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Gerda Walton
Hilfe, bei mir piepst’s – willkommen am Flughafen!
Bemerkungen zur Reisekunst

Über den Wolken soll die Freiheit bekanntlich grenzenlos sein. Aber leider ist, um dort hin zu kommen, ein von Jahr zu Jahr komplizierter werdender Hindernis- Parcours durch die Flughäfen dieser Welt zu absolvieren. Von den mittlerweile unzähligen Flugstreiks gar nicht zu reden, die immer mehr einen Urlaub Anpeilenden darüber nachdenken lassen, wo und wie man eigentlich früher, in der guten alten Zeit, als Flugreisen für Normalverdiener noch unerschwinglich waren, Urlaub gemacht hat. Ähnlich wie bei der Mode: Der sagt man ja auch nach, dass alles irgendwann wieder kommt.

Be mindful – sei achtsam, steht über der Zugbrücke von Cawdor Castle im schottischen Hochland, und eigentlich sollte dieses Motto inzwischen über jedem Flughafengebäude dieser Welt angebracht sein. 

Wer oder was dazu geführt hat, dass alljährlich Millionen von Flugreisenden nicht nur zu intensiver Achtsamkeit gezwungen werden, sondern sich darüber hinaus einem Kontrollterror der besonderen Art unterwerfen müssen, möchte ich hier nicht näher ausführen. Sicher ist aber, dass die leider nötigen Sicherheitskontrollen vor Antritt eines Fluges nicht nur Philosophen, sondern auch ganz normalen Erdenbürgern mittlerweile sehr zu denken geben. Wie kann es nur sein und was hat letztlich dazu geführt, dass Menschen so unbeschreiblich und wahllos hassen, frage ich mich oft. Ich finde den Gedanken eigentlich sehr bedrückend und kann es nicht mit der ganz normale Wahnsinn abtun, als Fluggast nicht nur ein Terrorziel darzustellen, sondern vorweg auch als potentieller Attentäter eingestuft zu werden.

Nicht wenige gehen ja mit einem Achselzucken darüber hinweg, schließlich weiß man, mit wie vielen Handicaps heutzutage eine Flugreise beginnt und zieht sich auf alle Fälle Socken ohne Löcher an, da man davon ausgehen kann, bei der Sicherheitskontrolle als erstes seine Schuhe ausziehen zu müssen. 

Das kann trotz des Ernstes der Lage bei den schon etwas frustriert weiter hinten Wartenden durchaus auch einmal Heiterkeit hervorrufen. Dass man nach Modediktat auch einmal, so man in sein will, zwei verschieden gemusterte, knallbunte Socken tragen muss, habe ich aus aktuellem Anlass am Flughafen Manchester dazu gelernt und mich, konservativ beschämt, auf meinen langweiligen dunkelblauen davongeschlichen. Weit bin ich ohnehin nicht gekommen, da man mich zum ersten Mal in den Nacktscanner geschickt hat, worüber ich so verdattert war, dass es nicht einmal mehr zum Nachdenken gereicht hat, welcher meiner Körperteile für die mich mit argwöhnischen Blicken durch und durch Beobachtenden jetzt wohl als terrorverdächtig eingestuft werden könnte. 

Mangels körperfremder Ersatzteile wurde ich mit einer ungnädigen Handbewegung als langweiliges Objekt weiter gewunken und durfte mich auf die Suche nach meinen inzwischen gescannten Wanderschuhen samt Zubehör machen. Inzwischen gehört das ja bereits zum Alltag einer Flugreise, auf der nächsten Flugreise ziehe ich garantiert Schuhe mit ganz dünner, unverdächtiger Sohle an, was ich weiterempfehlen möchte. Obwohl es inzwischen Flughäfen gibt, wo auch das nichts hilft. Aber ganz barfuß gehen heutzutage nur wirklich sehr ausgefallene Naturmenschen oder allenfalls Fakire auf eine Reise.

