Literarische Korrespondenz:
Helmut Schiestl an die Redaktion
der Tageszeitung „Der Standard“
Betrifft:
Posting-Sperre wegen Verstoßes
gegen die Community-Regeln

Zur Erklärung

Viele linksliberale oder sich den Seiten des kritischen Journalismus verbunden fühlende Zeitungsleser und Leserinnen halten die österreichische Tageszeitung Der Standard für ein eben dieser Haltung und der Meinungsvielfalt verpflichtetes Medium der österreichischen Zeitungslandschaft. Das Wort Haltung habe ich gerade auch deswegen kursiv gesetzt, weil das Medium damit wirbt und sogar einige Merchandising-Produkte dazu in seinem Angebot für ihre Leserinnen und Leser anbietet.

Weniger dieser Haltung verpflichtet dürfte man sich in der Redaktion des STANDARD-Onlineforums fühlen, musste ich dort durch ein kritisches Posting zu einem in der STANDARD-Ausgabe vom 27. Jänner 2024 erschienenen Artikel zum Thema Samenspende für alleinstehende Frauen, also für Frauen, die in keiner Partnerschaft leben – eine solche Samenspende ist in Österreich zurzeit übrigens auch nicht erlaubt! -, eine zeitlich nicht befristete Sperre für das Forum ausfassen.

Unten stehend das Schreiben der Forumsredaktion des STANDARD auf meine Anfrage, warum meine Postings seither weder erschienen sind noch freigeschaltet wurden. Sodann meine Antwort darauf und dazwischen meine Postings zu eben diesem Thema, die man unter meinem Nickname Trauriger Mann bis vor kurzem noch nachlesen konnte.

Man muss die Meinung, die ich im Forum kundtat, keineswegs teilen, man kann und soll sie durchaus kritisch sehen, dazu ist das Forum ja da; die einzelnen Postings werden ja von den Usern und Userinnen mit einem grünen oder roten Stricherl bewertet: grün für positiv, rot für negativ.

Dass man aber einen User sperrt, der schon seit Beginn des STANDARD dessen Abonnent ist, und sich nie rassistischer, sexistischer oder sonstiger Hetzreden in seinen Postings bedient hat, lässt für mich doch tief in das irrige Verständnis von Meinungsfreiheit blicken. 

Und ich denke, dass es gut ist, wenn dieser mein Protest hier in diesem Blog veröffentlicht wird.

Wie übrigens aus der Antwort der Redaktion an mich ersichtlich ist, bezieht sich die Sperre nicht nur auf die inkriminierten Postings, sondern auf alle anderen Stellungnahmen meinerseits, die ich immer wieder zu verschiedenen, im STANDARD erschienen Artikeln abgab. Zugegeben immer etwas kritisch, manchmal sicher auch zugespitzt und skeptisch der Blattlinie gegenüber. Das sei gerne zugegeben! 

Aber niemals gegen die im Schreiben angeführten Community-Regeln verstoßend! Und wer mich kennt, wird mir in dieser Sache auch gern Glauben schenken.


Von: helmut.schiestl@aon.at
Gesendet: Montag, 29. Jänner 2024 11:05
An: Mayr Peter Betreff: Anfrage wegen Sperre

Sehr geehrter Herr Mayr!
Wie ich jetzt beim Bewerten eines STANDARD-Artikels erfahren musste, bin ich wegen Verstoßes gegen die Community-Regeln im STANDARD gesperrt. Da ich in meinen Postings – das letzte war zu einem Artikel über Samenspender – weder jemanden beleidigt noch mich rassistisch oder sexistisch geäußert habe, möchte ich wissen, was da zu einer Sperre geführt hat. Ich habe, zugegeben, in meinem letzten Posting zu oben erwähntem Artikel etwas überspitzt formuliert, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das in einem liberalen Forum bereits zu einer Sperre des Users führen kann. 

