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Elias Schneitter
Handyrechner statt Bierblock
Notizen

Optimieren und maximieren stehen heute in allen Lebensbereichen im Mittelpunkt. So auch im Bildungssystem. Lesen, rechnen, schreiben als Grundpfeiler unserer Ausbildung. An diese Maximen musste ich in letzter Zeit einige Male denken.

Letzthin besuchte ich in Wien ein Beisl und bestellte einen Verlängerten und ein Mineralwasser. Beim Bezahlen staunte ich nicht schlecht, als die Bedienerin die zwei Posten auf einen Zettel schrieb, dann aber, nach kurzer Überlegung, ihr Handy zückte und meine Bestellungen zusammenzählte. 

Übrigens falsch, weil sie sich verdrückt haben musste. Sie bemerkte das nicht, ich sagte auch nichts. So ersparte ich mir 20 cent.

Vergangene Woche war ich mit zwei Freunden bei einem Fußballspiel in der neuen und beeindruckenden Sportarena in Rum. Ein Restaurant und eine Kantine vom Feinsten. Da hat die Gemeinde sehr tief in ihre Taschen gegriffen. 

Wie üblich am Fußballplatz wollten wir uns gleich zu Beginn verköstigen: zwei Bier, einen Radler (für den Fahrer) und für jeden eine Bratwurst. Diese gab´s nicht. Wurscht. Passt wahrscheinlich nicht mehr in so ein modernes Ambiente. 

Der Mann hinter dem Tresen hatte seine Schwierigkeiten mit dem Bier. Es schäumte gewaltig. Schließlich erhielten wir die Bestellung, die Becher halb gefüllt mit Schaum. Wurscht. Ich bezahlte die drei Becher. 

Wieder zückte der Kantineur sein Handy, rechnete die drei Getränke zusammen. Kostenpunkt 11,10. Ich reichte ihm einen Zwanziger und wieder rechnete er das Rückgeld aus. Von mir gab es kein Trinkgeld. Wegen zuviel Schaum.

Wieder am Fußballplatz, diesmal am Tivoli, da hat man den neuen Zeiten bereits Rechnung getragen. Hier gibt es inzwischen kein Bargeld mehr. Wenn man etwas konsumieren will, muss man vorher bei einem Automaten eine eigene Karte erwerben, diese mit der Bankomat aufladen und dann zum Standl. Nur mit der Karte gibt es Bier und Wurst (wahrscheinlich auch nicht mehr). 

Wir haben jedenfalls im Tivoli auf unser obligates Menü verzichtet. Die Zeiten, in denen Kellnerinnen noch mit dem Bierblock oder einfach mit dem Kopf abgerechnet haben, sind endgültig vorbei. 

Es lebe die Optimierung! Und die Maximierung!

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. otto riedling

    Der Druck kommt
    – erstens vom Dienstgeber, denn der will sofort das (zahlen-/mengenmäßige) Ergebnis auf dem
    Tisch haben, denn für das Zählen und Rechnen wird das Personal nicht mehr bezahlt. Außerdem
    gibt es seit 2015(?) die Registrierkassenpflicht;
    – zweitens seitens der Finanz bzw. Steuerberater, denn sie wohl die Zahlen zumindest zweitäglich
    übermittelt bekommen;
    – im Handel herrscht der Druck, keine „Fehleinkäufe“ zu tätigen; d.h. es wird ständig gecheckt,
    welche Produkte (z.B. Joghurt mit Salami und Nutella) und wo (z.B. mehr im Waldviertel, weniger
    in der Südsteiermark) gekauft werden. Das Konsum-Desaster (1995) sitzt den Verantwortlichen
    noch heute im Nacken.
    Man sieht es sind ganz pragmatische Gründe.

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