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Gerda Walton
Tour de Toilette
Ein Problem, das jeder kennt,
über das aber niemand spricht.
1. Teil:
WC – weit mehr als zwei Buchstaben


Okay, man spricht eigentlich nicht darüber. Privat, hinter vorgehaltener Hand schon, aber öffentlich hört man höchst selten etwas über dieses an und für sich überlebenswichtige Thema. Nicht umsonst bezeichnet man es schließlich auch als das Geheime Örtchen.

Ziemlich prekär und von rasch zunehmender Dringlichkeit kann die Frage Wohin soll ich mich wenden? allerdings auf einer Reise werden. Dann kann sie sogar zum gar nicht so selten alles dominierenden und unter Umständen gar nicht so leicht zu lösenden Problem ausarten, beinhalten Reiseführer doch eher selten einschlägig hilfreiche Ratschläge, obwohl wir doch alle nach menschlicher Art ab und zu müssen.

Ganz ehrlich, wir alle haben es schon erlebt, dass einen die größten Sehenswürdigkeiten, wegen der man um die halbe Erde gereist ist, plötzlich überhaupt nicht mehr interessieren, nur weil man ganz dringend muss. Dass ich als Reiseleiterin, als die man für die Befriedigung solcher musts zuständig ist, diesem Thema etwas mehr Aufmerksamkeit schenke, werden Sie bald verstehen und vielleicht ab und zu auch in eigenen diesbezüglichen Erinnerungen kramen.

Die (fast) international geläufige Bezeichnung WC = water closet lässt spontan auf eine Erfindung durch die Briten schließen, obwohl es diese bis heute nicht geschafft haben, auf ihrer von mir wirklich sehr geliebten Insel allerorts perfekt funktionierende toilets zu installieren, zumindest nicht in den Hotels.

Wer das ansonsten hochinteressante Reiseland Großbritannien kennt, weiß, wovon ich spreche. Ob alle verstehen werden, wenn Sie drüben etwas flapsig fragen Please, can I use your Winston Churchill?, kann ich nicht beurteilen. Seine noch lebenden Fans werden es womöglich als Sakrileg betrachten, obwohl dieser berühmte Engländer nicht nur für seine Politik, sondern durchaus auch für deftige Aussprüche bekannt war.

Amerikaner werden im Gegensatz zu vielen Briten hingegen überhaupt nichts damit anfangen können. Die fragen nach dem bathroom, auch wenn sie überhaupt nicht baden wollen. Sollten Sie übrigens einmal bei den britischen Royals eingeladen sein, womöglich sogar zur legendären Gartenparty im Buckingham Palace, wird es dort sicher auch so gehalten. Die verstorbene Queen soll dem Vernehmen nach von amerikanischen Sitten ja eher nicht besonders amused gewesen sein, ihre Nachfolger nehmen das jetzt vielleicht etwas lockerer.

Zum Glück für alle Müssenden gibt es seit dem Beginn der Höhlenmalerei die Kunst der bildlichen Darstellung von Mann und Frau, was einem in Ländern, deren Sprache oder Sitten man nicht beherrscht, doch entscheidend weiterhelfen kann.

Bei dieser Gelegenheit muss ich mir endlich einen jahrzehntelangen Frust von der Seele schreiben. Alle weiblichen Wesen, die das jetzt lesen, werden mir heftig beipflichten, dass es höchst an der Zeit wäre, Anatomiekurse für Architekten und Sanitärplaner einzuführen. Denn – kurz gesagt – wo die Schlange steht, ist garantiert das Damen-WC. Auch wenn es gegen das Gleichbehandlungsprinzip der EU verstoßen mag, für Damen mehr WC’s einzurichten als für die Herren der Schöpfung – Frauen benötigen für das Geschäft nun einmal länger, was an Hand endloser Kolonnen vor Damen-WC’s und dem flotten rein – raus auf der gegnerischen Seite klar zu beweisen ist.

