H.W. Valerian
Die Reichen und die Einkommenssteuer
Notizen
Ausgerechnet der deutsche Kabarettist Dieter Nuhr hat jüngst eine Lanze gebrochen für die Reichen, die Superreichen. Die würden nämlich den Löwenanteil an Einkommenssteuer bestreiten. Weshalb es Unsinn sei, nach höheren Steuern für diese Reichen zu rufen.
Dieter Nuhr wird schon wissen, warum er solche Dinge von sich gibt. Das mit der Einkommenssteuer, das bekommen wir allerdings regelmäßig zu hören, aus verschiedenen Ecken und von verschiedenen Leuten. Und es wird wohl wahr sein – genaue Zahlen, was den Anteil des reichsten Prozents oder der reichsten zehn Prozent am Aufkommen per Einkommenssteuer betrifft, liegen mir nicht vor. Ich hab’ allerdings auch nicht nachgeforscht, und ich werd’s auch nicht tun. Warum – dazu später.
Also: die Reichen und Superreichen tragen den Löwenanteil bei zum Aufkommen durch Einkommenssteuer. Wie schön! Uns Normalos, will sagen: uns durchschnittlichen Lohnabhängigen sollte allerdings klar sein, dass wir selbst keine Einkommenssteuer zahlen, sondern Lohnsteuer. Und wie schaut’s damit aus? Wie schaut’s mit dem Steueraufkommen in Österreich insgesamt aus?
Am meisten Geld lukriert der Staat durch die Umsatzsteuer: 31,2 Milliarden. Dabei handelt es sich um eine indirekte Steuer. Sie wird unabhängig von Einkommen oder Vermögen des Einzelnen erhoben. Deshalb trifft sie Leute mit geringem Einkommen verhältnismäßig härter als solche mit großem. Sie verschlingt bei ersteren einen größeren Anteil der zur Verfügung stehenden Mittel als bei letzteren.
Dass die Reichen und Superreichen auch super viel zur Umsatzsteuer beitragen, dieses Argument hab’ ich bisher nicht gehört. Dazu müssten sie nämlich sämtliche Supermärkte, Einkaufszentren und Lagerhäuser in Österreich leer kaufen. So was zu behaupten, ist bisher nicht einmal der Wirtschaftspropaganda eingefallen.
Und was kommt nach der Umsatzsteuer? Da kommt die Lohnsteuer: 29,6 Mrd. Das sind wir, lieber Leser, liebe Leserin. – Weit abgeschlagen folgen Körperschaftssteuern (9,5 Mrd.), Verkehrssteuern (7,3 Mrd.) sowie Verbrauchssteuern (6,9 Mrd.).
Und die Einkommenssteuer?
Die macht magere 3,8 Mrd. aus. Ja, Sie haben richtig gelesen. 3,8 Mrd.: ungefähr ein Achtel der Lohnsteuer. Das ist der Grund, warum es mich nicht interessiert, wie viel Einkommenssteuer das jeweilige Quintil zahlt. Der Anteil am gesamten Steueraufkommen ist auf jeden Fall gering. Manchmal ist außerdem von einer Vermögenssteuer die Rede. Eine solche gibt’s derzeit in Österreich aber nicht. Als es sie gab, lukrierte sie 500 Millionen Euro, 1 Prozent des Gesamtsteueraufkommens.
Und da kommen die Reichen und die Superreichen daher und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, wie viel sie doch beitragen zum öffentlichen Haushalt? Wenn’s nicht zum Kotzen wär’, könnt’ man drüber lachen.
Was freilich alles nichts helfen wird. Zu permanent, zu ubiquitär ist die Gehirnwäsche, der wir unterzogen werden: Nur ja nichts gegen die Reichen sagen! Von höheren Steuern ganz zu schweigen. Irgendwie, auf unerklärliche Weise, hat sich der Glaubenssatz etabliert, wonach der Superreichtum der Superreichen verdient sei, in Ordnung gehe, moralisch unbedenklich.
Dazu folgende, ganz einfache Überlegung: Vor einiger Zeit haben wir erfahren, dass Travis Kalanick seine erste Milliarde gemacht habe. Sie kennen den Herrn nicht? Es handelt sich um den Mitbegründer des weltweit umstrittenen Taxiunternehmens Uber. Eine Milliarde? Das sind tausend Millionen. Ja ja, Sie haben schon wieder richtig gelesen: Tausend Millionen.
Kann ein Mensch wirklich so viel Reichtum verdient haben? Bedenken Sie: Wenn wir diesem Herrn 90 Prozent zugunsten der Allgemeinheit wegsteuern, dann bleiben ihm immer noch sage und schreibe 100 Millionen!
Auch nicht gerade arm, oder?
Trotzdem dürfen die Reichen nicht stärker besteuert werden. Irgendwie hat man uns eingebläut, das sei unanständig. Klar. Wie hat doch Thomas Picketty beobachtet?
“… no hypocrisy is too great when economic and financial elites are obliged to defend their interest”: Keine Heuchelei ist zu groß, wenn die Wirtschafts- und Finanzeliten gezwungen sind, ihre Interessen zu verteidigen. Nicht einmal Dieter Nuhr ist sich dafür zu schade.
Ich beziehe mich u.a. auf Angaben des ÖGB: „Unfaire Steuerlast“
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