Helmuth Schönauer
Wer managt die Manager?
Stichpunkt
Der Bau einer Hülle für das Management Center Innsbruck muss abermals verschoben werden, weil er von niemandem gemanagt werden kann.
1.
Die akademische Welt besteht aus Freiheit und Image. Man kann darin alles denken und forschen, und es gibt keine endgültigen Kriterien, ob das Erforschte brauchbar, notwendig oder hilfreich ist.
Die akademische Welt ist vor allem für sich selbst da. Wer den Eintritt in sie geschafft hat, kann nicht mehr daraus vertrieben werden. Es sei denn, seine Arbeiten werden am Plagiats-Rechen angeschwemmt und unter Gelächter herausgefischt.
Alle paar Jahre stellt in Innsbruck irgendwer in dieser akademischen Welt fest, dass sie zu klein ist. Wir müssen aufstocken! Wir brauchen einen Lehrstuhl! Wir brauchen ein Dachgeschoss! Wir müssen disparate Einrichtungen zusammenführen!
2.
Wie jedes System, das sich selbst generiert und kontrolliert, wächst auch das akademische Tag und Nacht. Es wächst nicht nur in die Tiefe, indem die Themen immer gravierender werden, es wächst auch in die Breite, indem es mittlerweile in jeder Zwergstadt einen kleinen Campus gibt.
In Innsbruck hat daher vor Jahren jemand nach einem neuen Gebäude für die Floskel MCI gerufen und diese Abkürzung den schlichten Einheimischen erklärt und schmackhaft gemacht. – Der Name bedeutet simpel Management Center Innsbruck.
Der Nutzen des MCI besteht aus seiner Vernetzung!, sagt seither ein ranghoher Vertreter aus dem Abkürzungs-Verzeichnis von GEO / COO / CFO / CIO. Und das MCI habe einen guten Namen und ein gutes Netzwerk!
Wer etwas vom MCI konsumiert, bezahlt folglich für Raummiete, Vernetzung und Titel. Vom Inhalt ist nicht die Rede, denn er ist nicht fassbar und ändert sich wie alle auf Illusionen aufbauenden Wissenschaften stündlich.
3.
Während die einen nun glauben, Innsbruck sei auf dem Weg nach Harvard oder Oxford, zumindest was das Thema Management betrifft, sagen andere, das beste Management funktioniere ohnehin in Gestalt eines Busparkplatzes, weshalb man kein neues MCI-Gebäude brauche.
Kurzum: Der Bau des neuen MCI stockt an allen Ecken und Enden, und schon geht einigen das Licht auf, dass hier viel Bluff im Spiel ist.
Die Skeptiker haben ein starkes Argument auf ihrer Seite: Alles, was du brauchst, um den Tourismus in Tirol zu managen, ist ein Busparkplatz im Stadtzentrum, auf dem du das Incoming abwickeln kannst, solange der Verbrenner noch gestattet ist.
Die Skeptiker geben auch zu bedenken, dass es wohl eine riesige Management-Schaumschlägerei ist, wenn ein Institut für Management nicht einmal für sich selbst imstande ist, ein Gebäude zu entwickeln, mit den politischen Entscheidern zu verhandeln und mit den Banken finanziell abzuwickeln.
4.
Das wäre ja die Kernaufgabe eines Management Centers, dass man etwas studiert, was man später wirtschafts- und praxisnah verwenden kann. So sollte man anhand des Management-Gebäudes studieren können, wie man eine Firma aufbaut, führt und mit dem politischen Umfeld kompatibel hält.
Die akademischen Leitfiguren freilich entgegnen, es sei nicht ihre Aufgabe, Lehren auf die Praxis hin zu überprüfen.
In der akademischen Welt gehe es nämlich um das Entwerfen akademischer Karrieren, die umso größeren Platz in der Realität brauchen, je virtueller sie agieren.
5.