Schließlich lebt ein solches Forum ja vom Austausch von Meinungen, die dann auch dementsprechend von anderen Usern und Userinnen kommentiert und benotet werden. Sprich, sie werden dann vielleicht demokratisch entweder für gut oder schlecht bewertet. Vielleicht können Sie mich über dieses in meinen Augen doch etwas eigenartige Demokratieverständnis im Forum des STANDARD aufklären.
Vielleicht noch zur Information: Ich poste als Trauriger Mann, was der Forumsredaktion ja bekannt ist.

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Schiestl


Postings: Sollte ein Kind nicht auch einen Vater brauchen?

Trauriger Mann
Dieser Selbstverwirklichungswahn der Frauen greift mir da zu kurz! Warum will denn Frau ein Kind haben, wenn sie keine Hetero-Partnerschaft haben will oder kann? Ein Kind braucht auch einen Vater als Bezugsperson. Ist das so schwer zu begreifen?

Trauriger Mann
Denkt das bitte mal zu Ende: kein Mensch hat ein Recht auf ein Kind, genauso wenig wie ein Mensch ein Recht auf Sex hat!

Trauriger Mann
Das ist für mich kein schlüssiges Argument. Nur weil es natürlich viele Kinder gibt, die mit nur einem Elternteil aufwachsen müssen, aus welchen Gründen immer, ist das kein Argument, dass es nicht eine normale Familie mit Mutter und Vater geben soll. 

Es wird hier überhaupt nicht an das Kindeswohl gedacht bei diesen ganzen Diskussionen. Es geht lediglich darum, dass Frau selbständig ein Kind haben kann, egal, in welchen Verhältnissen sie lebt. Nur was Frau will, zählt, aus basta!

(Dieses Posting bezog sich auf den Einwand, dass ja auch im Normalfall viele Kinder nur mit einem Elternteil – meistens die Mutter – aufwachsen würden.)

Trauriger Mann
So lange Frauen glauben, dass sie zu ihrer Selbstverwirklichung Mütter werden müssen, bin ich kein Feminist!


Von: foren
Gesendet: Dienstag, 30. Jänner 2024 10:52
An: Trauriger Mann helmut.schiestl@aon.at
Betreff: WG: Anfrage wegen Sperre

Sehr geehrte:r Trauriger Mann, 

vielen Dank für Ihre Nachricht. Leider mussten wir Ihnen die Berechtigung an unserer Community teilzuhaben entziehen.

In den Community-Richtlinien weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass User:innen, die wiederholt versuchen, den Richtlinien widersprechende Beiträge zu veröffentlichen, Ihre Registrierung entzogen wird.

Sie haben mit Ihren Postings bereits mehrmals gegen unsere Community-Richtlinien verstoßen, insbesondere folgenden Punkten:

• Respektvoller Umgang: Behandeln Sie andere User, in Artikeln genannte Personen und STANDARD-Mitarbeiter mit Respekt und Rücksicht und verzichten Sie auf Feindseligkeiten. Achten Sie darauf, niemanden herabzuwürdigen oder lächerlich zu machen. Unterlassen Sie zum Beispiel die Verballhornung von Namen oder abwertende Bemerkungen über das Aussehen von Personen. Beschimpfungen, Drohungen und Beleidigungen, sowie ruf- oder geschäftsschädigende Äußerungen werden nicht akzeptiert.

• Sachliche Argumentation: Untermauern Sie Ihre Meinung mit nachvollziehbaren Begründungen, geben Sie vertrauenswürdige Quellen an und gehen Sie auf die Argumente anderer User:innen auf einer sachlichen Ebene ein. Bitte unterlassen Sie Unterstellungen, Verdächtigungen und nicht prüfbare Behauptungen. Achten Sie auf die Qualität Ihrer Informationsquellen und hinterfragen Sie selbige gegebenenfalls. Die Verbreitung von Falschinformationen ist in unseren Foren untersagt. Konstruktive Kritik ist willkommen, wenn diese respektvoll und sachlich formuliert ist und auf konkrete Argumente zurückgreift (Details).

