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Elias Schneitter
Brexit, Amazon und reiselustige Tiroler
Notizen

Inzwischen gehöre ich zu jenen Menschen, die die täglichen Nachrichten eher zurückhaltend konsumieren. Natürlich kann man sich nicht völlig ausklinken, aber wundern muss ich mich schon manchmal, was da so berichtet wird. Ein kleiner Auszug.

Brexit

Das Vereinigte Königreich bildet laut IWF das Schlusslicht bei den Konjunkturprognosen der G7-Staaten für 2023 und schneidet selbst schlechter ab als das mit Sanktionen belegte Russland.

Dafür gebe es mehrere Gründe. Hauptauslöser für die Wachstumsschwäche sei aber der Brexit, sagen Wirtschaftsfachleute. Inzwischen wird das immer mehr auch den Briten bewusst und laut Umfragen gibt es bereits eine Mehrheit, die wieder für einen Eintritt in die EU stimmen würden.

Auch erschüttert momentan wegen der miserablen wirtschaftlichen Situation die Insel eine große Streikwelle.

Also, wenn man böse sein will, könnte man sagen: zuerst stimmt das Wahlvolk mehrheitlich für den Brexit und dann protestiert das gleiche Wahlvolk gegen die Folgen, für die man sich vorher entschieden hat.

Ein Freund hat einmal zynisch gemeint, dass das Wahlvolk wie Plastilin sei, man müsse es nur entsprechend propagandistisch und marketingmäßig kneten, um selbst die seltsamsten Ziele erreichen zu können.

In dieser Hinsicht muss man neidlos anerkennen, dass dieses Spiel vor allem Dampfplauderer und Quatschköpfe genial beherrschen. So wie in England Boris Johnson und Nigel Farage, auf die die Mehrheit bei der Abstimmung hörte, obwohl so ziemlich alle ernstzunehmenden Experten vor dem EU-Austritt gewarnt haben.

Aber fundierte Meinungen von Experten scheinen immer weniger zu zählen.

Tiroler Reiselust

In Tirol heute wird ein Bericht über die kommende Urlaussaison gesendet und berichtet, dass die Tiroler und Tirolerinnen die Reisebüros wie blöd stürmen. Man müsse inzwischen ganz schnell buchen, wenn man für die kommende Sommersaison noch was ergattern will.

In einem weiteren Bericht wird dann auf die schwierige wirtschaftliche Situation in unserem Land hingewiesen: Pandemie, Inflation, Energiekosten, Krieg, Klimawandel! Immer mehr Menschen geraten ins wirtschaftliche Abseits und können sich das tägliche Leben nicht mehr leisten!

Wiederum zynisch könnte man formulieren: Noch schnell einen Urlaub buchen, bevor die Welt untergeht. Kuah hin, Kalbl a hin. Konto hin.

Amazon

Der Besitzer von Amazon Jeff Bezos hat einmal seine erfolgreiche Strategie klar auf den Punkt gebracht. Man muss ein Monopol schaffen. Das heißt, etwas bieten können, was die anderen nicht bieten können.

Amazon hat ursprünglich als Buchvertreiber begonnen, und zwar hat er das mit enormen Dumpingpreisen erreicht und damit seine Mitbewerber ruiniert. Er selbst hat anfangs zwar auch viel Miese geschrieben, aber das war sein kalkuliertes Risiko und schlussendlich blieb er als Monopolist in den USA auf dem Buchmarkt übrig und bestimmte fortan, wo es langgeht.

Groß frisst Klein, das übliche Spiel. Er hat inzwischen ja nicht nur den Buchhandel voll im Würgegriff.

Diese Gedanken kommen mir, als im ORF gemeldet wird, dass der zweitgrößte Buchauslieferer in Österreich pleite gegangen ist. Betroffene Verleger reden von einem Erdbeben und, wie es in Österreich üblich ist, wird natürlich reflexartig nach Staat gerufen.

Aber das wird auf Dauer den Buchhandel auch nicht retten, denn dieser hat sich in der jetzigen Form überlebt. Auch hier wird Amazon das Heft in die Hand nehmen.

Eben: Groß frisst Klein. Lauf der Dinge. Offenbar.


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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. c. h. huber

    zum buchhandel: totgesagte leben länger – das hoffe ich jedenfalls.

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