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Manfred A. Schmid
Markus Hinterhäuser
Oder:
Die verlorene Kunst der Fuge
Intendantendämmerung als Opernhöhepunkt
der Salzburger Festspiele 2023

Die Besucher des Salzburger Festspielsommers wurden nicht nur von mehreren misslungenen Neuinszenierungen heimgesucht. Es häuften sich auch technische Pannen, die den Spielbetrieb empfindlich beeinträchtigten und so ein weiteres bezeichnendes Licht auf den üblen Zustand des Festivals in der Mozartstadt werfen konnten. 

Zunächst wurde die hoffnungslos im Wasser ersoffene Fallstaff-Inszenierung von Christoph Marthaler zusätzlich, wie zum Spott, auch noch durch Regen, der durch das lecke Dach des Festspielhauses auf einige Zuschauer herniederprasselte, empfindlich gestört, was für peinliche Schlagzeilen in der internationalen Presse sorgte.

Die nächste Plage ließ nicht lange auf sich warten. Glucks Orfeo ed Euridice mit der nicht mehr ganz taufrischen Cecilia Bartoli drohte vom Winde verweht zu werden. Ein Defekt in der Klimaanlage war die Ursache dafür, dass unter lauten Geräuschen Unmengen von Luft in die Sitzreihen im 1. Rang links hineingeblasen wurden, was so manche kunstvoll zurechtgemachte Frisur empfindlich zerzaust haben dürfte. Nach etwa einer Viertelstunde konnte der Schaden behoben werden und die Vorstellung beginnen.

Zwei Tage später verzögerte sich der Beginn des Liederabends von Asmik Grigorian aus nicht eruierbaren Gründen um mehrere Minuten. Es trat zwar ein Mann vor das Publikum und gab über Mikrofon eine Erklärung ab, die aber ab der 3. Reihe Parterre niemand mehr vernehmen konnte. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um eine Störung der Tonanlage handelte, über die man das Publikum aufklären wollte…

Das Motto der diesjährigen Festspiele Salzburg lautete bekanntlich: Die Zeit ist aus den Fugen. Es ist aber nicht nur die Zeit, die aus den Fugen ist, sondern vor allem die Intendanz von Markus Hinterhäuser, die von Mal zu Mal desolater zu werden scheint.

Die Kritik an ihm hielt sich in Österreich zunächst noch in Grenzen. Medien im Ausland hingegen gingen früh und vermehrt in Angriffspositionen über. 

Mag sein, dass es sich dabei zum Teil auch um Entlastungsversuche und Ablenkungsmanöver angesichts der sich zuspitzenden Bayreuther Festspiel-Krise gehandelt habe dürfte. Aber die z.B. im St. Galler Tagblatt aus der Schweiz zu lesende Kritik sollte den Kulturverantwortlichen hierzulande doch zu denken geben: Vor allem Intendant Markus Hinterhäuser wirkt in verschiedenen Funktionen seit genau drei Jahrzehnten fast unterbrechungslos an der Salzach und straft die Medien mit mürrischer Verachtung, weil die Kritik an seiner einfallsarmen, rückwärtsgewandten Programmierung zunimmt.

Während der Festspiele hatte die österreichische Presse noch ziemlich stillgehalten, jetzt nimmt sie sich, in den Rückblicken auf die besonders auf dem Opernsektor mehr als durchwachsene Saison kein Blatt mehr vor den Mund. 

So schreibt etwa der Standard: Im Herbst steht Hinterhäusers mögliche Vertragsverlängerung an – da sollten zuvor noch intensive Gespräche geführt werden. Begründet wird die Skepsis mit der zu konstatierenden besorgniserregenden Routine im Festspielbetrieb, der nicht zufriedenstellenden Programmierung und Hinterhäusers selbstverständlicher Abwehrhaltung einer diskursiveren Durchlässigkeit des Festivals und seiner gesellschaftspolitischen Positionierung: Warf sich Langzeitpräsidentin Helga Rabl-Stadler noch breitbeinig in Diskussionen, verschanzt sich Hinterhäuser gerne in seiner künstlerischen Trutzburg. Das Fazit des Standard ist ernüchternd und klar: Hinterhäuser scheint die Rolle als ‚König von Salzburg‘ (so titelte ein Wiener Magazin) zu überfordern. 

Mit einem Satz: Hinterhäuser kann es nicht!

Es wäre an der Zeit, dass der offensichtlich überforderte Intendant zurücktritt, bevor die aus den Fugen geratenen Festspiele noch mehr Schaden erleiden. Der talentierte Klavierspieler mit Erfahrung in der Kammermusik hat den Opernbetrieb offenbar bis heute nie so richtig in den Griff bekommen. Dafür kann der Schwiegersohn einer Salzburger Bankiersfamilie (!) vermutlich genauso wenig, wie er mit diesem eingeschränkten künstlerischen Profil und Portefeuille in dieses Amt berufen wurde bzw. hineingeschlittert ist. 

Für den angerichteten Schaden sind die verantwortlich, die ihn in dieses Amt berufen haben. Falls Hinterhäuser nicht selbst die Konsequenzen zieht und die Flucht ergreift, nicht nur vor der Presse, was er schon immer am liebsten tat, sondern vor den Festspielen: Wer zieht dann die längst fällige Notbremse? 

Die Fuge, das Loch, das der Abgang von Intendant Markus Hinterhäuser hinterlassen würde, wäre nicht so groß. Er hat es ja ohnehin zumeist kaum erfüllt bzw. gefüllt.

Anmerkung zum Begriff Fuge: Der Name kommt aus dem Lateinischen. „Fuga“ bedeutet „Flucht“. Diese Bezeichnung sagt schon einiges über das Prinzip der musikalischen Fuge aus: Eine Stimme stellt eine prägnante Melodie, genannt Thema, vor und wird dann von anderen Stimmen verfolgt. Die Stimme, die das Thema vorgibt, kann sich, wenn sie nicht stark genug ist, immer mehr verflüchtigen. Ist dann aber immer noch da: als bauliche Fuge, Spalt, Loch, Zwischenraum. 

Näheres über das merkwürdige Phänomen des Zwischenraums findet man in Christian Morgensterns Gedicht „Der Lattenzaun“.

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Manfred A. Schmid

Manfred Schmid hat am Konservatorium in Klagenfurt Violine und Tonsatz und an der Universität Wien Philosophie und Psychologie studiert. An der University of Strathclyde in Glasgow, wo er als Lektor tätig war, hat er ein Postgraduate-Studium der Literaturwissenschaft absolviert. Nach einigen Jahren als Universitätsdozent an der Universidad Nacional dé Mexico kehrte er nach Österreich zurück, wo er zunächst als Cheflektor und Verlagsleiter die Edition S, den Belletristik-Zweig des Verlags der Österreichischen Staatsdruckerei, leitete. Es folgten rund zehn Jahre als Redakteur bei der Wiener Zeitung (Medienressort-Leitung, Theater- und Musikkritik, Kolumnist der „Extra“-Beilage) und eine mehrjährige Tätigkeit als Trainer und Coach (Kommunikation, Berufsorientierung). In der Pension schreibt Schmid regelmäßig Opernkritiken auf www.onlinemerker.com und widmet sich intensiv dem Komponieren – eine Leidenschaft, die ihn seit der Kindheit bis heute begleitet.

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