In einem Witz verwechselt ein Erst-Semestriger die Straßenseite der MCI-Adresse und landet in der gegenüberliegenden Jesuitenkirche.
Dort sitzt er allein unter dem Gewölbe und glaubt felsenfest, im MCI zu sein. Er ist nämlich auf einen früheren Werbespruch der Kirche hereingefallen, den sich jetzt das MCI unter den Nagel gerissen hat: Je größer das Gebäude, desto größer der innewohnende Gott.
Vielleicht sollte man das neue MCI wirklich canceln und zumindest in Innsbruck in seiner Ausführung als ebenerdigen Bus-Terminal belassen.
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Lieber Helmut Schönauer!
Vorerst: das MCI kann im Rahmen aller gesetzlichen Bedingungen ihr Bauprojekt weder gut noch schlecht managen. Das Management liegt allein beim Land Tirol.
Aktuell: Nach für die Allgemeinheit nicht durchschaubaren politischen und medialen Erregungen wurde das Schauspiel MCI nun jäh abgebrochen. Wenn die Opposition letzte Woche im Landtag schäumte, schweigen die Regierung und ihre Abgeordneten hartnäckig. Erschöpft hat man sich unter dem Motto Nachdenkpause (bei hohen Kosten für die Steuerzahler wie in vielen anderen Bereichen!) wieder einmal Stillstand verschrieben. Die chinesischen Affen lassen grüßen!
Du rührst nun mit Recht an vielem, sowohl am Vordergründigen als auch an Grundsätzlichem!
Zunächst zum Vordergründigen, der Hardware, sprich Bau: dieser stünde bereits, hätte man nicht seitens der Tiroler Landesregierung 2018 ein ausgezeichnetes Projekt (so das damalige Urteil des renommierten Architekturprofessors Christian Kühn) aus nicht geklärten Gründen plötzlich gestoppt und mit der populistischen Begründung „Kostenkontrolle“ mit neuen Partnern einen bis heute strikt geheim gehaltenen Vertrag abgeschlossen, neu ausgeschrieben und wieder ein tolles Projekt abgesegnet. Dieses verspricht nun im Lichte eines SuperGaus öffentlich-politischen Miss-Managements mindestens doppelt so teuer zu werden! Realisierung am Nimmerleinstag?
Zum Grundsätzlichen: Als Manager blieb mir ein Leben lang das akademisch verbrämte, pseudowissenschaftlich aufgemotzte und mit einem distinktiven Vokabular geschmückte sogenannte „Managementwissen“ in höchstem Maße suspekt. Dass allerdings die Institution MCI seit Jahren ihr ursprüngliches Bildungsangebot auf naturwissenschaftliche und technische Gebiete erweitert hat, von Andreas Altmann exzellent geführt wird und als Hecht im Karpfenteich der Hochschulen erfolgreich agiert, muss klar festgestellt und honoriert werden.
Bildungspolitik sollte ja bekanntlich im Zentrum jeder Politik stehen, da Wohlstand und individuelle Freiheit nur durch umfassende und kritische Bildung geschaffen und gewährleistet werden. Eine solch schlüssige bildungspolitische Zukunftsgestaltung, insbesondere im Bereich der Hochschulen, kann ich jedoch in unserem schönen Land Tirol schon seit vielen Jahren nicht wahrnehmen! Genauso wenig wie den nachhaltigen Nutzen einer Aufspaltung der Universität oder der Gründung einer UMIT samt Bezirkszweigstellen!
Abschließend, lieber Helmut, gebe ich Dir völlig Recht, dass der innere Glaube von der äußeren Hülle abhängt. Im Zuge einer gegenwärtigen „Gestaltwandlung des Religiösen“ besuchten mich vor 20 Jahren alle deutschen Bischöfe abends klammheimlich in den Kristallwelten, um mit mir den schwindenden „impact“ kirchlicher Architektur auf die Gläubigkeit ihrer Schafe zu diskutieren!
Mit lieben Grüßen
Andreas