Wenn Sie sich Ärger ohne Ende ersparen wollen, nehmen Sie für ihr eingebautes Ersatzteillager, wie Knie oder Hüften, unbedingt ein ärztliches Attest mit. Und verzichten Sie vor einer Flugreise auf Einlagesohlen aus Metall, die erfahrungsgemäß ganz abscheulich piepsen können. Bis man Sie bzw. Ihren Body nämlich von oben angefangen bis zu den Sohlen detailliert durchkontrolliert und abgetastet hat, kann ihr Flugzeug bereits längst entschwunden sein, eben dorthin, wo die Freiheit grenzenlos ist. 

Tragen Sie am besten eine Hose ohne Gürtel, sonst geht es ihnen womöglich wie einem meiner alten Freunde, der zur Erheiterung der nach ihm Wartenden plötzlich in Unterhose und weißen Stützstrümpfen dastand, nachdem er den Gürtel vorschriftsmäßig in den dafür vorgesehenen Behälter gelegt hatte. 

Tragen Sie nur ja keinen Modeschmuck aus Metall, stecken Sie einen Schlüsselbund immer in den Koffer, nehmen Sie keinen größeren Münzbetrag mit und halten Sie genau die Bestimmungen bezüglich Flüssigkeiten ein, auch wenn Getränke hinter der Kontrolle erfahrungsgemäß doppelt so teuer sind, wie davor. 

Und machen Sie sich keine falschen Hoffnungen, dass Sie Ihre Kontaktlinsenspülung durchschmuggeln können, weil das Fläschchen, auf dem mehr Inhaltsangabe als erlaubt aufgedruckt ist, leicht sichtbar ohnehin nur mehr 3 Fingerhutvoll Inhalt enthält. Kreislauftropfen, Winzigscheren, Nagelfeilen, Taschenmesser im Miniformat werden Ihnen mit vorwurfsvollem Blick unbarmherzig als terrorverdächtig abgenommen, auch wenn sie mit letzteren allenfalls einen Apfel in mundgerechte Stücke schneiden könnten. 

Sollten Sie übrigens den köstlichen englischen Marmeladen, die landläufigen Meinungen über die grässliche englische Küche so ganz und gar nicht entsprechen, nicht widerstehen können, packen Sie die Gläser auf keinen Fall ins Handgepäck, auch wenn der Koffer schon nahe am Gewichtslimit liegt. Sonst gibt es zum englischen Erinnerungsfrühstück unter Garantie nur heimisches Zubehör und an ihrer Marmelade delektiert sich weiß Gott wer.

Wunder gibt es bekanntlich immer wieder und schon meine Großmutter war der weisen Meinung, es sei wichtiger, im Leben dauerhaft das kleine Glück gepachtet zu haben, als einmal im Leben das ganz große zu erleben. Schon zweimal ist es mir nämlich passiert, doch tatsächlich eine Schere im Handgepäck zu vergessen. 

Einmal nach einer Rosenreise durch England eine ganz besondere englische Rosenschere, die immerhin eine 5 cm lange Spitze aufzuweisen hatte. Meine Mitreisenden machten mich nach der Kontrolle in London/ Heathrow aufmerksam, dass man meine Tasche sehr intensiv begutachtet hätte. Ich musste sie aber nicht einmal aufmachen. Vermutlich war der Begutachtende selbst Rosenfreund und kannte dieses Modell. 

Bei der eiligen Zwischenlandung in Frankfurt allerdings holte man mich noch immer Ahnungslose, obwohl die Maschine nach Tirol bereits die Triebwerke angeworfen hatte, triumphierend vor den Bildschirm, um mir klar vor Augen zu führen, was ich da an Unerhörtem ins Heilige Land einzuschmuggeln plante. Als mir total entsetzt entfuhr O Gott, meine neue Rosenschere sah mich der meine Tasche inspizierende junge Mann verständnisvoll an, legte seiner Dienst habenden älteren Kollegin einen Arm um die Schulter und meinte Na, lass se man jehen! Worauf diese mir zuflüsterte Dann will ich man nicht so sein, lofn se, lofn se, sonst isse weg. Meine Maschine nämlich. 

Dass ich diesen Rat schnellsten befolgte, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Dann und wann trifft man doch tatsächlich noch menschliche Menschen, sogar auf Flughäfen, und wenn ich mit meiner Terroristenschere Rosen schneide, denke ich öfters an die beiden netten Menschen in Frankfurt.

