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Helmuth Schönauer
Entscheidung bei Windstille
Stichpunkt

Politisch kluge Menschen treffen ihre Wahlentscheidung nie während des Wahlkampfs, wo alle lügen und Schmäh führen, sondern in der Werbepause der Legislaturperiode, wenn die diversen Interessensgruppen in ihrem Tagwerk-Sud dahin köcheln.

Unter dem Geklimper von billigen Floskeln stechen die Schlüsselbegriffe eines politischen Programms freilich generell selten als etwas Sinnvolles hervor.
In der Windstille von Theorien und Strategien sind die einzelnen Absichten diverser Parteien für den Konsumenten kaum zu erkennen.

Die wollen doch, dass ich ihr wählender Konsument bin? – An manchen Tagen fragt sich der User am Ende der Entscheidungskette, ob er überhaupt zum Konsumenten taugt, oder ob er nicht überhaupt gleich als Trottel auftreten soll, so wie er im politischen Diskurs die meiste Zeit angesprochen wird.

Andererseits ist auch das Wahlvolk an manchen Tagen ziemlich präpotent, es nimmt einfach an, dass die politischen Vertreter sich vor der Wählerstimme in den Staub werfen und ständig zu Diensten sind.

Der wahre Charmeur sitzt gleich am After! – heißt es in einer altklugen Rhetorik-Fibel, wenn es darum geht, das Gegenüber zu bezirzen. Wollte man also die sechs am Markt der Windstille herumsegelnden Parteien auf ihre Kern-Schlagwörter reduzieren, poppen folgende Zeitwörter auf:

– Verwalten (ÖVP)
– Verteilen (SPÖ)
– Vernichten (FPÖ)
– Verbieten (GRÜNE)
– Verkochen (NEOS)
– Verdrängen (KPÖ)

Je nach Alter und Abgebrühtheit wird man den einen oder anderen Begriff bevorzugen. Wobei wie immer in der Realität der Mix der Begriffe zählt, die reine Lehre gibt es nirgendwo.

Allen Tätigkeiten liegt übrigens die Idee zugrunde, dass es politisch nicht mehr besser wird. Das Staatsgebilde hat den Höhepunkt erreicht, die materielle und geistige Ausstattung des Wahlvolkes ist in einer permanenten Rezession.


ÖVP

Das beste, was man in einer depressiven Staatsphase machen kann, ist das saubere Verwalten des Vorhandenen. So gesehen ist es schade um das Amtsgeheimnis, denn dieses war der letzte Sinn, den der Staat gegenüber seinen Einwohnenden zu schützen hatte.

Der augenblickliche Parteiobmann ist als kluger Offizier keine schlechte Besetzung, denn es geht ausschließlich um Logistik, Besitzstandsicherung, Rentenstabilität und Einhalten von europäischen Vorgaben, wie den Wolfsschutz, den freien Warenverkehr und die ungebremste Zuwanderung aus der ganzen Welt.

In dieser Verwaltungszone bleibt kein Platz mehr für Ideen, Prosperität oder gar Change. Der Staat macht sich nur mehr mit, wie es Robert Musil einst über Kakanien formuliert hat.

Ein Offizier ist daher die letzte logistische Naht, die den Staat zusammenhält.


SPÖ

Im Sozialismus geht es meist darum, von oben nach unten zu verteilen. Bei der Auflösung der Habsburgerei und der Überführung der Monarchie in eine Republik staunten alle politischen Richtungen, was da an Umverteilung möglich ist.

Ein bisschen was von diesem Traum versucht der gegenwärtige Parteivorsitzende zu artikulieren, wobei seine Sprechweise eine Lautmalerei seines Namens ist.
Unter den vielen Gesichtspunkten, die bei Einführung einer Häusl-Steuer, Millionärsumverteilung oder Gewinnabschöpfung zu beachten sind, wird der schmerzhafte Teil gerne ausgeblendet.

Wenn man mit dem Umverteilen beginnt, schürt man die Angst, dass man unbescholtene harmlose Bürger häckselt und ihre Gebeine wie im Mittelalter über das Land verstreut.

Beispielsweise werden mir als Rentner meine gesamte Lebensführung, meine Ziele und Pläne vernichtet, wenn man mir ausrichten lässt, ich solle mich schon mal vorbereiten, dass mir vielleicht etwas genommen wird.

Freilich bietet ein Kleingarten einen gewissen Schutz gegen die Umverteilung. Aber nicht alle können Parteimitglied sein, um sich einen Kleingarten unter den Nagel zu reißen.


