Literarische Korrespondenz:
Andreas Braun an Alois Schöpf
Betrifft:
Auch Menschenrechte sind Menschenwerk.
Lieber Alois!
Du sprichst eine der zentralen politischen Herausforderungen demokratischer Staaten von den USA über England, Frankreich, Deutschland bis jüngst sogar mitten in die Denkstübchen der österreichischen Sozialdemokraten an: Wie steuern wir präventiv Migration und Asyl, bevor Faustrecht, Notwehr und Destabilisierung unserer Rechtssysteme vor dem Hintergrund einer aufgeheizten Stimmung des Alarmismus und Aktionismus überhand nehmen.
Dass dein Plädoyer für eine Aufweichung von Denkverboten naturgemäß zum Widerstand einlädt, war vorherzusehen…..ebenso wie vor einigen Jahren, als der damalige Innenminister Kickl rechtliche Anpassungen im Bereich des Asylrechts forderte und mit dem – verfassungsrechtlich prinzipiell richtigen – Diktum, dass das Recht der Politik zu folgen habe allenthalben Entrüstung auslöste.
Ob eine Änderung der im Verfassungsrang befindlichen Menschenrechtskonvention irgendetwas ändern würde, bezweifle ich, da die Problematik sich wesentlich fundamentaler und komplexer darstellt.
Als alter Verfassungsjurist beobachte ich nämlich seit Jahrzehnten mit großer Sorge eine exponentiell wachsende und meist unreflektierte Vermehrung des öffentlich-rechtlichen Kanons an Normen der verschiedenen Ebenen sowie der immer weitreichenderen Kautelen des Rechtsschutzes. Gut gemeint als Gegenteil von gut!
Rechtsschutz mündet in Rechtsverweigerung! Summum ius, summa iniuria……kurzum: der demokratische Rechtsstaat pervertiert sich selbst, indem er das Leben der Menschen zu kompliziert, zu langsam und vor allem zu teuer in einer falsch verstandenen Vollkasko-Mentalität immer umfassender beschützen will. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage!
Was tun? Weglassen, entrümpeln, vereinfachen!
Ganz konkret ein Anschauungsbeispiel in Sachen Asyl: den Instanzenzug radikal verkürzen und damit den Organwalter stärken und seinen Ermessensspielraum erweitern und stützen. Dass eine solche Maßnahme wütende Reaktionen hinsichtlich mangelnden Rechtsschutzes auslösen würde, ist abzusehen. Ohne solche Diskussionen werden wir in Europa allerdings bald gegenüber dem weltweiten Vorpreschen autokratischer Systeme unsere rechtsstaatlichen Waffen strecken müssen!
Wie die Wahlergebnisse in ganz Europa zeigen, wird ein saturiertes und gedankenloses Beharren auf unseren so heiligen Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat nicht ausreichen, die Zukunft zu meistern. Die genannten Prinzipien neu zu überdenken und neu umzusetzen, ist das Gebot der Stunde.
So habe ich auch deinen Artikel, lieber Alois, verstanden und meine, dass wir im Sinne des 300 Jahre Immanuel Kant Geburtstags es wagen sollten, darüber nachzudenken.
Mit bestem Gruß
Andreas Braun
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