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Gerda Walton
Tour de Toilette
Ein Problem, das jeder kennt,
über das aber niemand spricht.
2. Teil:
Erfahrungen vererben sich nicht,
jeder muss sie selber machen.

Reist man um die Welt, lernt man natürlich unendlich viele Varianten zum existentiellen Thema Toilette kennen. Im ländlichen China etwa, wo man von den uns beherrschenden EU- Vorschriften keine Kenntnis hat, soll man eher leger und überhaupt nicht Geschlechter trennend damit umgehen.

Eine oben und unten viel zu kurz geratene Flügeltür nach Art eines Wildwest- Saloons, aus dem in den alten Filmen die Banditen spektakulär hinaus befördert wurden, wird dort als völlig ausreichende Deckung betrachtet. Es sei schon etwas befremdend und gewöhnungsbedürftig, wie die mir berichtende ältere Dame meinte, überall die Köpfe der Verrichtenden inklusive deren Gesichtsausdruck sehen zu können, auch wenn die Mimik der Chinesen für uns nicht gerade leicht zu entziffern ist. Aber vielleicht hat sich das inzwischen auch globalisiert.

In unzivilisierten Gegenden Indonesiens wiederum wird die Angelegenheit ohne Zeugen mit einem eleganten Schwung eines bereitgestellten Wasserkübels in eine Rinne einfach weggeschüttet, während man in Jordanien als Tourist total verwöhnt wird und bei den berühmten Besichtigungsorten geradezu wohnliche Anlagen mit glänzenden Marmorböden vorfindet, die sich, obwohl nicht selten inmitten der Wüste, um palmenbegrünte Innenhöfe mit einem plätschernden Springbrunnen gruppieren. 

Dort Kloputzer sein zu dürfen muss ein Privileg sein und deutet eindeutig auf gute Kontakte zu höheren Stellen hin.Übrigens dürfen nur Touristen hinein, die Einheimischen würden vermutlich gar nicht mehr nach Hause gehen und den Familienclan nachholen, weil es dort so schön ist.

Immer hält die Wüste natürlich nicht so angenehme Überraschungen bereit, aber eine Möglichkeit gibt es fast immer, obwohl mir auch schon von Safaris berichtet wurde, wo die Männlein hinter dem Bus und die Weiblein vor dem Bus oder umgekehrt notdurften, während ein Späher Ausschau nach hungrigen Löwen hielt. Da diese untertags aber meist schlafen, durfte man sich relativ sicher fühlen, wurde mir zumindest geschildert.

Auf den endlosen Fahrtstrecken durch das menschenleere Namibia gibt es da und dort, mitten im nowhere, sogar Parkplätze mit nichts anderem als einer aufgestellten Holzwand. Praktischerweise reicht diese nicht ganz bis zum Boden, da es ja keine Tür mit einem Besetzt-Zeichen gibt. Man kennt sich aber trotzdem aus, weil im Fall von besetzt  zwei Füße zu sehen sind.

Dafür bittet eine Aufschrift um Zielgenauigkeit, was leichter gesagt als getan ist. Hinter der Bretterwand verbirgt sich nämlich nichts anderes als ein in den Boden eingelassenes Rohr. That’s it! Jeder kennt sich aus, für reichlich Frischluftzufuhr ist immer gesorgt und man muss seine Naturbeobachtungen keine Sekunde lang unterbrechen.

Älteren Italienreisenden kommen dabei natürlich gewisse Assoziationen an die hinlänglich bekannten Stehklos, die inzwischen weitgehend im Verschwinden begriffen sind, um mitteleuropäischer Kultur Platz zu machen. In Italien steht für mich die Benützung des Örtchens übrigens in engem Zusammenhang mit dem einstmals wunderbaren Ein-Euro-Macchiato, der durchwegs erstaunlich gut war und auch heute noch, nur leicht verteuert, eine ideale Kombination darstellt, weil man bei dieser Gelegenheit gleich gehen kann.

