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Literarische Korrespondenz:
Von Wolfgang Bauer an das Leserforum
Betrifft:
Nachgeben ist Einladen.
Zu Russlands Großmachtsphantasien

Sehr geehrte Damen und Herren vom Leserforum!

Um fundiert naiv sein zu können, benötigt man zuerst einmal selbst einen nach der Überzeugung der eigenen engeren Umgebung anständigen Charakter. Dieser ist die beste Voraussetzung, um neue Informationen zu positiv zu betrachten und bei Problemen verbindliche und, wenn möglich, mediativ brauchbare Lösungen zu erhoffen.

Diese Naivität nehme ich in zu vielen Kommentaren wahr. Sie laufen überwiegend auf den Vorschlag zur Neutralisierung der Ukraine nach der für uns Österreicher so glücklichen Lösung hinaus. Sie basieren alle auf der Vorstellung, dass man mit Putin wie mit anderen vernünftigen Menschen reden kann. Menschen, die halt auch andere, sogar verständliche Interessen haben können und zu einer für beide Seiten tragbaren Lösung finden.

Das ist jedoch illusorisch, da die Ukraine nicht Österreich ist und Putin nicht in unseren Kategorien denkt. Das Wichtigste: wir denken in der Kategorie der Gewaltvermeidung! Er sieht dies als Schwäche. Und er muss sich und uns ständig beweisen, dass er stark ist.

Wir sind der vollen Überzeugung, dass Länder das Recht haben, ihre politische Ausrichtung und ihr rechtliches Fundament selbst mit allgemein anerkannten demokratischen Spielregeln zu gestalten. Darin sehen Putin, seine Ministranten, aber auch die Herrscher Chinas eine Bedrohung ihrer Macht. In ihrem Verständnis ist das ein gefährlicher Angriff auf ihr Land.

Was wissen wir, wie das chinesische Fernsehen sein Volk (Han Chinesen) in der ganzen Welt indoktriniert? Was aus einem Vermittlungsversuch von China heraus kommen soll, ist spannend.

Zur weiteren Erklärung möchte ich wichtige eigene Erlebnisse beisteuern, die mich zu der festen Überzeugung bringen, dass nur das russische Innenministerium (der Inlandsgeheimdient) selbst das Problem „Putin“ und seine geheimen Seilschaften auch innerhalb der „glorreichen russischen Armee“ lösen kann.

Diese meine Erlebnisse beginnen in meiner Kindheit im Waldviertel in der russischen Besatzungszone und setzen sich während meines Studiums in Wien mit unfreiwilligen Berührungspunkten mit dem damaligen NKWD fort. Mit meiner Kanzleipartnerin in Innsbruck, die teilweise (die vorher gesunde damalige russische Geschäftspartnerin verstarb innerhalb von 2 Wochen angeblich an Krebs) sehr erfolgreiche Geschäftsbeziehungen aufgebaut hatte, und mit den Erfahrungen im Rahmen des Internationalen Know How Transfers des Wirtschaftsministeriums in Wien bei Seminaren mit angehenden Unternehmern und Unternehmerinnen, wie Wirtschaft im Westen funktioniert, konnte ich wertvolle Informationen sammeln und gute persönliche Verbindungen bis heute aufbauen. Wobei die Telefonnummer einer langjährigen Bekannten seit einigen Monaten nicht mehr funktioniert.

Zum Unterschied zwischen Österreich und der Ukraine: Österreich hatte 4 Besatzungsmächte, nicht nur die Russen, von denen der russische Sektor mit Niederösterreich, mit dem Mühlviertel und  einigen Wiener Bezirken ausgeraubt wurde und mit den Panzern im Norden (CSSR) und Osten (Ungarn) rasch wieder hätte eingenommen werden können. 1968 beim Aufstand in der Tschechoslowakei soll sogar daran gedacht worden sein. Das Bundesheer hat damals die Abrüstung der Rekruten verschoben und wir Reserveoffiziere waren alarmiert.

Die Ukraine hat durch die russische Besatzung seit über 100 Jahren keine Voraussetzung für eine Neutralität nach unserem Rezept. Putin will das russische Reich in den Grenzen der Sowjetunion wieder herstellen, wie mir ein freundlicher Offizier in Ufa und ein russischer Gast in Seefeld schon vor Jahren mitgeteilt hat.

Ich habe Russland bei meinen Besuchen nur in Moskau russisch erlebt. In Ufa wurde ich von der Baschkierischen Republik eingeladen, die Russen waren teilweise die Dolmetscher oder saßen fleißig mitschreibend bei meinen Workshops wie in Jakutsk, wo ich von der Republik Sacha eingeladen war. In Taschkent schon etwas früher war das Benehmen der russischen Uniformträger so, wie ich es zu Beginn der 50iger Jahre in Laxenburg bei Wien erlebt habe. Ich habe also das große russische Reich als Kolonialreich seit der Zarenzeit erlebt. Und dabei auch immer wieder liebenswürdige, unendlich gastfreundliche und weit besser gebildete Menschen als manchmal in Deutschland oder aus den USA kennen, achten, manchmal lieben und wegen ihres Regimes bedauern gelernt.

Der Osten der Ukraine hat eine längere russische Vergangenheit d.h. keine westliche Justiz- und Verwaltungspraxis. Stalin hat die gut gebildete Bevölkerung der ehemaligen Monarchie herumgeschoben, wo er sie gerade gebraucht hat, auch zum Auffüllen der von den Deutschen entleerten Gebiete in Schlesien.

Ich habe bei meiner Arbeit in Wroclaw und in Locz auch öfter gute verwandtschaftliche Verbindungen zwischen Polen und der Ukraine erlebt. Die Polen und die Ukrainer mussten sich also seit Jahrhunderten gegen die zaristischen Herrschaftsgelüste mit Gewalt und immer mit hohem Blutzoll wehren.

Die russischen Nationalisten müssen zur Aufmöbelung ihres primitiven Minderwertigkeitskomplexes jetzt sogar mit Hilfe der orthodoxen Würdenträger Gewalt einsetzen, um mit Unterstützung der westlichen Banken jenes Vermögen anzuhäufen, das sie ihrem Volk stehlen. Wie die Großfürsten beim Zaren, die auch die Reformen der westlichen Staaten in Sachen Landaufteilung und Rechtsstaat bis zur Revolution verhindert haben.

Es muss den Menschen hierzulande deutlich gesagt werden, dass jetzt jedes Nachgeben den nächsten Akt von Putin nur herausfordert. Haben wir noch immer nichts aus den Methoden von Hitler gelernt?


Dr. Wolfgang Bauer, geb. 1944 in Kottes, NÖ, Trainee, Assistent des Konzernpersonalchefs der Steyr-Daimler-Puch AG, Leiter Personal und Sozialwesen der Jenbacher AG, seit 1988 staatlich geprüfter Unternehmensberater, 1992 – 2005 Teilnahme am internationalen Know-How Transfer der Wirtschaftskammer Österreich in Russland, Polen, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei, Lehraufträge an Fachhochschulen in Lodz und Wroclaw, Personalservice für die Andritzer Maschinenfabrik AG in Ningbo bei Shanghai 1996 – 1998. Von 1996 – 2007 International Consulting mit Sitz in Innsbruck für nationale und internationale Beraterkooperationen, von 2001 – 2017 Gutachter im Auftrag des Gesundheits- und Familien-ministeriums für das Audit „Vereinbarkeit von Beruf & Familie“.

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