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Elias Schneitter
Von den Freuden der Wochenenden
Notizen

Die Wochenenden waren für mich schon immer etwas Besonderes. Auch heute noch als Pensionist vermitteln sie mir stets ein angenehmes Flair, besonders wenn ich in Wien bin.

Als Kinder auf dem Lande lebten wir eigentlich nur von Wochenende zu Wochenende. Wir mussten nicht in die gefürchtete Schule und die Fußballmatches unseres Vereines standen am Programm. Die ganze Woche freuten wir uns auf diese Spiele, sie waren unser Gesprächsthema.

Während meines langen Berufslebens war das Freitags-Abschluss-Bier, vor allem in den letzten Jahren, fast schon ein Ritual. Solche Treffen konnten mitunter bis lange in die Nacht hinein andauern. Ein Freund von mir kam fast regelmäßig von seinem Arbeitsplatz im Oberland in die Stadt und nicht selten kehrte er erst am Sonntag wieder nach Hause zurück.

Ein Lebensplan von mir war immer, dass ich mir nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben eine Unterkunft in Wien besorgen werde. Und hier ist es mit den Wochenenden ganz so wie früher. Sie sind meist das Highlight der ganzen Woche.

Der Freitagabend gehört wieder dem Fußball mit einem Besuch beim sagenhaften Wiener Sportclub. Obwohl das Team nur in der Regionalliga spielt, kommen, nein pilgern stets an die zweitausend Zuschauer ins altehrwürdige, baufällige Stadion, denn der WSC ist Kult in Wien und er ist ein Magnet für besondere Fans.

Einer brachte es so auf den Punkt: Ich bin wegen der Stimmung hier, weniger wegen dem Fußball. Und dieser Satz hat seine volle Gültigkeit und ich kann nur jedem raten, bei einem Wienbesuch sich so einen Abend zu gönnen.

Ein weiterer Höhepunkt ist der samstägige Besuch beim Bauernmarkt am Yppenplatz. Der Brunnenmarkt in Ottakring ist wahrlich eine Multikulti-Angelegenheit und ich würde jedem Rassisten oder Ausländerhasser von einem Besuch abraten.

Ich schätze den Bauernmarkt am Samstag über alles. Hier gibt’s jede Menge Köstlichkeiten, sodass ich jedes Mal voll zuschlage: Käse, Kabanossi, Obst und Gemüse, alles vom Feinsten (hat natürlich seinen Preis). Abschließend gibt’s dann noch einen Kaffee oder ein Gläschen in der wunderbaren und üppig vorhandenen Gastro im Freien.
Der ideale Platz zum Leuteschauen, denn hier tummelt sich alles was Rang und Namen hat in Ottakring. Vor allem: keine Touris. Nicht einmal Teutonen, also pssst!!! Meist trifft man flüchtige Bekannte auf einen kurzen Plausch. Wie hat der Sportclub gespielt? Oder so ähnlich.

Letztes Wochenende saß ich zufällig neben zwei jungen smarten Studenten, wie ich ihrem Gespräch entnehmen konnte. Beide Anfang zwanzig, Wiener, sie unterhielten sich im Schönbrunner Hochdeutsch.

A: Ich war grade ein paar Tage in London.
B: London ist genial.
A: Zuerst wollten wir nach Rom.
B: Rom, bitte. Wer fährt nach Rom.
A: Ja, ich mag Rom auch nicht.
B: Italien, schrecklich. Höchstens noch Mailand, aber muss ich auch nicht haben.
A: Was hast du geplant?
B: Geplant ist Stockholm mit ein paar Freunden.
A: Stockholm ist langweilig.
B: Ich weiß, vielleicht kann ich sie noch von Berlin überzeugen.
A: Berlin geht immer.
A: Ich hab noch Lissabon am Programm in zwei Wochen. Dann nehm ich noch gleich Madrid und Barcelona mit.
B: Momentan halt sehr heiß.
A: Eigentlich wollte ich mit dem Rudi nach Thailand, Burma, diese Ecke.
B: Letztes Jahr war ich dort.
A: Der Rudi liegt jetzt in Thailand im Krankenhaus.
B: Unfall?
A: Beim Tauchen hat er sich an einem Korallenriff schwer verletzt.
B: Shit.
A: Musste operiert werden.
B: Oh noch mehr Shit. In Thailand!
A: Seine Mutter hat wegen der Kosten schon die Visa aufstocken müssen.
B: Dann kann man ihm nur alles Gute wünschen.

Die Unterhaltung der beiden amüsierte mich außerordentlich. Ich war schon knapp davor die beiden – natürlich höflich – zu fragen, was sie von Greta und der letzten Generation halten. Aber das ließ ich dann bleiben. Ich wollte nicht den Moralapostel spielen. Und vor allem nicht die gute Wochenendstimmung stören.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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