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Elias Schneitter
Ein Abend mit Thomas Bernhard
und Brandteigkrapferln
Notizen

Zufällig bin ich in die Premierenvorstellung von Ritter, Dene, Voss im Theater in der Josefstadt geraten. Stücke von Thomas Bernhard habe ich einige gemeinsam mit einem alten Freund vor vielen vielen Jahren im Fernsehen gesehen, Übertragungen von den Salzburger Festspielen.

Bei viel Wein haben wir uns stets über die Jammer- und Schimpfbombardements – das waren sie für uns – von Bernhard abgehaut. Herrliche Abende!

Vor wenigen Tagen hatte ich mit einem Schulfreund ein Treffen in der Frommen Helene vereinbart und als ich dort ankam, musste ich feststellen, dass ich mich mit dem Datum geirrt hatte. Einen Tag zu früh war ich dort.

Ich ärgerte mich über meine Blödheit und überlegte, was ich mit dem angebrochenen Abend anfangen sollte. Heimgehen wollte ich nicht. Schräg gegenüber von der Frommen Helene ist das Theater in der Josefstadt. Wie es der Teufel haben wollte, stand die Premiere von Ritter, Dene, Voss auf dem Programm.

Also ging ich zur Kasse, fragte ob es noch Restkarten gäbe. Zwei Stück waren noch im zweiten Rang zu haben, eine mit Sichteinschränkung hinter einer Säule, eine ohne Sichteinschränkung. So ein Glück! Ich wählte natürlich die bessere Karte und zwängte mich in den zweiten Rang.

Trotz der sehr beengten Situation – ich bin köperlich einfach etwas zu voluminös geraten – sollte es für mich ein Abend werden, so wie ich Bernhard-Stücke mag.

Ein kluges, hervorragendes Bühnenbild. Die drei Geschwister in ihrer Döblinger Wohnung, am Boden rundherum liegt haufenweise zerbrochenes Geschirr.

Gleichzeitig befindet sich diese Wohnung in einem Museum, mit anderen Worten, Bernhard ist inzwischen museal geworden. An den Wänden hängen geschmacklos angefertigte Portraits jener Schauspieler, die vor Jahrzehnten die Uraufführung des Stückes besorgten und die nun vom irren Ludwig demontiert werden.

Im ersten, etwas zu lang geratenen Teil wird der Tisch fürs Mittagessen gedeckt, aber sobald gegessen wird, laufen die drei großartigen Schauspieler zu Hochform auf und dann, wenn Ludwig beim Verzehr der Brandteigkrapferln einen Tobsuchtsanfall bekommt, weiß man wieder, warum man Bernhard so mag. Es folgen Tiraden gegen das Theater und gegen die Schauspieler, ein wunderbares Furioso, das das Publikum sehr erheiterte.

Also abgesehen von dem etwas schleppenden Beginn und meinem Platz im zweiten Rang, war es für mich ein amüsanter Abend, auch wenn mir nachher sämtliche Knochen weh taten. Aber das war wahrscheinlich die Strafe von oben, denn Bernhard wäre sicher fuchsteufelswild geworden, wenn man einen seiner Theaterabende als amüsant bezeichnet hätte.

Jedenfalls traf ich am nächsten Tag meinen alten Schuldfreund samt Ehefrau in der Frommen Helene bei köstlichem Essen und ich gab ihnen den Tipp, sich das Stück anzuschauen. Nur halt von einem etwas besseren Platz, also vom Parkett aus.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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