FPÖ

Diese Partei ist ziemlich lautstark unterwegs und hat letztlich nur die eine Absicht, alles zu vernichten, was noch funktioniert. ORF, Kammernsystem, öffentliches Verkehrswesen und soziale Einrichtungen sollen möglichst pompös zerschlagen werden, denn überall sitzen Maden als Funktionäre drin, die das Volk aussaugen.

Als diese Partei das letzte Mal am Ruder war, hat sie aus Jux und Tollerei die Krankenkassen zerschlagen, indem sie diese auf einen kollektiven Mullhaufen geworfen hat.

Die Erfolgsbilanzen dieser Regierungsbeteiligungen werden immer in Scherben-Tonnen gemessen. Außer Destruktion hat die EFF nämlich nichts im Talon.


GRÜNE

Die Mitglieder und Fans dieser politischen Strömung hatten meist eine üppige Kindheit, in der es bei den (Allein-)Erziehenden verpönt war, Grenzen aufzuzeigen und Nein zu sagen.

Folglich wuchsen die Kids in einem prosperierenden Rausch heran und zerlegten die bislang harmonische Welt in ihre Bestandteile CO2 und Klima.

Die Grünen erkennt man leicht daran, dass sie im Zweifelsfalle etwas verbieten, ehe sie nach einer Lösung suchen. Als Motiv für politisches Wirken ist ihnen gemein, dass sie sich vor allem selbst, und weniger ein Programm verwirklichen.

Parteiführer sind, egal ob als Germanisten, Chorsänger oder Volkswirtschaftler, Schwurbler, die in einem Duktus dahinschwafeln, dass sie mittlerweile flächendeckend aus Wikipedia entfernt werden.


NEOS

Diese Partei glaubt, der Egotrip wäre zeitgemäßer, wenn er als Neu auftritt und sich NEO nennt. Diese Partei besteht aus Einzelkämpfern, die auf Messen, Partys und Corsos ihre Leistungen misst. Solidarität ist so ziemlich das schlimmste, was Menschen machen können, denn Solidarität ist nur ein anderes Wort für Hand-Aufhalten.

Als dann während der Pandemie die Einzelkämpfer nichts mehr zu melden hatten, weil das übliche Wirtschaften in Isolation geschickt worden ist, haben auch diese Egos, obwohl Einzelkämpfer, brav ihr Händchen ausgestreckt. Im Gegenteil: Kaum konnten sie wieder die Maske vom Gesicht nehmen, haben sie sich aufgeregt, wie bürokratisch die Notmaßnahmen abgewickelt worden sind.

Geführt wird diese Ego-Truppe von einer Schauspielerin, die mit weit ausladenden Handbewegungen zu erklären versucht, wie groß das Feld ist, von dem sie nichts versteht.

Zwischendurch springt ihr immer ein Koch bei, der glaubt, Österreich sei ein Schnitzel, weil es an manchen Tagen so ausschaut.


KPÖ

Die KAP ist die große Verdrängerpartei. Wenn man sie fragt, warum sie diesen historisch so belasteten Namen wählt, kommt sie ins Schwitzen.

Es sind ja nur ähnliche Wörter zwischen den Äußerungen der historischen Partei und der jetzigen, die allen kaputten Wörtern einen neuen Sinn zu geben versucht.

Und der Erfolg gibt der Partei recht. Auf Tiktok schaut sie äußerst modern aus, weil die schlimmen Wörter von Diktatur und Proletariat, oder beides als Proletarierdiktatur, in den elf Sekunden, die ein Tiktok dauert, bestens verdrängt werden kann.

Politische Rentnerweisheit:
Wer bei Windstille Ruhe bewahrt, wird im Sturm nicht in Panik verfalle
n.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Helmut Schiestl

    Dass die Grünen eine Verbotspartei wären, kann man in Innsbruck so wohl nicht sagen, zumindest dann nicht, wenn es um ihre eigene Wähler/innen-Klientel geht. So ist das unsägliche Problem der E-Scooter in Innsbruck den Grünen kein Verbot oder zumindest einer Diskussion darüber wert. Dieses wird dafür jetzt von der Innsbrucker SPÖ und ihrer neuen Bürgermeisterkandidatin im Verein mit dem Behindertenbeirat gefordert. Hier scheinen die Grünen immer noch der naiven Meinung zu sein, dass der Mensch im Herzen gut ist und sich alle Probleme von selber lösen, wenn man nur an dieses Gutsein glaubt.. Auch eine rigorosere Kontrolle des Fahrradverkehrs wäre hier noch zu nennen, auch hier herrscht der Laissez-faire-Stil der Grünen, wohl nicht zuletzt zu Lasten älterer und behinderter Verkehrsteilnehmer/innen.

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