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Helmuth Schönauer
Landesüblicher Widerstand

1.
Manchmal wundern sich die Herrschenden, dass sie von der Bevölkerung nicht geliebt, sondern als geheime Besatzungsmacht empfunden werden, die es abzuschütteln gilt.

Ältere Tiroler, die seit siebzig Jahren einer freiwillig gewählten Einheitspartei ausgesetzt sind, müssen sich daher zwischendurch schütteln und an der Wahlurne fallweise jene Kandidaten abwählen, die sich Parteifunktionäre ausgedacht haben.

2.
Die Gemeinderatswahl in Innsbruck hat die Möglichkeit geboten, dieser Verstimmtheit gegenüber den landesüblichen Mandataren Ausdruck zu verschaffen. Der Funktionärsvorschlag der ÖVP ist krachend durchgefallen.

Die Gründe sind wahrscheinlich mannigfaltig, aber die Menschen im Westen der Stadt haben schon seit Jahrzehnten ein erregtes Verhältnis zu den ihnen vorgesetzten Landeshauptleuten. Aus persönlichen Erfahrungen haben diese West-Städter sich eine authentische Erklärungsgeschichte zusammengebastelt.

3.
Die Landeshauptleute nämlich kommen alle aus dem Oberland und vertreten in der Hauptsache die touristischen Hotspots der Hochschigebiete.
Dort sitzen die wahren Mächtigen des Landes und schicken nett wirkende Funktionäre als Landeshauptleute nach Innsbruck, wo sie argwöhnisch beäugt und für ungeeignet empfunden werden.

Arena für diese Machtkämpfe ist meist der Innsbrucker Flughafen, den diese Talschafts-Herrscher wie eine Militärpiste zum Niederhalten der anwohnenden Bevölkerung betreiben.

So wird auch der ehemalige Innsbrucker Bürgermeister van Staa spätestens in seiner Funktion als Landeshauptmann als Mitglied der Oberländer-Flughafen-Connection der Bevölkerung in Erinnerung bleiben. Immerhin forderte er in seiner barschen Art jahrelang eine neue Flughafenzufahrt quer durch Innsbrucker Wohngebiet, damit er schneller von seinen Wien-Flügen aufs Mieminger Plateau zurückfahren könnte.

Der nachmalige Landes-Boss Platter aus Zams verbat sich in seiner einzigen Ansprache, die er außerhalb eines landesüblichen Empfangs vor Schützen hielt, jegliche Diskussion über Sinn und Zweck des Innsbrucker Flughafens.

Und der aktuelle Landeshauptmann Mattle aus Galtür war sich dieser Tage nicht zu blöd, den ehemaligen Büroleiter seines Vorgängers als Bürgermeister-Kandidaten zu unterstützen, hatte dieser doch für die Innsbrucker nur eine einzige Botschaft im Wahlkoffer:
– Endlich mehr Anbindung an die Welt!
– Mehr Kongresstourismus!
– Mehr Bewegung in der Luft!

4.
Hinter all diesem Gehabe sitzt das Modell eines entgleisten Tourismus, indem man an ausgewählten Stellen ausgewählte Geschäfte macht, während man die Bevölkerung im Zentralraum des Landes in akustischer Geiselhaft hält.

Zur Erinnerung: In einer Maschine sitzen knapp 200 Leute, bei Start oder Landung vergrämen sie jeweils 200.000 Menschen im Einzugsbereich. An Winterwochenenden finden jeweils 500 Flugbewegungen pro Wochenende statt.
In diesem Lichte bekommt auch das sogenannte Rülps-Video der Tirol Werbung einen ominösen Sinn – Sättigung ist eingetreten.

Gleichzeitig betteln die Anwohner des Innsbrucker Westens schon seit Jahrzehnten ihre von der Partei Vorgesetzten um eine Einhausung der Autobahn parallel zur Piste.

Das Ansinnen des Kandidaten Tursky, nach Tinnitus-Manier Lärm mit Lärm zu bekämpfen, hat bei der Wahl blanke Wut ausgelöst, die noch lange bei diversen Wahlgängen nachwirken wird.

5.
Eine Partei, die kulturell nichts anderes zu bieten hat als den landesüblichen Empfang, und die zum Dampf-Ablassen permanent sogenannte Leitbild-Diskussionen anregt, ist wohl ziemlich aus der Zeit gefallen.

Zu einer halbwegs funktionierenden Partei gehörte es, dass man mühselig befriedete Themen nicht ständig aus dem Wahlversprechens-Sack herausholt.

Für den Zentralraum um Innsbruck ist der Flughafen ein Tabu-Thema, über das man ähnlich wie bei der Abtreibung, der Trennung von Kirche und Staat oder der Neutralität aus Staatsräson momentan nicht allzu öffentlich diskutieren sollte.

6.
Der Flughafen hat aus diesem Grund die Reißleine gezogen, und das heurige Flughafenfest abgesagt, bei dem man ihm wohl ordentlich auf die Piste geschissen hätte, wie man bei Anwohnern erfragt.

Dass dieser Flughafen nicht einmal imstande ist, die Landegebühren für Privatjets von Immobilien-Künstlern einzukassieren, wirft ein zusätzliches Licht auf sein wahres Konzept: Infrastruktur für wenige zu Lasten von allen! – Diese Mentalität von Regierenden muss fallweise abgewählt werden!

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Karlheinz Veit

    DANKE Helmut Schönauer für die klaren Worte – aus dem Osten der Stadt…..!
    Vielleicht schauen Sie an einem Samstag im Winter auch in die Reichenau um den Lärmpegel „zu messen“ !

  2. Johannes M. Vilanek

    Nach Thomas Bernhard: Jedes Wort ein Treffer! Glück auf dazu!

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