Helmuth Schönauer
Impo – Expo
Stichpunkt
Im Vorigen Jahrhundert war an den Türen von unscheinbaren Wohnungen oft ein Schildchen angebracht, darauf stand „Impo – Expo“. Wenn die Sternsinger daran läuteten, machte niemand auf. Und wenn man fragte, was die da drin machen, bekam man als Antwort: „Die vertuschen was.“
An diese Szene ist man erinnert, wenn man sich anlässlich des Jubiläums des Literaturhauses am Inn kurz überlegen soll, wo es angesiedelt ist, was die Insassen darin tun und was ein Literaturmensch von außen davon hat.
Zwischen Uni-Kreuzung und Inn liegt im Dottersack des Brennerarchivs, der einst kühn an ein triviales Flachdach angehängt wurde, das sogenannte Literaturhaus am Inn. Es ist seinerzeit entstanden, als Österreich unter einer unendlichen Germanistenschwemme zu leiden hatte, so wie es heute unter einer Esoterikerschwemme leidet.
(Der Beruf des Germanisten steht wieder hoch im Kurs, seit ein solcher Wirtschaftsminister in Deutschland wurde und die größten Katastrophen mit den wärmsten Worten empfehlen kann.)
Um wenigstens die prekärsten Germanisten irgendwie sozial abzufedern, hat man im letzten Jahrhundert in allen Bundesländern Literaturhäuser installiert. Ihre Aufgabe bestand darin, irgendwo ein Schild anzubringen und eine haptische Adresse für Paketzustellungen (Rezensionsexemplare) zu hinterlegen.
Das Personal wurde ohne jegliche Ausschreibung installiert und einer Landesabteilung, einem Archiv oder einer Uni-Einrichtung unterstellt. Das Ziel war wohl überall, irgendeine Literatur zu fördern und als Brückenkopf zwischen Autoren und Lesern ergreifende Begegnungen zu ermöglichen.
Da es sich bei diesem Konzept von vorneherein um ein sehr exquisites Publikum handelt, das angesprochen werden soll, kann man auch nach Jahrzehnten noch nicht beurteilen, ob die Gründungsidee aufgegangen ist oder nicht.
Aus der Sicht eines Autors, der vom heimischen Literaturhaus nie wahrgenommen worden ist, kann ich nur bestätigen, dass zumindest die heimischen Autoren nicht zum exquisiten Zirkel des Literaturhauses gehören. Ein paar von uns unbeachteten Autoren sind deshalb vor Jahren einmal durch Österreich gefahren und haben die Literaturhäuser begutachtet.
Solange wir keine Projekte mithatten oder gar eine Veranstaltung initiieren wollten, waren wir gern gesehene Käuze aus der Provinz. Wenn es aber ans Eingemachte ging, nämlich herauszukriegen, was der Sinn des Literaturhauses sei, war die Sitzung schnell geschlossen.
Natürlich ist auch diese Dokumentation vom Nicht-Sinn einmalig und unverwechselbar, man sollte daher auf kein Literaturhaus verzichten. Als gemeinsamer Nenner zwischen den Insidern und den Ausgelagerten hat sich übrigens die Formulierung durchgesetzt:
„Es gibt das Genre Literaturhaus-Literatur. Dabei laden sich Insider gegenseitig ein und beobachten wie auf einem Konklave die Szene, ob sie noch dicht ist. (Dichter kommt in diesem Fall von dichthalten.) Vor allem wenn es um Nachbesetzungen oder sonstige Personalia geht, ist Verschwiegenheit die höchste literarische Tugend, die honoriert wird.“
Genaugenommen handelt es sich also um eine Impo-Expo-Firma, deren Tür nicht aufgeht, wenn man keinen Termin hat.
Wie bei allen nostalgischen Einrichtungen tut man sich als Wärmesuchender Mensch in einer kalten Gesellschaft schwer, eine so liebliche Einrichtung wie das Literaturhaus zu kritisieren, auch wenn sie völlig kalt und abweisend ist, sofern man nicht zum Clan gehört.
Mögen das Literaturhaus am Inn und alle seine geschlechtslosen Brüder und Schwestern in den Bundesländern daher weiterleben. Sie tun wenigstens niemandem weh.
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