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H.W. Valerian
Bonmots zur Tagesschau

Schlagzeile in der Tiroler Tageszeitung: „Neunjähriger Scooter-Fahrer nach Kollision in Zirl mit Pkw verletzt“. Da scheint also  ein neunjähriger Scooter-Fahrer in Zirl mit irgendetwas kollidiert zu sein und wurde danach mit einem Pkw verletzt. Ziemlich grausam und brutal, finde ich, und ganz sicher eine Straftat. Aber davon steht im Artikel nichts.

Wie ich des Weiteren sehe, ist nach dem Spiel unserer Fußball-Nationalmannschaft gegen Mazedonien im Rahmen der Europameisterschaft allseits von einem „historischen Sieg“ die Rede. Ich weiß gar nicht, wie viele solcher Schlagzeilen ich schon gelesen habe. Ich frag’ mich, was da „historisch“ sein könnte. Hat Österreich noch nie ein Spiel bei einer internationalen Meisterschaft gewonnen? Das dürfte wohl auszuschließen sein. Ist der Sieg so bedeutend, dass er in die Geschichte eingehen wird? So wie zum Beispiel der „i wer’ narrisch“-Sieg in Cordoba? Schwer zu glauben. Ist Nord-Mazedonien ein überlegener Gegner, gegen den wir normalerweise verlieren? Das ist unmöglich, weil’s den Staat noch nicht so lange gibt, infolgedessen auch seine Nationalmannschaft nicht.

Was also dann?

Das Stichwort Cordoba erinnert mich an Hans Krankl, und der erinnert mich wiederum an den berühmten Sager: „Wir müssen gewinnen. Alles andere ist primär.“ Das wird immer hämisch angeführt, als Beweis, wie ignorant der Mann doch sei. Aber da erlaube ich mir Protest einzulegen, obwohl ich sonst nicht das Geringste übrig habe für Fußballer und Sportler im Allgemeinen. Sport ist, zumindest aus meiner Sicht, die Rache des Neandertalers am Homo sapiens.

Aber in diesem Falle: Hat Krankl da nicht eine profunde Weisheit ausgesprochen? Wandelte er da nicht auf den Spuren unseres Nationaldichters und Nationalphilosophen Johann Nepomuk Nestroy?

„Unwichtiges zuerst“, soll Friedrich Torberg einmal gesagt haben. Der war übrigens nicht nur Schriftsteller, sondern in seiner Jugend sogar ein Spitzensportler. Später sollte er bekennen, dass ihn seine Erfolge beim Wasserball mit größerem Stolz erfüllten als jene auf dem literarischen Parkett.

„Alles andere ist primär.“ Das könnte tatsächlich von Nestroy stammen! Was nicht nur Hans Krankl ein gerüttelt Maß an Volkswitz attestieren würde, sondern auch beweist, wie tief Nestroys Denkweise in Österreich verwurzelt ist. In diesem Zusammenhang darf auch Toni Polster nicht fehlen, der einmal auf die Frage, ob er sich als Fußball-Legende fühle, antwortete: „Lieber eine Legende als ein Denkmal. Weil da scheißen die Tauben drauf.“

Während seiner Zeit in Deutschland war er einmal in langwierige Transfer-Verhandlungen verstrickt. Keine Ahnung, von welchem Verein zu welchem! Jedenfalls fragte ihn ein deutscher Reporter wahrscheinlich zum hundertsten Mal nach dem Stand der Verhandlungen. Toni Polster antwortete, der Fragen ganz offensichtlich müde:
„Es spießt sich derzeit daran, dass die andere Seite zu viel bezahlen will.“
Der Reporter stutzte, kurze Pause, dann:
„Det is’n Scherz, wa?“
„Kleiner Vifzack!“

H.W. Valerian

H.W. Valerian (Pseudonym), geboren um 1950, lebt und arbeitet in und um Innsbruck. Studium der Anglistik/Amerikanistik und Germanistik. 35 Jahre Einsatz an der Kreidefront. Freischaffender Schriftsteller und Journalist, unter anderem für "Die Gegenwart". Mehrere Bücher. H.W. Valerian ist im August 2022 verstorben.

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