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Literarische Korrespondenz
Sehr geehrter Herr Dr. Dittlbacher…Sehr geehrter Herr Hladik…
Betrifft:
Qualität von Hoch- und Fachhochschulen

Sehr geehrter Herr Dr. Dittlbacher!

Erlauben Sie mir bitte ein paar Gedanken Ihrem gestrigen Interview in der TV-Abendsendung Studio2 anzufügen. Der „Fall Aschbacher“ scheint mir lediglich die Spitze eines Eisberges zu sein.

Die Zunahme an Fachhochschulen und auch Universitäten nicht nur in unserem Land ist auffällig. So wie es heute schon zur Normalität gehört, dass jedes größere Dorf seine Gewerbe- und Industriezone hat, gehört es bald zum guten Ton, dass jede größere Stadt eine FH oder gleich eine (Privat-)Universität hat.

Ich (72) führe zwar selbst keinen akademischen Grad oder anderen Titel, habe aber in meinem langen und intensiven Berufsleben nicht nur regelmäßig mit studierten Personen zu tun gehabt, sondern sogar Universitätsprofessoren im In- und Ausland zu meinen Freunden zählen dürfen. Stets auf Augenhöhe und ohne Standesdünkel.

Wenn ich mich aber in meiner Branche so umschaue, dann kommen mir schon zunehmend Zweifel an der Qualität von Studien und Studiengängen. So kann ich auf Fachkollegen verweisen, die in ihrer Jugend vor allem als pfuschende Handwerker am Bau tätig waren, durch einen gefinkelten Schachzug einer Wirtschaftskammer (Innung) innerhalb eines halben Jahres den Meisterbrief bekommen haben – obwohl sie weder eine Lehrabschlussprüfung oder einen Gesellenbrief ihr eigen nennen konnten – und jetzt nach ihrem Namen „MSc“ dazuschreiben dürfen, weil sie an der Universität X studiert haben und dort von einem Univ.-Doz. betreut wurden, mit dem sie über längere Zeit in einem Fachgremium gesessen sind oder immer noch sitzen.

Bei Plagiatsvorwürfen in Bachelor-, Master- oder Diplomarbeiten sowie bei Dissertationen sollten m.E. auch drei wesentliche Fragen gestellt werden.

Erstens, wer ist der Auftraggeber für solche, oft erst nach vielen Jahren erfolgende Überprüfungen und welche Motive stehen dahinter?

Zweitens die Frage nach der Mitwirkung und/oder Mitverantwortung der Betreuungspersonen. Jede wissenschaftliche Prüfungsarbeit wird ja von einem Betreuer, bei Dissertationen von einem „Doktorvater“ begleitet. Haben die keine Augen im Kopf? Oder ist da der eine oder andere gar als Ghostwriter tätig?

Drittens ist es ja absolute Pflicht, dass der/die Prüfungskandidat/in sich in schon vorhandene Fachliteratur einarbeitet und auf diese auch Bezug nimmt. Werden dann Textteile daraus in der eigenen Arbeit verwendet, so ist das mit einer entsprechenden Fußnote bzw. mit einem Literaturhinweis zu kennzeichnen. Unterbleibt diese Kennzeichnung (Zitierung), dann ist das jedenfalls ein strafrechtlicher Fehler, weil geistiger Diebstahl. Das steht völlig außer Diskussion.
Kann aber das bloße Fehlen von Literaturhinweisen, eine ganze, sich über eine bisweilen sehr lange Zeit erstreckende wissenschaftliche Arbeit, dem Grunde nach in Frage stellen? Außerdem stellt sich dann logischerweise auch die o.a. Frage 2.

Ich erlaube mir diese kritischen Anmerkungen deshalb, weil ich in den letzten 30 Berufsjahren als Fachexperte, hauptberuflich tätig, an die 800 Gerichts- und Privatgutachten erstattete, in allen deutschsprachigen Ländern über 120 Vorträge und Seminare gehalten, zahlreiche Publikationen geschrieben (… samt Literaturhinweisen!, Anm.) und auch ein Fachbuch herausgegeben habe, sowie über die Grenzen hinaus, international im Sachverständigenwesen tätig war und bin.

