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Friedrich Hahn bespricht:
Andreas Niedermann
Alte Schule / Blumberg 3
Roman noir

So viel vorab: Andreas Niedermann gibt es wirklich. Wir schickten einander schon so manche Mail. 

Die Alte Schule erzählt allerdings ein anderes Ich, obwohl vorne am Cover Niedermann steht. Es, dieser andere Erzähler, dieses andere Ich hat keinen Namen. 

Der Ich-Erzähler ist wie Niedermann ebenfalls Autor. Moss, sein Verleger nennt ihn Junge. Und Moss hat einen Auftrag für den Jungen. Er soll eine Krimiserie namens Blumberg von einem gewissen Niedermann gegen einen fünfstelligen Vorschuss weiterschreiben. (Ich bin alt und brauchte das Geld.

Wer also ist wer? Niedermann geht in seinem Vexierspiel sogar so weit, dass er Niedermann von einem Kollegen suchen lässt: Niedermann hat den Griffel hingeschmissen und sich in die Berge verabschiedet. (…) Sagte nur: Das war’s mit der Schreiberei. 

Wer Andreas Niedermann kennt, weiß, dass auch er schon lange mit dem Gedanken spielt, das Schreiben sein zu lassen. Zum Glück für uns LeserInnen aber hat er damit noch nicht ernst gemacht. Zwei Blumberg-Bücher gibt es unter anderem schon. Vom echten Niedermann. Aber es soll eine Trilogie werden. 

Um diesen dritten Band geht es nun im dritten Band. Klingt blöd. Und so will ich es auch gleich spoilern: Mit Blumberg 3 bekommt man gleich zwei Romane zum Preis von einem. Und mit einem Jungen als Niedermann einen Niedermann als Phantom. Und einem realen Niedermann aus Fleisch und Blut (einsachtzig groß und mehr oder weniger hundertzehn Kilo schwer, wie wir gleich im ersten Satz erfahren), der sich das alles dann doch in letzter Instanz ausgedacht hat.

Zu kompliziert? Dabei ist das Grundprinzip einfach. Wir schauen Niedermann, der aber vorgibt, nicht Niedermann zu sein, beim Schreiben von Blumberg 3, einer Fortsetzung von Blumberg 1 & 2, über die Schulter. 

Isa Blumberg ist eine ehemalige Journalistin, saß ein und ist zum Zeitpunkt der Handlung Patientin am Steinhof. Der Autor, der Junge, dem zwar das Recherchieren verhasst ist, muss seinen Schreibtisch verlassen. Aber was macht man nicht alles für einen satten Vorschuss. Und so macht er sich auf, der Junge, um sich in diese Blumberg-Welt zu begeben. 

Es ist eine Welt mit einer verworrenen Familiengeschichte, einer Geschichte von Mord und Verrat, Geltungssucht und Blutrache und mit einer toten Taxifahrerin, die Isa, die überdies vorgibt, unter Amnesie zu leiden, immer wieder erscheint und sie in ein Gespräch verstrickt. Es ist alles angerichtet für einen klassischen Krimi.

In der zweiten Hälfte von BLUMBERG 3 wird aus dem Autor, dem Jungen, mehr und mehr ein Detektiv. Er besucht nach wie vor Isa Blumberg zu Recherchezwecken am Steinhof, aber nun wird er – durch die raffinierte Geschichte, die ihm die Blumberg auftischt – selbst zum Akteur. Er leiht sich das Auto vom Verleger und begibt sich, obwohl er keinen Führerschein hat, auf die Suche nach Isas Sohn Kilian. 

Die Suche führt unseren Reserve-Niedermann ins Waldviertel. Es kommt, wie es kommen muss. Die Polizei stellt ihn, unser detektivischer Held findet Zuflucht bei einer Jägersfrau, mit der er auf Seite 147 sogar eine Liebesnacht verbringt. An solchen Szenen merkt man dann , ob einer schreiben kann. Und Niedermann kann. Da muss sich ein Niedermann nicht verstecken. Im Gegenteil. 

Wie überhaupt: Je mehr Andreas Niedermann (er ist übrigens Schweizer des Jahrgangs 1956, der seit 1989 in Wien lebt) sich bemüht, den Anschein zu erwecken, dass er als Andreas Niedermann mit BLUMBERG 3 so überhaupt nichts zu tun hat (und irgendwo in den Bergen Esel züchtet), umso mehr hatte ich bei fortschreitender Lektüre den Eindruck, ihm immer näher und näher zu kommen. 

Ein Trick? Wahrscheinlich. Wie alles in BLUMBERG 3 am Ende zum Fake wird. Dejavus, Filmrisse, Lügen, Amnesien, Missverständnisse machen einem ohnehin schon doppelten Boden noch einen weiteren doppelten Boden. Sodass es am Ende, als unser Reserve-Niedermann in Spitalsbehandlung ist, in einer Art Entschuldigungsbrief von Isa Blumberg an ihn heißt: Das alles eher die Fiktion in der Fiktion einer Fiktion ist.

Ich schreibe das am 31.März 2024. Meine Armbanduhr zeigt halbacht. Mein Laptop aber zeigt 8:32 an. Im ersten Moment, …nein: Wie heißt es doch einmal so schön auf Seite 86: Bücher entstehen aus Büchern, Leben und Lügen. 

Zurückbleibt – neben aller Koketterie – auch so manches Rätsel. Zum Beispiel: Warum der Schriftsteller Andreas Niedermann nicht schon längst auf den großen Bühnen der Literatur vor den Vorhang gebeten wurde…

Andreas Niedermann: ALTE SCHULE/Blumberg 3, Roman noir, Verlag BAES, 190 Seiten, Euro 19,90.

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Hahn Friedrich

Geboren 1952 im Waldviertel / NÖ, schreibt und veröffentlicht seit 1969. 54 Bücher mit Lyrik, Prosa sowie 20 Arbeiten für den Rundfunk und für die Bühne (zuletzt „im rücken des schattens“, die rampe, Stuttgart 2004). Performances (u. a. im Centre George Pompidou/Paris im Rahmen der Polyphonix), Ausstellungen und Kataloge (u. a. „remakes“: Museum Moderner Kunst/Wien, „unterm strich“: Galerie Eichgraben, „allerhand hahn“: CA-Galerie im TZ). Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung und des Literaturkreises "Podium". Lebt in Wien/Alsergrund. www.literaturhahn.at

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