Print Friendly, PDF & Email

Elias Schneitter
Tourismusabgabe, für wen eigentlich?
Notizen

Da ich Verleger und Autor bin, trudelte dieser Tage wieder die Vorschreibung für die Tourismusabgabe bei mir ein. Ein mittlerer zweistelliger Betrag, also nicht gerade die Welt.

Trotzdem wundere ich mich jedes Jahr darüber. Aber deswegen gleich das Land zu verlassen, wie es unser Heimatdichter getan hat, dafür reicht mein Ärger nicht aus. Zudem verbringe ich ohnehin das halbe Jahr in Wien und bin auch kein so begnadeter Dramatiker wie unser Felix.

Was den Tourismus in Tirol betrifft, gehöre ich zu jenen, die ihn inzwischen eher skeptisch sehen.

Er hat meinem Heimatort Zirl ohne Zweifel in den Anfängen bis herauf in die Achtzigerjahre einen gewissen Wohlstand gebracht. Dann kamen die großen Verkehrskonzepte. Zirl ist inzwischen ein lärmgeplagter Verkehrsknotenpunkt und für den Tourismus vollkommen unbrauchbar.

Meine erste langjährige Freundin war die Tochter eines Gastwirteehepaares, das ein alteingesessenes gutbürgerliches Wirtshaus betrieb. Wenn ich mich an diese Zeit in den Siebzigern zurückerinnere, dann fordert mir der Fleiß und der Einsatz, den ihre Eltern leisteten, noch heute großen Respekt ab.

Tagaus, tagein stand die Mutter in der Küche, der Vater betrieb nebenbei noch ein kleines Schotterwerk und arbeitete auch jeden Tag in der Gaststube. In der Saison kamen Touristen, und sonst gab es das ganze Jahr über Firmen- und Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Leichenschmäuse, Vereinsabende und die Feuerwehr hatte ohnehin hier ihr Hauptquartier. Mit einem Wort: Arbeit in Hülle und Fülle.

Oft begann der Tag um sechs Uhr früh und endete abends um zehn, nur zu Mittag eine kurze Zimmerstunde, um die Beine hochzulegen.

Von außen betrachtet war die ganze Angelegenheit nichts weiter als Selbstausbeutung, all die Jahre bis hin zur Pension. Und die fiel nicht besonders üppig aus. Jedenfalls stand sie in keinem Verhältnis zur Lebensleistung, die erbracht worden war. Damals, man war zudem schlecht versichert, gab es trotz der immensen Anstrengungen nicht das große Geld zu verdienen. Alles, was eingenommen wurde, wurde wieder ins Gasthaus gesteckt.

Von den Kindern hatte niemand Interesse den Betrieb weiterzuführen. War so ein Leben wie jenes der Eltern meiner Freundin erstrebenswert? Die Antwort fiel eindeutig aus: der Gasthof schlussendlich geschlossen und aufgelassen. Der Erlös für den Verkauf wurde zum Großteil zur Deckung von Schulden benötigt.

In meiner Jugend hat es in meiner Heimatgemeinde nicht weniger als zwölf Landgasthäuser gegeben. Inzwischen gibt es nur noch eines und das, obwohl die Gemeinde beinahe doppelt so viele Einwohner zählt wie damals.

In all diesen Fällen hat die Tourismusabgabe nichts bewirkt. Wozu gibt es sie eigentlich?

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Schreibe einen Kommentar