• Keine Diskriminierung und Diffamierung: Rassistische, sexistische, frauenfeindliche, homophobe, antisemitische und andere menschenfeindliche Beiträge, in denen Gruppen pauschal verurteilt oder verunglimpft werden, sind nicht gestattet. Es liegt in der Verantwortung des Verfassers, solche Interpretationen auszuschließen.

Diese Sperre gilt dauerhaft für Sie als Person und damit für jeden von Ihnen verwendeten Account.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr DER STANDARD-Team
_________________________________________________________________

foren@derStandard.at
Community Richtlinien
FAQ

DER STANDARD – Der Haltung gewidmet.
STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.
Vordere Zollamtsstraße 13, A-1030 Wien


Sehr geehrtes Team!
Das ist jetzt aber schon … da musste ich zweimal durchatmen, als ich das von Ihnen las! Ich bin schon ca. dreißig Jahre Abonnent des STANDARD und verfolge die Postings zu allen möglichen Artikeln, und schreibe auch immer wieder einen Kommentar, kann mich aber nicht erinnern, einmal jemanden beleidigt zu haben oder gegen die von Ihnen in Ihrer Antwort aufgelisteten Regeln gegen Rassismus, Sexismus oder sonstiger Herabwürdigung oder persönlicher Beleidung anderer Unser/innen verstoßen zu haben. 

Ich gebe gerne zu, dass meine Kommentare manchmal zugespitzt und oft auch vielleicht einseitig sind, aber ich glaube, dass ein Forum dieses Formats das aushalten muss und auch soll!

Wenn Sie mit ihrem Medium weiterhin Sorge tragen wollen, dass der Diskurs nicht völlig in die diversen Social-Media abwandert und dort unkontrollierte Blüten des Hasses und der Gemeinheit treibt, dann sollten Sie gerade im Medium des STANDARD Ihren Lesern und Leserinnen ein weites Feld der Diskussion überlassen, und wirklich nur dann eingreifen, wenn es eben wie gesagt um persönliche Beleidigungen, Hass und Rassismus geht. Natürlich keine Naziparolen und eben auch keine sonstigen Rassismen, aber überspitzte Formulierungen sollten erlaubt sein.

Ich denke, gewisse Postings richten sich selbst, werden von anderen User/Userinnen bewertet und kommentiert, und damit ist wohl einer Kontrolle Genüge getan, wenn Ihr Blatt sich nicht für die Prawda oder einen Gottesboten hält, sondern als ein demokratisches Medium, dass für einen lebendige Diskurs und für eine für die Demokratie lebensnotwendige Diskussionskultur sorgt.

Übrigens: Eine Sperre eines Users oder einer Userin könnte ich mir, wenn schon, dann zeitlich befristet, meinetwegen für ein Monat vorstellen, aber sicher nicht für dauerhaft.

Weiters werde ich mir noch überlegen, mein Abo zu kündigen, da ich in einer solchen Vorgehensweise nicht mehr das Handeln und Agieren eines liberalen Tagesmediums sehen kann.

Mit weniger freundlichen Grüßen
Helmut Schiestl


Helmut Schiestl

Geboren 1954 in Hall in Tirol. Bis 2019 beschäftigt an der Universität Innsbruck. Zuletzt am Innsbrucker Zeitungsarchiv des Instituts für Germanistik. Zahlreiche Publikationen und Veröffentlichungen in Tiroler Literaturzeitschriften und Anthologien sowie im ORF. Bücher: "Hirnkrebs", 1991 Tiroler Autorinnen- und Autoren-Kooperative. "Der Lotusblütenesser", 1992, Edition Himmelmeer. "Porträt des Schriftstellers als armer Wurstel", 2001 Edition Skarabäus.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Heinz Anderle, Freigeist

