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Helmuth Schönauer
Wahlrat
Stichpunkt

Im Landhaus gibt es eine eigene Abteilung, die von einem Hofrat geleitet wird und darauf zu achten hat, dass stets genügend Hofräte nachwachsen, auch hundert Jahre nach Beendigung der lieblichen Monarchie.

Der Hofrat war ursprünglich ein weiser Mann, der in Thronnähe herumgesessen ist und sofort eine Antwort geben musste, wenn der Thron-Aufsaße eine Frage stellte oder seine Stimmung kundtat.

Die einzig erlaubte Antwort lautete: Ja, Majestät.

Danach musste der Hofrat mit dem After vorwärts seinen Weg aus dem Saal antreten und durfte sich erschöpft der Vormittagsjause (Gabelfrühstück) hingeben.

Weil man bei der Beseitigung der Monarchie schlicht vergessen hatte, die Hofräte mitzunehmen, – andere sagen, weil die Hofräte ja selbst die neue Verfassung gebastelt haben, – durften die Hofräte bleiben und sich vermehren, indem sie sich in irgendwelchen Parteien einnisteten, die seither als Leihmutter fungieren.

So hat also jede Partei ihre Hofräte aus genetisch einwandfreiem Material, die sich emsig vermehren und als fröhliche Menschen die Zeitgeschichte aussitzen. Die Grünen verpassten freilich als frisch gegründete Partei den Anschluss an diesen Genpool, weshalb sich bei ihnen auch nur griesgrämiges Personal versammelt, das keine Aussicht auf einen Hofratsposten hat.

Durch die Zusammenlegung der grünen Parteispitze mit der Einheitspartei, konnten zwar einige grüne Hofräte untergebracht werden, aber jetzt vor der anstehenden Wahl braucht es ein attraktives Angebot, um Menschen, die auf Titel stehen, Unterschlupf zu gewähren.

Um sich vom Titel Hofrat ein wenig abzuheben, hat man daher spontan den Wahlrat installiert.

Der Wahlrat muss in der Hauptsache herumstolzieren und wie alle Räte Kikeriki schreien. Einmal pro Wahlperiode freilich tritt er ernsthaft mit Wahlrats-Kollegen zusammen, um die neue Parteispitze auszusuchen. Zwar kann sich jeder für das Amt des grünen Parteivorsitzenden bewerben, indem er sein  Bewerbungsschreiben in einen Wäschekorb wirft, aber Chancen hat nur jemand, der dem Wahlrat gefällt.

Die einzige Fähigkeit, die die neue Parteispitze haben muss: Sie muss als Krücke des Landeshauptmanns bei offiziellen Fototerminen selbigen stützen und ebenso schmerzfrei lächeln können.

Der Wahlrat tritt übrigens geheim zusammen und verkündet sein Ergebnis erst nach Tagen, damit die Entscheidung wie wohlüberlegt aussieht.

Und wo bleibt die Genderei? werden sich eingefleischte Grüninnen fragen. Ganz einfach: der Wahlrat ist männlich wie der Hofrat. Da gibt es nichts zu gendern!

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ralph Holtfeuer

    Gut getroffen. Und nicht die Hofratsfrauen vergessen mit ihrem Einfluss auf die Männer.

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