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Anton Adlers Notizen aus der Provinz
„Warum habe ich denen eigentlich ein Hirn gegeben?“
Oder:
Auch Geisti hat’s nicht immer leicht.

Der/die/das Große/r GeistIn hatte in unendlicher Güte, Weisheit und Geduld beschlossen, die Menschlein noch ein letztes Mal zu warnen und schickte ein Viruslein los. Da er/sie/es die Wesenlein mit einem Hirn ausgestattet hatte, in dem im Laufe der Menschheitsgeschichte irgendwann einmal – spät aber doch! – Spuren von Vernunft entdeckt worden waren, würden sie die Botschaft wohl verstehen, dachte der/die/das große GeistIn und rief sich in Erinnerung, dass er/sie/es dem Guten das Böse hinzugefügt hatte, um aus den Zellhäufchen autonom gestaltende Bilder seiner/ihrer selbst zu machen.

Das war wohl ein Irrtum. Als der Große Geist den jüngsten Bericht des Angelus Alpinus Centralis zu Gesicht bekam, sollen sich in himmlischen Sphären ungewöhnliche Szenen abgespielt haben.

Im Anhang der Postille der himmlischen Emissäre findet „Geisti“, wie er/sie/es in ätherischen Sphären liebevoll genannt wird, ein Dokument, das für großgeistiges Grübeln sorgen sollte: Der Recovery-Plan der Südtiroler Landesregierung.
„Dann schaumer halt mal!“ Geisti nimmt seufzend und leidvoll sonderweggeprüft das Dokument zur Hand, das großgeistige Auge fällt auf das Kapitel „Grüne Revolution und ökologischer Wandel“. Löblich, löblich! Immerhin setzen Südtirols Beste und Bestinnen dafür mit 1.020 Milliönchen die Hälfte des Kredits ein, den sie bei ihren Kindern aufgenommen haben.

Plötzlich ein leiser Donner von irgendwoher. Geisti wird rot im Gesicht. Wie bitte?! Was steht da? Reorganisation des Straßennetzes in Bozen Süd um 31 Milliönchen? Das Gewitter kommt näher. 18 Millionen für Straßen zu Bergbauernhöfen? Wo doch alles schon erschlossen ist… Wollen die jetzt mit dem BMW auf die Almen?

Ein Blitz zuckt auf. Wie bitte? 21 Millionen für Speicherbecken für die Beschneiung in Südtiroler Skigebieten? Ist das ein versteckter Ausgleich für Viruslein-Verluste, wenn länger geplante Investitionen plötzlich großzügig gefördert werden? Im Kapitel „Agrifuture“ kann man die bisher beste Umschreibung für Beiträge an den Weiter-So-Bauernbund und dessen Laimburg finden. So phantasievoll ist es bisher noch nie gelungen: „Stärkung der Infrastruktur und Kapazität für wissenschaftliche Forschung und Innovation zu Schaffung einer wiederkehrenden, digitalen und nachhaltigen Lebensmittelkette in den Bergen“. Soviel Phantasie hat einen Preis, der mit 67 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Weiter geht es bei den „Green Priority“-Projekten. Geisti wird übel. Was hat denn die Errichtung eines neuen Gebäudes für die Umweltagentur, die Sanierung der Gärten von Schloss Trautmannsdorf oder die Errichtung eines neuen Schlachthofes in Bozen mit nachhaltiger Zukunft zu tun? Außer vielleicht für die Kassen einiger?

In der ganzen Mission „Grüne Revolution und Ökologischer Wandel“ ist kein Cent für unabhängige Projekte in Richtung Ökolandbau, Biodiversität, Energieoptimierung oder Pestizidvermeidung vorgesehen. Doppelblitz mit Vierfachdonner.

„Und für so einen Scheißdreck habe ich den Menschlein ein Hirn gegeben? Oder ist da in Kernalpinien etwas schiefgelaufen?“, Geisti schnaubt. Vier Blitze, acht gewaltige Donnerschläge.

Er/sie/es liest nicht mehr weiter und versäumt noch einige Gustostückerln der in Nikolauslaune berauschten Südtiroler Landesregierung: 125 Millionen Euro für Seilbahnen und Lifte, „Smarte öffentliche Verwaltung“ für 89 Milliönchen, 12 Millionen für die Digitalisierung im Gesundheitsbereich, die Jahrzehnte hinterherhinkt. Und, und, und!

Achja, es gibt auch ein Kapitel Bildung, da hinten… Und womit wollen die wackeren Kernalpler für nachhaltige Zukunft sorgen? Mit einem „Haus der Bildung“, aha! Beton für Betonköpfe, sozusagen, eine sehr treffende Maßnahme. Und mit noch etwas: Mit dem Aufbau einer Fakultät für Ingenieurswissenschaften an der zu beFREIENden UNI Bozen. Spezialisierung: Automotive, hört man aus Bruneck rufen.

Vollchecker, die furchtlosen Fortschreiber an Eisack, Etsch und Rienz!

Es bleibt nur zu hoffen, dass Südtirol auch in Zukunft noch so unbedeutend bleibt wie bisher und dass die Entscheidungen der dortigen Provinzheinis überschaubare Auswirkungen auf den Planeten haben. Aber für die Revory-Stars reicht es ja, wenn sie in Südtirol weltberühmt sind und die Verbände Ruhe geben.

Anton Adler, dzt. Pub „The seven drunken Heinis“, Ballymaguigan

Anton Adler

Anton Adler wurde Anfang der Sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts als einziger Sohn einer Kaufmannsfamilie in Brixen geboren und absolvierte dort die ortsbekannte katholische Krämerseelen-Initiation inklusive Knabenseminar und Ministriermarathon. Nachdem seine Eltern bei einem Beichtunfall ums Leben gekommen waren, als Anton gerade einundzwanzig Jahre alt geworden war, verkaufte er den elterlichen Besitz bis auf die überraschenderweise im Giftschrank seines Vaters aufgetauchte Tucholsky-Gesamtausgabe. Dann wandte er sich dem noch nicht abgeschlossenen Studium der gepflegten Freizeitgestaltung zu, verbringt immer wieder einmal ein paar Monate in Südtirol und reist mindestens das halbe Jahr in der Welt herum. Technischen Herausforderungen zugeneigt und immer auf dem neuesten Stand der Kommunikationsmöglichkeiten, ließ er sich in Tadschikistan zum Geheimdienstler ausbilden und unterhält mittlerweile ein dichtes Netz an InformantInnen, die ihm aus dem Kerntiroler Erbfürstentum an Eisack, Etsch und Rienz den Rohstoff für seine Schreibübungen liefern.

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