    Ich habe seit 2002 immer unter meinem Namen gepostet, den Strauß an Meinungsverschiedenheiten mit anderen Mitpostern unter ihrem Klarnamen ritterlich ausgefochten, bei den Memmen hinter Pseudonym aber auch schon Tiefschläge ausgeteilt: „Warum sachlich, wenn es auch persönlich geht?“ (Anton Kuh)
    Von den Postings wurden generell so etwa 10 % „vermetternichtet“, aber im Laufe der letzten Jahre wich der Geist Metternichs offenbar einer Chimäre aus Inquisition und Tschekismus zum Hüten der wahren „Leere“, und die einst belächelte „Bobo-Prawda“ zeigte immer mehr ein Mißverständnis von Pluralismus wie einst die richtige „Prawda“, „Rude Pravo“ und „Neues Deutschland“ zusammen. (Als von mir überspitzt so bezeichnetes regierungsinseratengeschaltet systemkonformes und linientreues „Zentralorgan für Coronoia und Pandemismus“ hat man sich ganz alleine in dieses Eck manövriert.) Die vielbeschworene „Haltung“ eines solchen Journalismus erweist sich bei dieser Anamnese als chronistisch verwachsene Rachitis durch ideologisch einseitige Mangelernährung.
    Ich beobachte diesen Fortgang nun nicht mit klammheimlicher, sondern mit unverhohlener Schadenfreude und warte also gespannt, bis das Meinungsblaserl platzt. Objektivität und Liberalismus im einst von Hugo Portisch vertretenen Verständnis des Journalismus darf man sich bei so viel mit Inbrunst gedruckten Belangsendungsbewußtsein ja leider nicht mehr erwarten.
    (Zur Ehrenrettung: es gibt noch wenige inzwischen ziemlich verloren wirkende Restposten des westlichen Liberalismus, wo auch die Wühlarbeit rechter und linker Trolle durch das verbliebene Häufchen von Postern abgewehrt wird.)

  2. Helmut Schiestl

    Mit einem kleinen Unterschied vielleicht, nämlich dem, dass man in Putins Reich ins Gefängnis wandern würde oder vielleicht noch Schlimmeres mit einem passieren könnte. Ein Zeitungs-Abo kann man kündigen, und damit hat es sich dann auch! Zum Glück leben wir eben noch in der freien Welt, und die Meinungsmacher/innen können uns mal.

  3. c. h. huber

    jaja, wenn man gegen den zeitgeist schreibt, geriet und gerät man fast immer in schwierigkeiten – denke an die lewitscharoff, lieber helmut! und ich gestehe, ich denke auch zuerst daran, dass es am besten ist, kinder wachsen mit vater und mutter auf. wenn ich mir allerdings manche der sogenannten kompletten familien ansehe, bezweifle ich das. aber deine meinung als grund für eine sperre zu nehmen, noch dazu, wo es dann ja gegenstimmen geben hätte können, das ist wahrlich übertrieben und eines blattes wie des „standard“ nicht würdig.

  4. Andreas Niedermann

    Lieber Helmut Schiestl,

    haben Sie Dank für Ihren Text, den ich selber, in ganz ähnlicher Form auch hätte verfassen können, es aber nicht getan habe. Mir widerfuhr, bis auf wenige abweichende Details, genau das gleiche. Ex-Kommunikation. Verbannung. Für immer. Ähnlich wie bei Ihnen, habe ich es gewagt, nicht der Meinung der Kommentatorin zu sein, einer Art Putina des Standards, was eben dieselben Konsequenzen wie beim Despoten in Moskau zeitigt.

    Ich hab ebenfalls meine finanzielle Unterstützung für diesen woken „Qualitätsjournalismus“ eingestellt, was mir insofern ein wenig leid tut, da es auch die klugen, liberalen Kommentatoren wie Rauscher, Lendvai und Frey betrifft. Was wird sein, wenn die „alten weißen Männer“ des Standards mal nicht mehr sein werden? Ich denke, Ihre (und auch meine) Verbannung aus den Foren weist unmissverständlich in die Richtung.

    Inzwischen habe ich mir ein Abo von der „Welt“ zugelegt, eine Zeitung, in der ich mit meiner liberalen Einstellung besser aufgehoben bin.

    Aber wie heißt es so treffend: Go woke – go broke!
    On verra!

Schreibe einen Kommentar