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Friedrich Hahn bespricht die Anthologie:
Wechselhafte Jahre
Herausgegeben von Bettina Balaka
Rezension

Schwindende Kräfte, nachlassende Energie und verblühende Schönheit. So beginnt Barbara Honigmanns Beitrag mit dem Titel Älter und Älter. Dies könnte als Motto der Anthologie über das Älterwerden von Schriftstellerinnen, Frauen jenseits der fünfzig und jenseits der Menopause über allem stehen.

Honigmanns Text ist einer von insgesamt 15 Beiträgen. Unter den Autorinnen finden sich Namen wie Barbara Frischmuth, Marianne Gruber, Marlene Streeruwitz oder Ulrike Draesner. Entsprechend divers sind die Beiträge. Von Erzählungen über Essays bis hin zu Hochpoetischem wie dem von Barbara Hundegger.

Manches liest sich wie eine Biografie, manches wie eine Art Selbsterklärung, anderes hat den Anflug einer unterschwelligen Anklage. Sätze, die ich mir markierte:

Jedes Jahr sieht sie (die Frau) ein Jahr schlechter aus und es kann in dieser Hinsicht nur ein Ziel geben: die Welt zu täuschen. (Karin Sedding).

Mitunter erinnert mich, was geschieht, an die Pubertät, auch körperlich. Man sucht nach Modellen, um sich zu verdeutlichen,…bei den Wechseljahren an ein Zurückspulen zu denken. (Ulrike Draesner)

Nichts ist schwieriger abzustreifen als eine von außen übergestülpte Identität. (Alida Bremer)

Viele Beiträge scheinen eigens für die Anthologie verfasst worden zu sein. Andere sind abgeschlossene Erzählungen, wie sie auch in jedem anderen Zusammenhang denkbar wären. So zum Beispiel Zdenka Beckers Story von einer Pflegekraft. Oder Sabine Scholls Nackt sein, oder Ruth Cerhas Entpuppung. Hart am Punkt hingegen Marianne Grubers Die Schwerkraft der Meinungen (Mit fünf Jahren wollte ich unbedingt ein Bub werden.) und Linda Stifts Ein rosa Pudel zieht ein (-ich hatte mir die Bulimie antrainiert).

Was würde wohl Claire Zachanassian, Dürrenmatts Alte Dame zum Älterwerden gesagt haben? Die Wechselhaften Jahre jedenfalls enden zwar verwurlt, jedoch versöhnlich, Mut machend: Sprechen können, gehen können macht Freude. Freude will geteilt werden. (Renate Welsh).

Wechselhafte Jahre als Ratgeber? Wer will, warum nicht…(?) Freude, sprechen, gehen und lesen – hat noch niemandem geschadet.

Übrigens: Auch Männer kennen die Wechseljahre. Sie heißen dann Andropause und diese führt zu einem altersbedingten Rückgang des Testosterons und zu damit verbundenen Beschwerden: dazu gehören unter anderem Leistungsabfall, Konzentrationsschwäche, Gewichtszunahme und Erektionsstörungen.

Also…vielleicht gibt es – im Sinne von Austausch und einem Miteinander – bald auch das Pendant zu den Wechselhaften Jahren aus männlicher Betroffenheit und Sicht… (Der Autor dieser Rezension ist übrigens 70 und durchlebt gerade seine dritte Quarterlifecrisis…)

Bettina Balaka (Herausgeberin): Wechselhafte Jahre. Anthologie. Leykam Verlag. 210 Seiten. € 24,50

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Hahn Friedrich

Geboren 1952 im Waldviertel / NÖ, schreibt und veröffentlicht seit 1969. 54 Bücher mit Lyrik, Prosa sowie 20 Arbeiten für den Rundfunk und für die Bühne (zuletzt „im rücken des schattens“, die rampe, Stuttgart 2004). Performances (u. a. im Centre George Pompidou/Paris im Rahmen der Polyphonix), Ausstellungen und Kataloge (u. a. „remakes“: Museum Moderner Kunst/Wien, „unterm strich“: Galerie Eichgraben, „allerhand hahn“: CA-Galerie im TZ). Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung und des Literaturkreises "Podium". Lebt in Wien/Alsergrund. www.literaturhahn.at

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