Ich hatte immer wieder mit FH-, HS- und UNI-Absolventen zu tun, bei denen man sich oft fragen musste, wer denen was vermittelt hat. Leider zieht sich diese schlendrige Entwicklung bis in die Ebene des Handwerks durch. Während man früher an Lehrbauhöfen Handwerker mit Herz und Hirn ausgebildet hat, werden heute an Bauakademien vor allem Monteure von Industriehalbfertigprodukten herangezogen und auch noch zertifiziert.

Wenn in letzter Zeit immer wieder Fragen zur Bildung aufgeworfen werden, dann sollte man sich nicht nur den bedenklichen Rechen- und Schreibkünsten von Maturanten widmen, sondern auch einmal bestehende Aus- und Fortbildungseinrichtungen einer sehr kritischen Betrachtung unterziehen.
Meint, mit freundlichen Grüßen aus Tirol
Michael Hladik


Sehr geehrter Herr Hladik,

zunächst einmal herzlichen Dank für Ihr Schreiben. Ihre Skepsis in Sachen „Plagiatsjäger“ teile ich prinzipiell, die Motivation, warum wer was nachprüft, scheint mir auch nicht immer nur in der Ethik begründet zu sein. Trotzdem haben natürlich Überprüfungen wie jene der Dissertation der Ex-Arbeitsministerin schon einen reinigenden Effekt. Dass es nicht angeht, dass man sich mit Geld und Beziehungen einen schmückenden Titel für die eigene Eitelkeit verschafft, sollte selbstverständlich sein.

Allerdings kann ich Sie in Sachen akademische Ehrlichkeit – zumindest an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen aus eigenem Wissen beruhigen: Ich habe selbst eine Fachhochschul-Professur inne (an der FH Wien, nicht Wiener Neustadt) und betreue in dieser Funktion immer wieder auch Diplomarbeiten. Nicht nur, dass ich von meinem Selbstverständnis her auf ein ordentliches Arbeiten dränge, gibt es auch darüber hinaus reichende Qualitätskontrollen.

Diese Arbeiten werden in der Defensio durchaus ordentlich hinterfragt. Und seit Mitte der 2000er-Jahre geht jede dieser Arbeiten, vor ihrer Approbation, durch eine digitale Plagiatsprüfung. Bei jeder Abschlussarbeit bekommt also sowohl der Verfasser, die Verfasserin, als auch der Begutachter, eine umfangreiche Dokumentation aller „plagiatsgefährdeten“ Stellen. Die werden dann einzeln durchgegangen – und das war immer durchaus ein Aufwand für meine Studenten und mich. Denn wo immer in einem Text sechs, sieben Wörter in ihrer Abfolge ident mit irgendeiner anderen Publikation sind, schlägt das Programm bereits Alarm.

Das gilt natürlich nur für deutschsprachige Arbeiten an deutschsprachigen Hochschulen, wie ich jetzt lernen durfte. Dass das slowakische Plagiatsprogramm bei der Aschbacher-Arbeit nichts gefunden hat, wundert mich nicht…
Mit freundlichen Grüßen, Fritz Dittlbacher


Sehr geehrter Herr Dr. Dittlbacher,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
In allen Medien nimmt das Thema „Plagiate“ dieser Tage Platz ein. In der Tiroler Tageszeitung hat der langjährige Kolumnist Alois Schöpf gestern in der Kolumne APROPOS unter dem Titel ACHTUNG HOCHSCHULE ebenfalls das Problem beleuchtet und verbleibe mit freundlichem Gruß
Michael Hladik


Sehr geehrter Herr Hladik,
wenn der geschätzte Kollege Schöpf unsere Korrespondenz gerne auf seine Homepage stellen möchte, hab ich nichts dagegen.
Mit freundlichen Grüßen, Fritz Dittlbacher

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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