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Elias Schneitter
Von Mao, Ho Chi Minh und Superklebern
Notizen

In den Siebzigerjahren hatte ich ein kurzes Gastspiel an der Uni in Innsbruck. Gut erinnere ich mich noch an die „roten“ Stände der linksradikalen Gruppen im Haupteingang, GRM, Leninisten, Trotzkisten, an denen man kaum vorbeikam, ohne eine Unterschrift gegen den Putsch in Chile oder die sozialen politischen Ungerechtigkeiten in der Welt zu leisten.

In deutschen Städten und auch bei uns in Österreich marschierten Jugendliche mit der Mao-Bibel in Händen und riefen Ho chi Minh!

Im Zentrum des Aufruhrs stand auch die heftige Kritik gegen die Elterngeneration und deren Verhalten im Dritten Reich.

Manchmal stelle ich mir vor, dass Menschen sich zu einem Protestmarsch zusammentun und nicht gegen die böse Politik und was-weiß-ich-was protestieren, sondern einfach einmal gegen sich selbst und gegen das eigene Verhalten lauthals losbrüllen, in der Art: Ich bin ein böser Klimasünder, fahre Auto, benütze Handy, heize mit Öl und Holz, mit anderen Worten, ich bin ein mieses Öko-Schwein.

So einen Umzug fände ich einmal lustig. Ist natürlich ein Blödsinn. Heute wird gegen die herrschende Politik protestiert und manchmal habe ich den Eindruck: Wenn jemand in der Früh mit Kopfschmerzen aufwacht, dann ist auch daran die Politik schuld.

In den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hat es unter der Boheme in Paris den Begriff lost generation gegeben. Ich denke an Hemingway und Konsorten. Nach dem Krieg wurden sie abgelöst von der beat generation, der geschlagenen Generation, und heute haben wir die last generation.

Ich kann gut verstehen, dass Wohlstandskinder von heute auch in Hinkunft gut leben wollen.

Trotzdem denke ich, dass Ankleben und Kunstanschütten nicht die richtigen Methoden sind, um für Wohlstand und gegen Umweltzerstörung zu kämpfen. Außerdem befinden sich die Aktivisten mit ihrem Credo der Zweck heiligt die Mittel auf sehr dünnem Eis. Im Grunde sind das, übertrieben gesagt, bewährte diktatorische, faschistoide Methoden.

Die Industriestaaten müssten ihr Wirtschaftssystem von Grund auf verändern! Auch die Menschen müssen grundlegend ihr Verhalten verändern! Und das von heute auf morgen! Niemand stellt die Frage, ob das unsere Gesellschaft überhaupt durchsteht? Ich befürchte nicht.

Es ist schwierig, Dinge, die im letzten Jahrhundert verbockt wurden, mit einem Schlag aus der Welt zu schaffen. Allein mit einem Hunderter auf der Autobahn und einem radikalen Umdenken der Politiker wird es nämlich nicht getan sein.

Andererseits darf man diese Kleberei und Schütterei auch nicht allzu ernst nehmen. Ja, es geht um ein wichtiges Ökö-Anliegen, auch wenn es teilweise zur Selbstdarstellung und Wichtigtuerei dient. Am besten man betrachtet das Ganze als Kunstaktion von Wohlstandsaktivisten! Damit liegt man sicher nicht falsch.

Auf jeden Fall der größte Blödsinn ist es, deswegen härtere Strafen einzuführen. Das kann man gleich vergessen. Damit löst man überhaupt nichts.

Notiz 1: (im Cafe Eiles aufgefangen) Dort meinte ein Gast am Nebentisch: Zu Tode gejammert ist auch gestorben

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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