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Helmuth Schönauer
Faule Väter
Die Statistik winkt mit Stinkefinger.
Notizen

Seit es den Ministerien nicht mehr gut ansteht, sich irgendwelchen Gratiszeitungen anzubiedern, um ein bezahltes Hallo und Dankeschön an die Bevölkerung auszurichten, greift man vermehrt auf nüchterne Daten der Statistik Austria (STAT) zurück.

Diese Daten sind ein Paradies für Auslegungen. Jeder, der irgendetwas als Bestätigung für seine Anfrage sucht, bekommt sein belastbares Zahlenmaterial dafür. Damit lässt sich bestimmten Bevölkerungsgruppen schelmisch ausrichten, dass sie, moralisch gesehen, Mängel aufweisen. – Die Tiroler Männer haben beispielsweise neulich einen solchen Zahlen-Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen.

Das Familienministerium des Bundes beruft sich regelmäßig auf Untersuchungen zur Aufzucht-Arbeit, um bei den Bundesländern anzumahnen, die Plätze für Kinderbetreuung endlich hochzufahren. 

Jedem Kind seinen Platz!

Solange diese Forderung nämlich nicht erfüllt ist, bleibt die Arbeit mit den Kindern mehr oder weniger bei den Frauen hängen.

Und dann kommt der raffinierte Dreh: Je nach politischer Konstellation im Bundesland ist die Arbeit zu Hause gut oder schlecht verteilt.

Ideal für diese Vergleiche sind immer Tirol und Kärnten. In beiden Ländern gibt es Schwarz-Roten Eintopf, in Tirol ist der dazu passende Haubenkoch schwarz, in Kärnten rot.

Tirols Männer zieren sich zuhause.
Männer begnügen sich in Tirol mit durchschnittlich einer Stunde und 55 Minuten täglich, während Frauen auf vier Stunden und 26 Minuten kommen.
Spitzenreiter bei der Hausarbeit sind hingegen die Kärntner Männer, sie kommen immerhin auf zwei Stunden und 37 Minuten. Frauen in Kärnten kommen auf drei Stunden und 49 Minuten.

red, tirol.ORF.at

Somit sind die Neujahrswünsche des Familienministeriums bestens angekommen, vor allem Tiroler Männer gehen in die Knie und fangen nach dem ersten Schock zu grübeln an, was die Statistik wohl alles nicht sagt.

Interessant: In einer Anmerkung kommt zum Vorschein, dass die Daten auf Interviews zurückgehen, wonach die Befragten selbst definieren konnten, was sie subjektiv für Aufzucht-Arbeit halten.

Als Hausarbeit wird meist unbezahlte Tätigkeit zu Hause ausgegeben, die aus irgendwelchen Handgriffen oder Einschlafgeschichten für die Kinder besteht.

Sofort tun sich für Männer Fragen auf:
– Ist ihr Reden mit den Kids nicht ebenso Arbeit wie das handfeste Wickeln?
– Ist das Abräumen von unsinnigen Konsumwünschen nicht mindestens so aufwändig, wie das Abräumen von jenen Speiseresten, die auf ein misslungenes Menü zurückgehen?
– Ist Alkohol-Abstinenz anlässlich einer deprimierenden Weltlage nicht mindestens so weitblickend, wie das Anliefern der Kids zur klinischen Psychologin?
– Und Oberfrage: Gilt die Anfahrt zu einem Nehammer-Menü bei McDonalds als häusliche Dienstreise oder ist es Freizeit?

Die statistische Unreinheit zieht sich wie ein roter Gender-Faden durch die Statistik. Es fehlen offensichtlich die Alleinerziehenden, die ja landläufig als eigenes Berufsbild, wenn nicht gar als eigenes Geschlecht gelten.

Gegen diese Arbeit von Alleinerziehenden kommt kein Mann auf, da kann er sich um die Kinder kümmern, wie er will. Er würde mit seinem Erziehungspfusch durch Mitarbeit nur die 100 Prozent in der Statistik für alleinerziehende Frauen stören.

Vielleicht waren die früheren Neujahrsgrüße politischer Gesichter ohne Text letztlich doch sympathischer, als diese hinterfotzigen Grüße mit der Statistik.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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