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Helmuth Schönauer
Öffentlich-rechtliche Privatnachrichten
Stichpunkt

In Zeiten von Augenzwinkern, Schmäh und Fake ist angeblich das öffentlich rechtliche Angebot ein Garant für relevante Nachrichten. Die jüngsten Auseinandersetzungen um „ge-türkiste“ Meinungsforschungen lassen allerdings leicht vergessen, dass generell der Trennungsstrich zwischen privat und öffentlich, Werbung und Nachricht, Singularität und Trend kaum noch gezogen wird.

Suche den Unterschied zwischen den Sachverhalten, die von zwei Behauptungen überstrahlt werden:

– Ich habe auf wertvollem Papier höchst aufregende Notizen zusammengetragen, was die literarische Welt von den Socken reißen wird.

– Wir haben auf wertvollem Hochgebirgsgrund aufregende Motorräder zusammengetragen, was die motorisierte Welt aus den Socken reißen wird.

Warum ignoriert beispielsweise der ORF-Tirol die erste Behauptung und schickt ein Kamerateam zur zweiten? Vermutlich ist es einfach die Attraktivität des Ambientes, die das Team in die Motorradsammlung und nicht in die auf arm getrimmte Dichter-Bude reisen lässt.

Dabei sind meine Notizen, seit mir vom Gericht die Fähigkeit zum Schriftsteller attestiert worden ist, gesellschaftlich relevant. Im Fall des Ötztaler Motorradmuseums hingegen handelt es sich um eine private Angelegenheit. Dort nämlich lässt sich auf einer Privatstraße am Joch eine private Motorensammlung begutachten, die aus privaten Leihgaben zusammengetragen ist.

Die öffentliche Hand sponsert dieses Unterfangen indirekt, indem das öffentliche Straßennetz bis zum Knoten mit der Privatstraße in Schuss gehalten wird, sodass die Kolonnen von Motorradfahrern Wochenende für Wochenende ihre Wallfahrten hinauf zum Museum absolvieren können, Klimaschutz hin, Lärmpegel her.

So begründet vermutlich der öffentlich rechtliche Funk seine Affinität, tagelang von diesem Museum zu berichten, das nach seinem Brand noch größer und nostalgischer geworden ist. „Der Brand war ein Segen, so konnte expandiert werden, zumal jetzt auch die Brandschutzeinrichtungen topp sind.“

Solche Sätze über das Hobby zweier Motorradsammler werden als öffentlich-relevante Meldung über die Sender gejagt, nicht ohne in einem Seitensatz darauf hinzuweisen, dass das angrenzende Schigebiet offen ist und dem Virus mit 2G trotzt.

Also ohne ORF: Meine wertvollen Notizen sind ebenfalls offen, sie brauchen nicht einmal 2G, weil sie online abrufbar sind.

Meine Notizen sind zudem klimaneutral und von einer Suggestivität, welche die Leserschaft aus den Socken haut.

Abrufbar unter: https://www.uibk.ac.at/ulb/literatursuche/

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. eibel

    wenn mir was imponiert, dann diese haltung!!! thanks

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