Natürlich nur dann, wenn man, wie es leider oft der Fall ist, nicht nach dem Kaffeegenuss sofort wieder muss. Übrigens, falls Sie das Pech haben sollten, Venedig bei aqua alta, also bei Hochwasser zu besuchen, schlagen Sie sich das müssen am besten aus dem Kopf. Sonst könnte Ihnen Venedig als Stadt der Kultur ganz schön verleidet werden. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Da geht es im carnevale vergleichsweise harmlos, aber immer noch schlimm genug zu. In den letzten Jahren war man allerdings um Besserung bemüht und für die täglichen Touristenströme gibt es mittlerweile sogar einige öffentliche Örtchen, die man halt rechtzeitig finden muss, und wenn es denn wirklich wahr ist, gehört aqua alta dank der Schleusen von Mose (Modulo Sperimentale Elettromechanicco) ohnehin, nur nicht ganz, der Vergangenheit an.

Ja, andere Länder, andere Sitten. Und mit dieser weisen Erkenntnis würde ich das hochinteressante und wichtige Thema abschließen. Schließlich sollen Sie ja auch noch Ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen. Nur eines noch: Wenn Sie irgendwo ein eher abgeschieden gelegenes Örtchen benützen wollen, hinterlassen Sie eine Nachricht, wo Sie sind. Damit es Ihnen nicht so geht, wie mir bei einer Prosecco- Verkostung auf einem wunderschönen Weingut bei Treviso.

Ich schwöre, ich hatte maximal zwei, also allerhöchstens drei kleine Kostproben intus, als mir der Sinn von in vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit überdeutlich vor Augen geführt wurde. Beim Besuch des sehr entlegenen WC’s als letzte der Gruppe brach nämlich der innere Türgriff ganz plötzlich ab und da stand ich, einsam und allein auf weiter Flur, oder besser gesagt im winzigen Örtchen.

Vielleicht sind die auf- und zu schwingenden, unversperrten Saloontüren doch keine so schlechte Idee und wir nur total verklemmt, nachträglich betrachtet. Zum Glück hatte ich die Handy- Nummer unseres Busfahrers dabei. Nur, plötzlich ging das Licht aus und da stand ich erst einmal im rabenschwarzen WC. Zu allem Überfluss stellte sich auch noch heraus, dass die Beleuchtung meines damaligen Handys zu schwach war, um die auf einem Zettel mitgeführte Nummer des Busfahrers entziffern zu können.

Um nicht einem akuten Anfall von Klaustrophobie zu verfallen, stellte ich als Ablenkungsmanöver Überlegungen an, wann man wohl meine Abwesenheit bemerken würde. Da ich in der totalen Finsternis keine Sitzgelegenheit fand, lehnte ich mich, mit meinem Schicksal und dem lieben Gott hadernd, an die Wand. Und siehe da, mein Schutzengel oder wer immer sonst, drückte meinen Ellbogen genau dorthin, wo der Lichtschalter angebracht war. Ich wäre überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dort einen solchen zu vermuten. Der Rest war dann eine Kleinigkeit.

Um nach dieser hoffentlich informativen und amüsanten Tour de Toilette, wie die Franzosen unsere Gedankenreise wohl charmanterweise bezeichnen würden, doch wieder auf den Ernst der Lage zurückzukommen, noch ein wichtiger Reisetipp: Nehmen Sie, wenn Sie das stille Örtchen verlassen, nach dem Händewaschen immer ein Stück Papier (Klopapier, Papierhandtuch, Taschentuch) zur Hand, um damit die Tür zu öffnen. Bakteriologen warnen davor, dass sich auf Türklinken Krankheitskeime besonders wohl fühlen und auch dementsprechend lange überleben sollen.

Aber nur dann, wenn die Klinke nicht vorzeitig herunterfällt, würde ich aus Erfahrung hinzufügen.


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Gerda Walton

Gerda Walton ist ein wandelndes botanisches Lexikon. Sie hat in den letzten Jahren weit über 600 Gärten dieser Welt bereist, die sie mit viel Einfühlungsvermögen auch fotografisch festgehalten und über die sie zahlreiche Artikel in renommierten Gartenzeitschriften geschrieben hat.

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