Es ist kein Latrinengerücht, sondern pure Wahrheit, dass ich inzwischen angesichts der Tatsache, dass auf Busreisen im Schnitt 70 % Damen nur rund 30 Prozent männliche Wesen gegenüberstehen, außer es geht zum Fußball oder zu Autorennen, schon dazu übergegangen bin, gelegentlich leere Männer-WC’s durch Wachposten zu okkupieren und mitzubenützen. Also liebe männliche Planer: der Mensch lernt, so lange er lebt! Stellt endlich konkrete Überlegungen zu diesem Thema an!

Allen wird es ja nicht auffallen, aber ich denke bei der Besichtigung des x-ten, vor Prunk nur so starrenden Schlosses schon manchmal darüber nach, wie sie das bloß früher gemacht haben. Angesichts der, auf mit prachtvollem Damast bespannten Wänden auf Ölgemälden lebensecht dargestellten Generationen ehemaliger Schlossherrinnen in ausladenden Reif-, Unter- und anderen Röcken, stellen sich mir gelegentlich solch prosaische Fragen.

Aber kann man vor einer, ob all der ausgestellten Kunst und der historischen Ehrwürdigkeit des Besichtigungsobjektes total beeindruckten und eingeschüchterten Gruppe einen Schlossführer daraufhin ansprechen? Nein, das geht einfach nicht, man würde sich dadurch als Kulturbanause outen.

Aber vermutlich wird hinter bestens getarnten Tapetentüren, außer den hinlänglich bekannten Geheimgängen für Maitressen und Spione, wohl das eine oder andere vor dem andächtig staunenden Besucher versteckt, was diesem profanen Zweck gedient haben mag. Von den dekorativen, samtbezogenen Sanitärstühlen ganz abgesehen. Auf Führungen rufen sie ein kollektives, staunendes „Oh….“ hervor. Aber nur sie können es nicht gewesen sein!

Lediglich auf englischen Adelssitzen, vorzugsweise wenn deren Besitzer irgendwann einmal eine amerikanische Millionärstochter geehelicht hat, zeigt man voll Stolz die auf einstmals solider Dollar-Basis ins alte Gemäuer eingebauten Annehmlichkeiten der Zivilisation.

Mit plummeri, unter uns gesagt, sind also auch funktionierende WC’s gemeint. Mit ihnen konnte angeblich sogar die herablassende Gunst der, mangels finanzieller Mittel noch nicht mit den Segnungen voranschreitender Hygienetechnik versehenen, trotzdem aber reichlich snobistischen britischen Adelsschicht erschlichen werden. Die interessante Geschichte von Hever Castle in der englischen Grafschaft Kent nennt in diesem Zusammenhang die bekannte amerikanische Familie Astor.

Inzwischen sagt man in unserem Kulturkreis dem WC ja nach, sozusagen ein kultureller Gradmesser zu sein. Nun, ich muss gestehen, dass für mich, aber auch für viele meiner Freundinnen ein besonders schönes stilles Örtchen durchaus Anlass ist, auf Reisen das eine oder andere berühmte Hotel aufzusuchen, wo man dem Thema liebevolle Aufmerksamkeit widmet.

Da wird man von leiser, angenehmer Musikuntermalung begrüßt, besonders entspannend finde ich persönlich Meeresrauschen, während es nicht wie daheim nach desinfizierendem Kloputzmittel, sondern je nach Jahreszeit nach Veilchen, Maiglöckchen oder Rosen und, während der Weihnachtsmarktzeit, sogar nach Lebkuchen oder gar nach Vanillekipferln duftet, sofern man diese feinen Unterschiede  überhaupt auseinander halten kann. Obwohl ich persönlich, um ehrlich zu sein, im Winter frischen Tannenduft vorziehe. 

