkst du hin, keine Zeit, aber was mir die Gäste so beichten, ich könnte dir Geschichten erzählen…
Sie wollten dann tatsächlich gestellt sein, bei unserem 3.Treffen. Aber bis dahin sind es noch fast drei Wochen. Drei gute Wochen, wenn ich den Sternen glauben will. Eine große Trendwende würde mir demnächst ins Haus stehen. Ich könne fürs erste einmal tüchtig durchschnaufen. Auch die Sonntags-Psychotests in der KRONE BUNT meinten es gut mit mir.
Ich konnte es mir aussuchen. Ich war einmal zugleich der romantische und weise Typ, in der Woche darauf der Offenherzige, der sich unberechenbar gibt. Also so eine Art Aprilwetter, auf das Verlass ist. Beste Voraussetzungen also, wie ich finde, eine Selbsthilfegruppe für Ex-SchriftstellerInnen zu moderieren und selbst unter einem Pseudonym heimlich weiterzuschreiben. Quasi als so eine Art Aprilwetter im November.
Ich vertraue da ganz Peter Petermann.
Ende
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