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Literarische Korrespondenz:
A. Schöpf an B. Weber - B. Weber an A. Schöpf
Betrifft:
Suche nach einer Rezensentin
für die Sprechtheaterproduktionen
des Tiroler Landestheaters

Liebe Barbara Weber!

Immer wieder bekomme ich von dir Zusendungen, in denen deine hohe Intelligenz und Bildung aufscheint, aber auch Theorien vertreten werden, mit denen ich beim besten Willen nicht mitkann. Diesen Einleitungssatz muss ich formulieren, um meine Frage an dich in den richtigen Rahmen zu stellen.

In meinem schoepfblog rezensiert Thomas Nußbaumer die Konzerte des Tiroler Symphonieorchesters und die Opernaufführungen des Landestheaters mit feiner und für die Akteure mitfühlender Feder. Im Bereich der Wiener Staatsoper rezensiert für mich Manfred A. Schmid aus Wien.

Für die Besprechung des Sprechtheaters suche ich noch eine versierte Rezensentin, wobei ich die Frage an dich richte, ob du vielleicht Lust dazu hast, die Produktionen des Tiroler Landestheaters regelmäßig zu besprechen.

Dabei muss ich jedoch von vornherein darauf bestehen, dass du mir nicht jedes Mal eine Schlachtschüssel anrichtest, sondern bei aller Kritik die Möglichkeit offen lässt, mit den jeweils Kritisierten oder Gelobten jederzeit freundschaftlich sprechen zu können.

Du hast selbst genug Theatererfahrung, um zu wissen, dass sich die meisten um die beste Leistung bemühen und in diesem Bemühen gewürdigt werden müssen, was nicht bedeutet, dass eine unvollkommene oder ärgerliche Leistung nicht auch als solche benannt werden sollte.

Genug der Worte: Hättest du eventuell Interesse unter den von mir umschriebenen Bedingungen das Sprechtheater im Tiroler Landestheater zu observieren?

Leider muss ich gleich ehrlicherweise hinzufügen, dass ich meinen Blog aus der privaten Tasche zu bezahlen habe und daher keine Honorare ausschütten kann, da das Land mir schon zweimal lapidar mitgeteilt hat: Blogs werden nicht gefördert. Dazu kann ich nur sagen: Gegen Dummheit gibt es kein Mittel!

Ich grüße dich herzlich
Alois Schöpf


Lieber Alois!

Ja- natürlich würde ich das gerne machen. Das hätte ich gerne gemacht – früher – und hätte ich auch gut können. Aber in der anderen Zeit – früher.

Jetzt interessiert es mich nicht mehr. Da ist mir meine Zeit zu schade. Dafür habe ich keine Nerven. Ich werde den Spielplan nicht aushalten und immer nur schäumend und mit Zuckungen im Theater sitzen.

Jetzt mit diesem Zeitgeist in der Gesellschaft werde ich mir keine solche Tortur antun – wie z.B. das Was ihr wollt – und auch noch Eintritt dafür bezahlen – wo ein schnuckelig schöner, schwarzgelockter Mann aus Südtirol die Viola spielt.

Er fühlt sich als Frau und gewinnt den Herzog Orsino für sich. Wie soll ich dann das rezensieren, wenn der Herzog am Schluss zu Viola sagt, der eindeutig ein Mann ist: Lass mich dich in Frauenkleidern sehen! Er weiß, dass er einen nicht geschlechtsumgewandelten Mann lieben würde, an dem noch alles dran ist, wenn er die sich als Viola Fühlende umarmt und küsst.

Und die vormals Geliebte Olivia schaut ins Narrenkastl, weil Viola, die körperlich ein Sebastian ist, sie nicht haben will. Sie ist ja nicht lesbisch! Die Haushofmeisterin Malvolia hingegen liebt sie inniglich. Die ist sehr wohl lesbisch.

Wie soll ich denn die schauspielerische Leistung eines Schauspielers beurteilen, der versucht im Körper eines Mannes die Gefühle einer liebenden Frau dem Publikum zu zeigen. Wenn er selber ein Transmann ist oder eine Drag Queen gelingt ihm das vielleicht. Aber es professionell erspielen? Was wird da von den DarstellerInnen verlangt? Von verirrten oder verwirrten RegisseurInnen und verantwortlichen Intendantinnen?

Alois! Nein – ich werde nicht ins Theater gehen. Vielleicht ab und zu ins Konzert. Aber nicht ins Sprechtheater. Ich habe schon die 7 Todsünden in Telfs bei der Premiere lauthals mit Buh belegt. Was der Gregor da auf die Bühne gestellt hat war für mich sehr ähnlich wie damals ein Fackelzug des Herrn Goebbels in Heidelberg. Es war faschistisch – Verdummung und Missbrauch des infantilen, durch Propaganda hirntot gemachten Publikums, das auf alle Fälle immer aufspringen wird und jubelnd standig ovations macht, wenn das Geld von einem Mäzen sich über einen willfährigen, beflissenen, diensteifrigen Clown ergießt.

Sorry. Ich kann nur noch aussprechen, was ich empfinde und sehe. Ich kann das nicht mehr professionell beschönigen und beschwichtigen und höflich mildernd in Watte verpacken, damit ich mit den jeweils Kritisierten oder Gelobten jederzeit freundschaftlich sprechen kann.

Dein Angebot ehrt mich, dass Du das Vertrauen hättest. Aber – Alois! Es sind 30 Jahre – seit 1990 bin ich weg vom Fenster, in der Versenkung verschwunden. Ich habe seit 30 Jahren keinen Fuß mehr auf eine Bühne gesetzt. Ich war 10 Jahre lang Sagenerzählerin und jetzt seit 12 Jahren altes Eisen, nicht einmal Ladenhüterin – sondern eine Gletschermumie, eine Frau Ötzi, so tief in der Gletscherspalte für die Tiroler Theaterschaffenden, dass ich einfach nicht kompetent genug bin etwas über das zeitgeistige Theater sagen zu können.

Kein Mensch würde ernst nehmen, was ich zu sagen habe. Die würden mich zerfetzen, bekämpfen, mobben, Gift und Galle spucken, dass ich es überhaupt wage, den Mund aufzumachen. Alle, das sind ca. 25 Theater-Aktive am Landestheater, nein mehr – mit den SchauspielerInnen sind das mehr als 100, die sich nicht von mir kritisieren oder begutachten lassen.

Die Girkinger hat meine Bewerbung nicht einmal beantwortet. Ich hab ihr auch meine drei Stücke geschickt. Nicht ein einziges Wort habe ich von der als Reaktion bekommen. Alois, ich kritisiere nicht – ich lehne ab. Mehr noch: Ich sag es wie der Sattmann in der Piefke-Saga: Ich reise ab!

Ich bin abgereist!
Herzliche Grüße
Barbara

PS: Ich suche also weiterhin eine kundige Rezensentin oder einen kundigen Rezensenten für die Sprechtheaterproduktionen des Tiroler Landestheaters. Bitte melden! A.S.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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