Helmuth Schönauer
Sozialwetterbericht aus Brexit-Land
Stichpunkt
Wer erinnert sich noch an den Brexit, wie er in den Nachrichten rauf und runter dekliniert worden ist?
Also: der Brexit wurde vor allem veranstaltet, um das sogenannte Migrations-Ungeheuer EU zu domestizieren. Mit dem Austritt aus der EU wollte GB wieder selbständig darüber entscheiden, wer ins Land kommt, und wer von der Insel fernbleiben muss.
Die Migrationsströme kümmern sich aber wenig um die politischen Zusammenhänge, denen ein Zielland unterliegt, sie gehen dorthin, wo es Essen, Trinken und Verwandte gibt. Wollte man also das Zielland unattraktiv machen, müsste man der heimischen Bevölkerung Essen, Trinken und Besuch von Verwandten abstellen.
Dieser Tage erreicht wieder einmal eine Notiz aus GB das Festland, darin ist von Armut auf der Insel die Rede. Mehr als eine Million Kinder in Großbritannien leben einer Studie zufolge in schwerster Armut. Die Zahl habe sich von 2017 bis 2022 fast verdreifacht, teilte die Wohltätigkeitsorganisation Joseph Rowntree Foundation (JRF) heute mit.
Insgesamt leben 3,8 Millionen in elenden Verhältnissen. Als notleidend gilt, wer nicht in der Lage ist, grundlegendste körperliche Bedürfnisse zu befriedigen: warm, trocken, sauber und satt zu bleiben.
Das Sozialsystem schütze die Menschen nicht – nur knapp drei Viertel der Bedürftigen (72 Prozent) bezögen Hilfsleistungen. Mehr als die Hälfte der betroffenen Haushalte verfüge über ein wöchentliches Einkommen von weniger als 85 Pfund (rund 98 Euro). Vor allem Singles im Alter von 25 bis 44 Jahren seien notleidend, aber auch immer mehr Familien und ältere Menschen rutschten in äußerste Armut ab.
Das Sozialsystem sei so voller Lücken, dass Wohltätigkeitsorganisationen wie etwa Tafeln versuchen müssten, die Menschen vor der schlimmsten Not zu bewahren. [red, ORF.at/Agenturen; 24/10/23]
Diese Notiz könnte anstandslos aus allen Ländern der EU gesendet werden und bliebe dennoch eine Nullmeldung, wenn keine politische Vernetzung dieser Nachricht gegeben ist. Die wahre Botschaft lautet: Seht her, wie es den Briten schlecht geht, weil sie aus der EU ausgetreten sind!
Diese Nachricht muss der ORF aus Gründen der Staatsräson von Zeit zu Zeit senden, damit alle spüren, dass die EU zwar nichts zusammenbringt, wenn es um Migration geht, es den Ausgetretenen aber noch schlechter geht.
Man nennt das den Titanic-Effekt: Je größer das Unglücksschiff ist, umso leichter wird für den Einzelnen der Tod!
Spricht man hingegen mit Studenten aus GB, die fallweise wegen des Schifahrens ein Semester an der Innsbrucker Uni absolvieren, so verweisen sie sehr wohl auf einen fatalen Zusammenhang zwischen Migrationsdichte und Wohlstandsverlust. (Natürlich beobachten die Angesprochenen ihr Leben zu Hause von einem privilegierten Standpunkt aus, der nicht unbedingt einen erweiterten Horizont versprechen muss.)
Da der Anteil der untergetauchten Migranten in GB ständig wächst, steigt auch die Armut selbst unter jenen, die bislang prekäre Jobs gehabt haben. Die Clans der Zugezogenen, die in prekären Lebensumständen hausen, werden immer größer. Da das Sozialsystem keinen Zugriff auf die Untergetauchten und zur Rückführung ausgeschriebenen Immigranten hat, müssen diese von den oft seit Jahren geduldeten Altmigranten mitversorgt werden.
Mit der Zeit verschlimmert sich die Lage für die prekär Hausenden so intensiv, dass es rein von der physischen Versorgung her gesehen keinen Unterschied mehr macht, ob sie in einem Slum in einem afrikanischen Vorort oder an der Londoner Peripherie leben.
Mental trifft sie eine aufkeimende Wut der ehemaligen Brexit-Anhänger, die nur allmählich zugeben, dass es nichts genützt hat, die Migration durch Austritt aus der EU einzudämmen.
Wetter kann aggressiv machen, heißt es im Volksmund. So gesehen machen Nachrichten aus der Sozialwetterfront durchaus aggressiv auf allen Seiten.
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