Und, was besonders wichtig ist: im unvermeidlichen Spiegel schaut man ob der raffinierten Beleuchtung dort nicht so griesgrämig wie in vielen billigen Kaufhausspiegeln aus, sondern hübsch, schlank und jung wie seit Jahren nicht mehr, so dass man vor Freude spontan beschließt, sich trotz aller guten Vorsätze doch noch eines der berühmten Desserts des Hauses zu gönnen.

Als Reiseleiterin kann man übrigens unglaublich punkten, wenn man überall, wo immer man Station macht, Kenntnis über eine am besten kostenlos zu benützende Toilette hat. Solches Wissen ist unter Umständen unbezahlbar und interessanter als jede vor Geschichte triefende Jahreszahl, die die meisten im nächsten Augenblick ohnehin schon wieder vergessen haben.

Tiefen Eindruck habe ich einmal auf einer Rundfahrt durch die Londoner Docklands hinterlassen, wo ich dem nach dem Frühstückskaffee spontan aufgetretenen Bedürfnis einiger Damen durch die Kenntnis eines Hotel-WC’s in gerade noch erreichbarer Nähe just in time abhelfen konnte. Die Erlösung aus ihrer Qual war für sie ganz offensichtlich weit wichtiger als meine ansonsten immer sehr gut ankommende Schilderung des großen Brandes von London im Jahre 1666, bei der sie mich ausgerechnet an der spannendsten Stelle, bei der Phantasievolle normalerweise schon ein leicht rauchiges Kratzen im Hals verspüren, mit ihrem Bedürfnis abrupt unterbrachen.

Ja, Wissen ist Macht! Das habe ich in diesem Augenblick deutlich gespürt. Im Übrigen war es keine spontane Eingabe, sondern lediglich gutes Gedächtnis, da ich einige Jahre zuvor mit einer anderen Gruppe in diesem Hotel übernachtet hatte und mich sogar noch erinnern konnte, dass das gewisse Örtchen nach amerikanischer Art diskret mit bathroom betitelt wurde.

Weit leichter hat es sich einmal unsere Begleiterin auf einer Schiffsfahrt durch die eindrucksvolle Welt der inzwischen nicht mehr jugoslawischen, sondern kroatischen Kornat-Inselgruppe gemacht, die uns nach einer rund 4-stündigen Schifffahrt auf einem kleinen Boot ohne die hier abgehandelte segensreiche Einrichtung nach der glücklichen Landung auf die dringliche Frage von rund fünfzig Passagieren, von denen die meisten schon seit einer Stunde nur mehr von einem auf das andere Bein traten, mit einer großzügigen Geste über die völlig kahle Insel erklärte: Alles WC! 

Das wäre natürlich durch viele Aspekte naturschützender Art eindeutig zu widerlegen gewesen, Einwände, die aber, angesichts des rapide zunehmenden Druckes gewisser Zwänge, total verblassten. Das wahre Ausmaß der Problematik ergab sich zuletzt jedoch daraus, dass die größten Steine dieses kargen und nur von niedrigem Buschwerk bewachsenen Inselchens lediglich einen Durchmesser von rund einem Meter hatten, was für mitteleuropäisches Schamgefühl nicht eben viel ist.

Wer einen kühnen Sprung in die kühlen Meeresfluten dem steilen Anstieg in der Mittagshitze spontan vorzog, meinte später, auf der Insel hätte es vom Meer aus betrachtet ausgesehen, als ob ein großes Ostereierverstecken im Gange gewesen wäre. 

Ja, in Sachen Tour de Toilette gibt es einiges zu lachen, besonders was die speziellen Probleme des unterschiedlichen Körperbaus der Geschlechter betrifft.

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Gerda Walton

Gerda Walton ist ein wandelndes botanisches Lexikon. Sie hat in den letzten Jahren weit über 600 Gärten dieser Welt bereist, die sie mit viel Einfühlungsvermögen auch fotografisch festgehalten und über die sie zahlreiche Artikel in renommierten Gartenzeitschriften geschrieben hat.

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