Mit Erheiterung erinnere ich mich auch an einen Zwischenfall in Ägypten, wo mir auf dem Flug von Assuan nach Kairo ein ähnliches Missgeschick passierte, nur dass es diesmal eine Nagelschere war, die mir besonders gut in der Hand liegt. Ich war allerdings bei weitem nicht die einzige Unglückliche. 

Nun würde man natürlich jeden Eid schwören, dass wir in Europa weit zivilisierter sind als die da unten in Ägypten. Aber siehe da: alle verdächtigen Utensilien wurden mit der Sitznummer ihrer Besitzer versehen und sollten uns nach dem Flug wieder ausgehändigt werden, was mir eigentlich als richtiger erscheint, als sie einem brutal wegzunehmen. Dass allerdings bereits nach der halben Flugzeit eine Stewardess durch die Reihen ging und uns unsere Terrorrelikte vor der Landung fein säuberlich auf einem Tablett servierte, mag zwar mit gesundem Menschenverstand zu tun haben, entsprach aber eher nicht den Vorschriften.

Dass diese Kontrollen leider unumgänglich notwendig sind und unserer eigenen Sicherheit dienen, sieht ja jeder ein. Das Rätsel, warum aber ausgerechnet weißhaarige alte Damen und Herren besonders verdächtig sein sollen, als Terroristenkuriere zu fungieren, habe ich bis jetzt noch nicht zu entschlüsseln vermocht. 

Im Fall meiner inzwischen 83- jährigen Freundin Lieselotte mag es wohl fehlende Unterwürfigkeit sein, mit der sie aufmüpfig auf die eiskalten Blicke reagierte, mit denen man bei den Sicherheitskontrollen ganz offensichtlich zuerst einmal als möglicher Terrorist eingestuft wird. Besonders böse werden diese Blicke, wenn man ohne Aufforderung eine gewisse Linie überschreitet, entweder weil man sie nicht gesehen hat, oder weil man in höchster Eile zum Anschlussflug oder auch nur auf das stille Örtchen will.

Blickt man in die Gesichter der einen mit unbarmherziger Scharfrichtermiene erwartenden Kontrollorgane, die einen wie grimmige Feinde betrachten, obwohl sie letztlich davon leben, dass sie uns kontrollieren müssen, hat man eigentlich gar nicht das Gefühl, jetzt gleich in den heiß ersehnten Urlaub zu starten. 

Wenn ich, inzwischen mit Routine, nacheinander meine Utensilien in die dafür bereit gestellten Behälter sortiere, kommt mir gelegentlich schon der Gedanke, dass es ganz ähnlich sein muss, wenn man anschließend ins Kittchen wandert. Zumindest wird es in Fernsehkrimis so dargestellt. Dann liegt es mir schon auf der Zunge, diesen Kontrollorganen zuzurufen Wir sind die Opfer, nicht die Täter!

Dass man dann aus natürlichem Fluchtinstinkt versucht, diesen Ort möglichst rasch wieder verlassen zu können und gelegentlich Dinge wie Reisepass, Boarding Card, Brille, Armbanduhr oder den Hosengürtel zurücklässt, ist psychologisch leicht erklärbar, wenn auch unter Umständen ziemlich unangenehm und folgenschwer.

Vielleicht kennen Sie ja das von Marlene Dietrich einst so wunderbar gesungene Lied Sag mir, wo die Blumen sind? Jede Strophe endet mit dem Refrain Wer wird das je versteh’n, wer wird das je versteh’n

Dieser Erkenntnis ist aus meiner Sicht eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Ich zumindest werde es nie verstehen, warum es ist, wie es ist. Und Sie, geschätzte Leser, wohl auch nicht!

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Gerda Walton

Gerda Walton ist ein wandelndes botanisches Lexikon. Sie hat in den letzten Jahren weit über 600 Gärten dieser Welt bereist, die sie mit viel Einfühlungsvermögen auch fotografisch festgehalten und über die sie zahlreiche Artikel in renommierten Gartenzeitschriften geschrieben hat.

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